Krisen- und Medienkompetenz impft gegen Desinformation und trainiert darin, sich der Wirklichkeit zu stellen. Zwei Studien zum Ukrainekrieg zeigen, wie dringend dies ist, schreibt Marlis Prinzing.
Journalismus ist gefordert: Menschen in Deutschland verfolgen aufmerksam den Krieg in der Ukraine, und mehrheitlich fühlen sie sich zwar aktuell informiert, nicht aber hinreichend über dessen Auswirkungen oder über die verschiedenen Sichtweisen. Zugleich wuchs nach Kriegsbeginn die Gruppe jener, die negativen Nachrichten bewusst ausweichen – besonders in der Altersgruppe der 18-bis 24-jährigen – in Deutschland stärker als in den weiteren untersuchten Ländern Polen, Großbritannien, Brasilien und den USA. Diese Befunde des Reuters Instituts der Universität Oxford enthalten klare Hinweise darauf, wo professioneller Journalismus nachbessern kann, nämlich mehr erklären und einordnen, mehr Sichtweisen zeigen, und dass er aktiv die Krisen- und Medienkompetenz stärken sollte. Dies bekräftigen auch Befunde einer weiteren Studie des Rheingoldinstituts Köln. Zu Kriegsbeginn Ende Februar reagierten viele mit Hilfsbereitschaft und Solidarität, mittlerweile mit Verdrängung. Menschen wollen sich die Kriegsangst mit Strategien zur Selbstbeschwichtigung und Selbstbestärkung vom Leibe halten, so würden Vorräte angelegt, vorsorglich Reisetaschen gepackt, Partys gemacht, als gäbe es kein Morgen, Personen zitiert, die die Lage in der Ukraine „entdramatisieren“.
Zentralschlüssel für ein robustes, also resilientes Leben, ist Informiertheit. Sie macht alltagstauglich, gerade in Krisen. Putins Krieg in der Ukraine war stets auch ein Krieg um Informationen. Daran gekoppelt ist die sehr berechtigte Furcht vieler, Desinformationen auf den Leim zu gehen. Da hilft nur: Bürgerinnen und Bürger müssen systematisch krisen- und medienkompetenter werden. Faktencheckinitiativen, Projekte wie „Journalismus macht Schule“, ThinkTanks wie First Draft (seit Juni Information Futures Lab) sind Ansatzpunkte oder Ideengeber, wie Journalismus Lebensschule betreiben kann.
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 26.06.2022
Beitragsbild: Julia Rekamie/unsplash.com
Schlagwörter:Krieg, Krise, Medienkompetenz, Ukraine