Kosovo: Die Corona-Krise und die Medien

5. Juni 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

Im Kosovo bestimmte in den vergangenen Monaten nicht die Pandemie, sondern der Zusammenbruch der Regierung die Nachrichtenagenda. 

Der Ausbruch des Coronavirus im Kosovo hatte weniger Einfluss auf die Medien als in vielen anderen Teilen Europas. Obwohl die Regierung Mitte März den medizinischen Notstand ausrief und das Land sieben Wochen lang völlig abgeriegelt war, widersetzte sie sich dem Druck von Präsident Hashim Thaci, den politischen Ausnahmezustand auszurufen. Das bedeutet, dass auch keine Maßnahmen verhängt wurden, die die Pressefreiheit weiter einschränkten.

In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt der Kosovo Platz 70 – und schneidet damit besser ab als seine Nachbarn Albanien (84), Montenegro (105), Nordmazedonien (92) und Serbien (93). Freedom House stellte in seinem Bericht „Nations in Transit“ für das Jahr 2020 auch eine Verbesserung der Medienfreiheit im Vergleich zum Vorjahr fest.

Hohe Standards im Journalismus

Die kosovarischen Medien begannen erst dann, über die Coronavirus-Pandemie zu berichten, als am 8. März die ersten Fälle in Albanien registriert wurden. Der erste Fall im Kosovo selbst wurde am 13. März registriert; von da an berichteten alle Medien ausführlich über Covid-19.

Die Medien haben bei der Berichterstattung über die Pandemie im Großen und Ganzen einen hohen Standard beibehalten: Die meisten Medien unternahmen große Anstrengungen, um die Bevölkerung des Kosovo auf dem Laufenden zu halten, wobei sie sich in ihrer Berichterstattung auf offizielle Quellen stützten und sich an verifizierte Informationen hielten. Die Fernsehsender und die meisten Online-Medien achteten darauf, das Recht der Infizierten auf Anonymität zu respektieren.

Die Medien berichteten aus verschiedenen Blickwinkeln über die bestätigten Fälle von Covid-19, über die von der Regierung verhängten Maßnahmen, über die Bedingungen in der Klinik für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum des Kosovo (UCCK) und über die Herausforderungen, denen sich das medizinische Personal gegenübersah.

Politische Krise stellt Pandemie in den Schatten

Ende März wurde das Land in politische Turbulenzen gestürzt: Die Koalitionsregierung unter Premierminister Albin Kurti brach zusammen, nachdem ein Misstrauensvotum gegen Kurti von einer Mehrheit der Parlamentsabgeordneten unterstützt worden war. Grund für das Votum war die Entlassung des Innenministers Agim Veliu, der der Partei der Demokratischen Liga Kosova (LDK) angehört. Veliu hatte den Aufruf von Präsident Thaci zur Verhängung des Ausnahmezustands unterstützt, Kurti war jedoch dagegen gewesen.

Seitdem hatte Kurti geschäftsführend regiert. Erst diese Woche, am 3. Juni, hat das Parlament mit einer hauchdünnen Mehrheit den Chef der LDK, Avdullah Hoti, zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.

Politische Machenschaften und verschiedene Versuche zur Bildung einer neuen Regierung haben in den vergangenen Monaten die Berichterstattung kosovarischer Medien beherrscht – und die Corona-Pandemie als Top-Story von der Nachrichtenagenda verdrängt.

Desinformation verbreitet sich über die sozialen Medien

Sobald es die ersten Berichte über das Coronavirus gab, kursierten auch verschiedene Arten von Desinformation, vor allem in den sozialen Medien. Im Kosovo gelten die sozialen Medien als eine der Hauptinformationsquellen, sie sind aber auch eine der größten Desinformationsquellen.

Wie eine Analyse von mir zeigt, wurden im März und April fünf Hauptkategorien von Desinformation über Covid-19 in albanischer Sprache auf Facebook verbreitet, die auch ungeprüft von einigen Medien übernommen wurden: 1) Ein Interview auf YouTube mit einem US-amerikanischen Osteopathen, der das Corona-Virus verleugnet, 2) Berichte, dass das Coronavirus nur als Ablenkungsmanöver genutzt worden sei, um zu verschleiern, dass im Rahmen der Spannungen zwischen den USA und Russland zwischenzeitlich 40.000 US-Spezialkräfte in Europa stationiert wurden, 3) Ratschläge eines japanischen Arztes, wie man sich selbst auf Covid-19 testen kann, indem man für länger als 10 Sekunden die Luft anhält, 4) Berichte über eine Freimaurer-Weltverschwörung und 5) Ratschläge, wie man das Virus bekämpft, indem man heiße Zitrone mit Natron trinkt.

In den vergangenen Monaten haben die Mainstream-Medien nicht viel unternommen, um Fake News zu bekämpfen. Aufgrund der politischen Lage haben die meisten Medien ihre begrenzten Ressourcen eher der Berichterstattung über die politischen Entwicklungen gewidmet.

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