Der Ukrainekrieg hält Europa in Atem wie kein anderer Krieg. Er erzeugt zuweilen eine mediale Schlagseite, bei der vor lauter Solidarität weder Platz für dringend notwendige professionelle Distanz bleibt, noch Toleranz gegenüber Menschen, die sich vor der Eskalation des Krieges fürchten.
Medien wirft man oft Panikmache vor. Doch jetzt, wo es um Waffen für die Ukraine geht und darum, ab wann Putin die Nato als Kriegspartei sieht und gar zu Atomwaffen greift, werfen etliche Journalistinnen und Journalisten selber den Warnenden aus Politik, Wissenschaft und Kollegenkreis Panikmache vor. Sie scheinen wachsende Spannungen und Atomkriegsrisiken zu verharmlosen, viele benehmen sich wie ein Sprachrohr der ukrainischen Politik und attackieren jene, die das anders sehen. Sind Medien im Solidaritätsrausch? Agieren sie geradezu aktivistisch und vergessen sie ihre eigentliche Rolle?
Schweres Kriegsgerät aus Deutschland für die Ukraine? In Deutschland stehen seit Wochen viele Journalistinnen und Journalisten stramm zum „Ja“.
An der Frühwarnfunktion festzuhalten, ist ein Beispiel für den Wert professioneller Distanz. Sie hilft dabei, sich Gefahren nicht blindlings auszusetzen, regt zum Nachdenken, Abwägen und Differenzieren an. Putins Drohungen mit atomarer Eskalation als reine Drohgebärde zu verharmlosen, ist so waghalsig wie zu glauben, Hunde, die bellen, würden nie beißen. Zumal Fakt ist: Die Spannungen wachsen weiter. Der russische Ex-Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew drohte mit der Stationierung von Atomwaffen sowie mit Vergeltungsschlägen gegen Entscheidungszentren im Westen, falls die Ukraine russisches Gebiet angreifen würde. „Welt“-Reporter Christoph Wanner zählte zu den wenigen, die diese Äußerung als äußerst brenzlig einordneten, da sie sich als Ankündigung von Angriffen auf andere europäische Städte interpretieren ließe.
Schweres Kriegsgerät aus Deutschland für die Ukraine? In Deutschland stehen seit Wochen viele Journalistinnen und Journalisten stramm zum „Ja“. Einschneidend in Erinnerung bleibt der Talk-Abend des 28. April. An jenem Tag beschloss der Deutsche Bundestag nach langem Ringen die Lieferungen schwerer Waffen. In den Diskussionsrunden bei Maybrit Illner (ARD) sowie bei Markus Lanz (ZDF) folgten Lageeinschätzungen, die repräsentativ für Diskussionen dieser Art sind: Journalismus, dem ja sonst oft Panikmache vorgeworfen wird, spielt die an den Beschluss geknüpften Risiken herunter, treibt die Politik vor sich her. Die Politik-Gäste in beiden Sendungen ließen durchblicken, dass ihnen angesichts dieser Entscheidung mulmig war: Würden die Nato-Staaten dadurch in den Krieg einbezogen und dieser in einen dritten Weltkrieg eskalieren?
Viele Medien- und Meinungsmacher spielen die Gefährlichkeit der Lage herunter.
Anders Spiegel-Journalistin Melanie Amann. Sie hatte (eindrücklich!) kurz zuvor Olaf Scholz interviewt – das Interview, in dem der deutsche Bundeskanzler seine Zurückhaltung bei Waffenlieferungen gerade damit erklärte, dass er dadurch eine Eskalation in einen Atomkrieg verhindern wolle. Nun, bei Illner, kritisierte sie den langen Vorlauf des Parlamentsbeschlusses, befürchtete fast im selben Atemzug eine ähnliche Debatte zu anderem Kriegsgerät und warf dem Kanzler vor, er jage den Menschen Angst ein vor einem Atomkrieg und verzögere damit, dass sie die wachsende militärische Unterstützung für die Ukraine billigen. Amann ist nicht die einzige: Viele Medien- und Meinungsmacher spielen die Gefährlichkeit der Lage herunter und erwecken den Eindruck, die Sorge vor einer Eskalation bis hin zum Nukleareinsatz sei feige und naiv.
Gegenargumente, auch Innehalten, sind offensichtlich unerwünscht. Diese Rigorosität irritiert. Das sind Alarmzeichen, das ist Anlass zur Selbstreflexion: Rückt hier Journalismus so nahe an die Positionen der ukrainischen Entscheidungsträger heran, dass kaum noch Raum bleibt für professionelle Distanz?
