Neuer Preis für behinderte Journalist:innen – Drei Fragen an Maja Weber

25. September 2023 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik, Redaktion & Ökonomie • von

Die Otto-Brenner-Stiftung lobt eine Auszeichnung für behinderte Journalist:innen aus – nach eigenen Angaben erstmals im deutschsprachigen Raum. Die Ausschreibung umfasst neben zwei Preisen auch zwei Recherchestipendien, die bereits in der Vergangenheit mit anderen Partnern vergeben wurden. Bewerbungen sind noch bis zum 30. September möglich. Maja Weber bildet zusammen mit Laura Gehlhaar und Sandra Olbrich die Jury. Dem EJO hat sie drei Fragen beantwortet.

Maja Weber (Foto: Jana Kay / OBS)

Für die Otto-Brenner-Stiftung sind sowohl die beiden Preise für behinderte Journalist:innen als auch die beiden Recherchestipendien neue Ergänzungen zu den etablierten Otto-Brenner-Preisen. Die Stipendien hat es jedoch bereits vorher gegeben?

Genau, die Recherche-Stipendien wurden schon vor der Kooperation mit der Otto-Brenner-Stiftung vergeben, zuerst über die Noah Foundation, dann mit den Leidmedien beziehungsweise den Sozialhelden. Da gab es bereits drei Durchgänge und auch Veröffentlichungen. Wir freuen uns alle sehr, mit der Otto-Brenner-Stiftung nun einen sehr renommierten Partner an der Seite zu haben, der so außergewöhnlich gut in der deutschsprachigen Medienlandschaft vernetzt ist. Damit hoffen wir, das Projekt jetzt noch öffentlichkeitswirksamer etablieren zu können. Die Preise sind tatsächlich ganz neu und setzen hoffentlich über die Recherchestipendien hinaus einen neuen Impuls.

Die Themenbereiche für Stipendien und Preise sind laut Ausschreibung bewusst nicht eingegrenzt. Man hätte ja auch speziell den Themenbereich Behinderung als Berichterstattungsthema in den Blick nehmen können – wieso haben Sie sich dagegen entschieden?

Inklusion hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz und über 90 Prozent der Bewerbungen, die wir in den vergangenen Ausschreibungen erhalten haben, können dem Themenbereich Behinderung zugeordnet werden. Wir möchten Bewerber:innen aber die Chance geben, Ihre wertvolle Expertise in Recherchen ohne direkten Bezug zum Themenbereich Behinderung einzubringen. Ziel muss vielmehr sein, dass es zur Selbstverständlichkeit wird, dass sie über alle Themen gesellschaftlicher Relevanz berichten.

Denn tatsächlich nehmen Redaktionen von den betreffenden Journalistinnen und Journalisten oft gerade das an, was ihre Behinderung thematisiert. Wir möchten zeigen, dass Journalist:innen mit Behinderung ganz Alltägliches erleben, das nicht immer mit ihrer Behinderung zu tun hat. Und dass sie relevante journalistische Themen aufgreifen können, ohne dass ihre Behinderung im Vordergrund steht. Es handelt sich einfach um Journalist:innen, deren Blickwinkel wichtig ist. Natürlich spielt die Behinderung für sie immer eine Rolle, aber es sollte nicht immer thematisiert werden, denn die Redaktionen, die ja letztlich entscheiden, was veröffentlicht wird, tun das ohnehin schon überproportional. Das müssen wir mit dem Preis und dem Recherchestipendium nicht auch noch befördern.

Was können Redaktionen denn tun, um Medienschaffende mit Behinderung besser einzubinden?

Das ist eine Frage, der sich Redaktionen leider viel zu selten stellen. Mir ist im Ausbildungsbereich ein gutes Beispiel bekannt, bei einem öffentlich-rechtlichen Medium. Dort hat man sich für eine Person mit Sehbehinderung ganz stark gemacht. Da wurden einfach Vorkehrungen getroffen, damit diese Person journalistisch arbeiten und ihr Volontariat abschließen kann. Ich denke aber, dass vor allem öffentlich-rechtliche Redaktionen sich da deutlich mehr engagieren sollten: Ich kenne in den 17 Jahren, in denen ich für Öffentlich-Rechtliche Sender tätig bin, nur ein solches Beispiel. Ich habe da auch lediglich mit vier behinderten Kollegen zusammengearbeitet. Alles Männer. Für Frauen ist der Zugang offenbar noch schwieriger.
Es muss Unterstützung für Journalistinnen und Journalisten mit Behinderung geben, weil deren Perspektive auf die Welt zu selten gesehen, gehört, gelesen wird – nicht auf die Welt mit Behinderung, sondern auf die Welt und die Gesellschaft allgemein. Das ist eine Perspektive, die Redaktionen gezielt unterstützen müssten: Mit dem Abbau diskriminierender Barrieren und vereinfachten Zugängen, auch mit Software, die es beispielsweise ermöglicht, das gesprochene Wort sehr viel schneller in geschriebenen Text umzusetzen oder Bildbeschreibungen zu integrieren. Zukunftsmusik, geschenkt. Aber es braucht Offenheit und ein klares Bekenntnis zu den unterschiedlichen Arbeitsmitteln, um den Zugang zu dieser Berufswelt für Kolleg:innen mit Behinderung zu gewährleisten. Es darf keine Großzügigkeit sein, sondern muss als das gehandhabt werden, was es ist: ein Menschenrecht.

Maja Weber ist Autorin, Journalistin und Moderatorin und hat für unterschiedliche Formate in öffentlich-rechtlichen Medien gearbeitet. Seit 2016 moderiert sie Nachrichten beim ZDF. Sie war bereits 2019 Mitinitiatorin des ersten Recherchestipendiums für Journalist:innen mit Behinderung.

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