„Medienforschung dient der Branche“

10. April 2014 • 10 Jahre EJO, Qualität & Ethik • von

Jeder Wissenschaftler sollte daran interessiert sein, mit der eigenen Forschung nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der weiteren Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Das gilt im Besonderen für eine Wissenschaft, die sich einem Forschungsgegenstand annimmt, der selbst vom Prinzip der Öffentlichkeit lebt – jener der Medien.

Dass sich die Praxis öfters schwer tut mit der Theorie bzw. der Empirie wissenschaftlicher Arbeit liegt auch am Rollenverständnis von Journalisten. Sie mögen es nicht besonders, wenn ihre Arbeit kritisch hinterfragt, wenn handwerkliches und fachliches Genügen (und Ungenügen) auf den Prüfstand gestellt und mit „best practices“ verglichen wird.

Journalistische Arbeit entzieht sich bis zu einem gewissen Grad der Systematisierbarkeit, weil Journalisten zwar “Handwerker”, aber irgendwie auch immer Künstler sind. Kreativität aber lässt sich weder exakt messen noch einfordern; und sie lässt sich in Anlehnung an eine industrielle Wertschöpfungslogik auch nicht standardisieren und zertifizieren. Das Unikat ist die Norm, nicht die Serienproduktion.

Verleger wiederum reagieren misstrauisch, weil sie im Kleide der Wissenschaftlichkeit eine versteckte Form der Fürsprache für mehr Investitionen in die Sicherstellung von publizistischer Qualität bzw. in die den Redaktionen zur Verfügung stehenden Ressourcen wittern – also eine ungebührliche Intervention in ihre unternehmerische Freiheiten. Denn Medien sind immer auch – mindestens die privatwirtschaftlich betriebenen – ein Geschäft, das sich für die Besitzer lohnen muss.

Ungeachtet dessen dient die „Medienforschung“ der Branche, weil sie anekdotische Evidenz durch systematische Beobachtung relativiert. Sie braucht es aber auch, weil Medien insbesondere in demokratisch verfassten Rechtsstaaten immer auch eine Form der politischen Bildung wahrnehmen (sollten) – also im Idealfall auch ein „öffentliches“ Gut herstellen in Form von Informationen, die gleichberechtigt für alle Bürger zugänglich sind. Das schafft Transparenz und hilft, den Diskurs demokratie-tauglich zu halten. Aufgrund der Kraft der Medien ist es aber sinnvoll, immer wieder kritisch zu hinterfragen, ob sie dieser Verantwortung  gerecht werden.

Medienwissenschaft sollte nie verwechselt werden mit Medienarbeit; der Wissenschaftler analysiert, sortiert, ordnet ein, was Medien leisten – unter bestmöglicher Berücksichtigung der jeweils gültigen Rahmenbedingungen. Sein Untersuchungsgegenstand ist der Journalist und das Medium – und dabei hat er sich strikt an einer größtmöglichen Unvoreingenommenheit zu orientieren, will er ernstgenommen werden.

Nur noch ganz wenige Medien leisten sich überhaupt eine eigenständige „Medienberichterstattung“ in Form einer kritischen internen und externen Sicht auf die mediale Entwicklung; darunter ist auch die NZZ. Sie tut das, weil sie überzeugt ist, dass eine ungeschönte und vor allem auch eine nicht interessengeleitete Auseinandersetzung mit der Arbeit der Medien elementar für einen wertegeleiteten Qualitätsjournalismus ist.

Bildquelle: mnotta / Flickr Cc

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