Die Ukraine ist moralisch und faktisch im Recht. Das erzeugt Solidarität. Das ist wichtig, auch aus menschlichen Gründen. Journalismus sollte parteiisch sein, wenn Säulen des demokratischen Grundverständnisses ausgehöhlt werden, und solidarisch mit jenen, deren Menschenrechte verletzt werden. Aber es besteht kein Grund, zugleich das journalistische Distanz- und Differenzierungsprinzip über Bord zu werfen. Ausgewogene Distanz ist ein Gebot der Professionalität und kein Widerspruch zur humanitären journalistischen Solidarität; sie bezieht sich auf das Grundsätzliche. Bezogen auf den Ukrainekrieg scheinen manche Journalistinnen und Journalisten dies aber zu vergessen oder beispielsweise kritische Hinweise auf das immense Ausmaß der öffentlichen Korruption in der Ukraine oder auf die Rolle des Nationalhelden Stepan Bandera abzutun als „Whataboutism“, als Thema, das jetzt, zu Kriegszeiten, nicht zu diskutieren sei. Dass ukrainische Politiker ihre Bedürfnisse und Auffassungen darlegen, ist unbestritten legitim. Deshalb müssen sich deutsche Medien aber nicht freiwillig „embedden“, als Sprachrohr ukrainischer Politik agieren und sich einer wenig differenzierten Blindlings-Solidarität hingeben, die andererseits dazu verleitet zu übersehen oder nicht ernst zu nehmen, dass hierzulande Menschen fürchten, der Krieg könne sich auf Deutschland ausweiten. Die gebotene professionelle Distanz fehlt auch, wenn Kommentator Matthias Koch (RND, 2. März 2022) gemeinsam mit einem Psychiater bei Putin aus der Ferne eine Wahnkrankheit diagnostiziert, was zudem medien- sowie medizinethisch fragwürdig ist. Wenn „Springer“-Verleger Mathias Döpfner in einem „Bild“-Kommentar vom vergangenen 4. März Deutschland dazu aufforderte, notfalls gegen die Nato-Regeln an der Seite der Ukraine zu kämpfen, dann ist das nur noch Kriegstreiberei.
Dort, wo keine Bomben fallen, bleibt Raum für Diskurs und Reflexion.
Zur Solidarität mit einem angegriffenen Land und seiner Bevölkerung gehört auch tatkräftige Unterstützung, sei es durch Spenden oder humanitäre Hilfe beispielsweise für von dort Geflüchtete. Aber ein solches Füreinander, ein solches „Wir“-Gefühl heißt nicht, dass es keine Unterschiede mehr gibt. Wo Krieg herrscht, ist Journalismus patriotisch, Partei, Lautsprecher der Regierung; regimekritische Medien gibt es dann nicht mehr. Wo Bomben fallen, ist kaum noch Alltag möglich, dort ist kein Schulunterricht, keine Talkshow, kaum Raum, über den Tag hinaus zu denken. Wir stecken hier – zum Glück – nicht in derselben Lage. Diese Unterschiede sollten wir nicht vergessen, zumal sie allen nutzen: Dort, wo keine Bomben fallen, bleibt Raum für Diskurs und Reflexion. Auch dieser Debattenraum ist Teil unserer Wertegemeinschaft – und Teil der Solidarität und Unterstützung.
Journalismus organisiert und moderiert solche öffentlichen Auseinandersetzungen, gibt Abwägungen (beispielsweise von Pro- und Contra-Argumenten, ob es Sinn macht, wenn Deutschland schwere Waffen liefert). Über kontroverse Debattenpositionen, aber auch durch eine multiperspektive Herangehensweise ermöglichen Medien dem Publikum, sich ein möglichst vollständiges Bild zu machen: Über Krieg berichten, umfasst die Augenzeugenschaft der Kriegsreporter in den zerstörten Städten sowie die Expertise von Auslandsjournalisten und -journalistinnen, die die Mentalitäten und Vorgeschichten zum Beispiel in der Ukraine oft weit besser kennen als jene, die anreisen, um über akute Geschehnisse und Gefechte zu berichten. Und ebenso wichtig ist die Fachkundigkeit von Journalistinnen, die sich mit internationaler Verhandlungsführung, Diplomatie und Friedensschlüssen auskennen. In den Fokus der Ukraineberichterstattung gehören in allen Phasen stets Perspektiven auf Krieg und Frieden.
In vielen Talkshows und Medienkommentaren sind Einwände gegen den Kurs, den sich die Ukraine vom Westen wünscht, nicht wirklich erwünscht.
