Medienethik stärkt Vertrauen in Journalismus

13. Juli 2018 • Qualität & Ethik • von

Eine ethisch korrekte Berichterstattung sollte immer die Richtschnur sein. Dazu gehört auch der verantwortungsvolle Umgang mit Daten. In der Schweiz legt der Journalistenkodex des Presserates fest, was Journalistinnen und Journalisten tun dürfen und was nicht. 

„Verantwortung“ – das war das mutmaßlich von Mark Zuckerberg am häufigsten geäußerte Wort während seiner Anhörung vor den beiden Parlamentsausschüssen des US-Kongresses Mitte April. Der CEO und Gründer von Facebook räumte ein, sein soziales Netzwerk habe Fehler im Umgang mit Nutzerdaten gemacht. Er entschuldigte sich wortreich und gelobte Besserung. Unter anderem wurden ohne Einwilligung der Nutzer zig Millionen private Facebook-Daten an die auf Mikrotargeting spezialisierte Datenanalysefirma Cambridge Analytica weitergeleitet.

Der verantwortungsvolle Umgang mit Daten gehört zum Rüstzeug jeder Journalistin, jedes Journalisten. Nur hat es eine etwas andere Bedeutung als jene, die Zuckerberg meint. Es zeichnet Redaktionen aus, dass sie alles daransetzen, Fehler bei der Datensammlung, der Datenauswertung und der Dateninterpretation zu vermeiden. Die Richtschnur dafür legen Gesetze und Normen, vor allem aber Kodizes und branchen- und redaktionsinterne Verhaltensregeln. In der Schweiz leistet das unter anderem der Journalistenkodex des Presserates. Er legt fest, was Journalistinnen und Journalisten tun dürfen und was nicht – und unter welche Bedingungen Inhalte hergestellt werden.

Ein fundamentales Prinzip ist unter anderem die strikte Trennung zwischen inhaltlichen und kommerziellen Interessen innerhalb eines Medienhauses. Es soll das publizistisch tätige Personal davor schützen, falsche Kompromisse einzugehen oder gar wissentlich und willentlich mit Daten andere Ziele zu verfolgen als rein journalistische – die zuvorderst dem öffentlichen Interesse geschuldet sein müssen.

Facebook aber ist kein Medienunternehmen, will es partout nicht sein – weil sich eine so verstandene Verantwortung nicht vereinen lässt mit der raison d’être der Plattform: Nicht etwa Menschen glücklicher oder gar besser informiert zu machen, sondern möglichst viel Profit aus deren Datenfreigiebigkeit zu schlagen. So gesehen sind Zuckerbergs Beteuerungen, künftig verantwortungsvoller sein zu wollen, wohlfeil. Facebook und Co. können gar nicht anders, als aus den Daten ein Maximum an Informationen herauszusaugen, wollen sie als Unternehmen überleben. In einer freien Marktwirtschaft geht das in Ordnung; aber es gibt ethische Grenzen auch bei diesem Handeln, die Facebook und andere Intermediäre seit längerem ganz offenkundig überschreiten.

Journalisten sind gehalten, solche Grenzen einzuhalten, selbst dann, wenn sie möglicherweise den Erfolg schmälern. Denn in der Tat: Die inhaltlich korrekte Schlagzeile bietet nicht das Spektakel, die Zurückhaltung bei der Nennung allzu privater Details steht im Widerspruch zur menschlichen Neugier und die Konsultation der Angeschuldigten nimmt der Geschichte möglicherweise im letzten Moment die Substanz.

Dass Berufskolleginnen und -kollegen trotzdem ab und zu solche Grenzen ausloten oder gar überschreiten, ist Teil des vielschichtigen Spannungsfeldes, in dem Journalisten arbeiten. Es mindert jedoch nicht den Anspruch, dass eine ethisch korrekte Berichterstattung immer die Richtschnur sein sollte. Eine so verstandene Professionalität ist notabene auch der ökonomischen Logik geschuldet. Denn letztlich macht nur Vertrauen in die journalistische Arbeit Inhaltsangebote längerfristig handelbar. Geht dieses Vertrauen verloren, sind wir als Nutzerinnen und Nutzer kaum mehr bereit, für Journalismus zu bezahlen oder unsere Aufmerksamkeit für Inhalte herzugeben, die indirekt durch Werbung (mit-)finanziert werden.

Daher ist Medienethik kein Selbstzweck, sondern ein elementarer Bestandteil sowohl publizistischer als auch unternehmerischer Verantwortung. Sie dient zuvorderst der Qualitätssicherung. Es ist daher für Arbeitnehmende genauso wie für Arbeitgebende Aufgabe und Pflicht, sie ernst- und wahrzunehmen. Und es dient der Branche insgesamt, dass der Schweizer Presserat im Sinne der sozialpartnerschaftlich getragenen Selbstregulierung auf die Einhaltung des medienethischen Kodex pocht, bei Beschwerden durch Einzelpersonen oder betroffene Firmen und Institutionen eine vorurteilslose Würdigung der journalistischen Arbeit vornimmt, gegebenenfalls eine Verletzung anmahnt und diese auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent macht.

Die Komplexität der medienethischen Beschwerden hat in der Schweiz in den letzten Jahren deutlich zugenommen, der Aufwand für deren Behandlung steigt. Dies bringt den Presserat finanziell an seine Grenzen. Soll er seine Arbeit weiterhin gut verrichten können, braucht er rasch eine solidere Finanzbasis. Das seit Jahren bestehende strukturelle Defizit kann nur noch kurze Zeit aus Vermögenswerten gedeckt werden. Das ist der Branche bekannt, allein, die Bereitschaft, etwas mehr in die eigene Qualitätssicherung zu investieren, fällt den einzelnen Interessengruppen aus verschiedenen Gründen schwer.

Finanziell getragen wird der Schweizer Presserat zu rund zwei Dritteln von Berufsverbänden, Gewerkschaften, dem Verband Schweizer Medien, der SRG sowie Ringier Axel Springer Schweiz. Unterstützt wird er überdies durch die öffentliche Hand sowie durch einzelne Stiftungen und Einzelfirmen. Es sind aber vor allem die Kolleginnen in den drei Kammern des Presserates, der Geschäftsführerin und ihrem Team sowie den Mitgliedern des Stiftungsrates danken, die mit ihrer Sachkenntnis und ihrer großen und in weiten Teilen auch unentgeltlichen Tätigkeit einen kardinalen Beitrag zur Sicherung der Medienqualität in der Schweiz leisten. Angesichts der verstörenden Entwicklungen auf den Medien- und Kommunikationsmärkten ist ihr Engagement notwendiger denn je.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Vorwort im „Jahrheft 2018 des Schweizer Presserats“ (die Version für das EJO wurde leicht modifiziert)

Bildquelle: pixabay.com

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