Vorher nachdenken, welche Folge ein bestimmtes Handeln hat, ist ein ethisches Gebot. Journalismus soll fragen und hinterfragen, beispielsweise auch danach, was mit den gelieferten Waffen geschieht, wenn der Krieg endet, oder wenn sich die Machtverhältnisse in der Ukraine ändern. Wir stecken in einem ethischen Dilemma, jede Entscheidung hat grosse Nachteile, kann grosses Leid erzeugen. Waffenlieferungen verlängern nicht nur den Krieg, sie erhöhen auch die Zahl der Toten und Verwundeten und das Ausmaß der Zerstörung; das gilt auch für eine weitere Eskalation. Darüber müssen wir reden. Auch dafür ist Journalismus wichtig.
Doch das wird immer schwieriger. In vielen Talkshows und Medienkommentaren sind Einwände gegen den Kurs, den sich die Ukraine vom Westen wünscht, nicht wirklich erwünscht, in einigen gibt es klare Antwort-Erwartungen, zum Beispiel das „Ja“ auf die Frage „Schwere Waffen, ja oder nein?“. Nur zögerlich werden Personen eingeladen, die das anders sehen und zu Zurückhaltung mahnen. Und wenn in einer Gesprächsrunde, wie etwa am 2. Juni bei Markus Lanz, die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot (Universität Bonn) eine abweichende Ansicht vertritt, dann genügt es nicht mehr, wie lange üblich, dass diese zur Kenntnis genommen und kritisiert wird, sondern ihrer Position wird – etwa in der „Berliner Morgenpost“ – Punkt für Punkt die Legitimation entzogen.
In Schweizer Medien sind Kriegsbereitschaft sowie die Unerbittlichkeit der Debatte nicht durchweg so vehement wie in Deutschland.
Umfragen zur Ukrainepolitik zeigen, dass sich in der deutschen Bevölkerung die Ansichten in etwa die Waage halten, also etwa jeder zweite zum Beispiel gegen die Waffenlieferungen in die Ukraine ist; doch Hinweise hierauf werden auch in Kommentaren und Talks häufig abgetan als letztlich durch die Mahner verschuldete Verirrung. Der Soziologe Harald Welzer gehört zu den Mahnern. Er hat einen offenen Brief dazu unterzeichnet. Man muss die darin formulierten Positionen nicht teilen. Doch Vehemenz und Wortwahl mancher Reaktionen auf den Brief irritieren. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, klassifizierte Welzer in einer Talkrunde von Anne Will (ARD) als „moralisch verwahrlost“, als einen, der „in seinem Professorenzimmer sitzt und philosophiert“ und Mitverantwortung trage am Sterben in der Ukraine. Das ist kein werteorientierter Debattenstil. Auch Jürgen Habermas erntete heftige Kritik. In einem mit „Schriller Ton, moralische Erpressung“ überschriebenen Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ analysierte der Philosoph den von „Pressestimmen geschürten Meinungskampf“, der „zwischen ehemaligen Pazifisten, einer schockierten Öffentlichkeit und einem abwägenden Bundeskanzler nach dem Überfall auf die Ukraine“ entbrannt sei. Habermas beschwor dabei den öffentlich-diskursiven Schlagabtausch als grundlegend für die demokratische Willensbildung. Simon Strauss warf ihm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine „fahrlässige Denunziation der ukrainischen Regierung“ vor, „Welt“-Autor Thomas Schmid eigene Interessen: Habermas verteidige „auf orthodoxe Weise sein Lebenswerk. Und in durchaus trickreicher und mitunter auch boshafter Weise“.
In Schweizer Medien sind Kriegsbereitschaft sowie die Unerbittlichkeit der Debatte nicht durchweg so vehement, aber durchaus vorhanden. „Nicht nur die deutsche Politik muss sich fragen, ob sie sich daran mitschuldig machen will“ beschließt NZZ-Chefredaktor Eric Gujer (3. Juni) einen Kommentar, in dem er vor einer raschen Waffenruhe und einem Kompromissfrieden warnt. Patrik Müller appelliert in den CH-Media-Zeitungen (4. Juni) an den Westen: „Jetzt nicht in Kriegsmüdigkeit verfallen“. Man müsse sich „den Kampf für Freiheit und Demokratie etwas kosten lassen“.
Frank A. Meyer reisst einen Satz aus dem Text heraus, um Anliegen und Personen zu verunglimpfen.
Publizist Frank A. Meyer ging ad personam zur Sache. In seiner „Sonntagsblick“-Kolumne (5. Juni) verhöhnt er „drei Akademiker aus zwei Zürcher Universitäten“, die er selber nicht beim Namen nennt. Michael Ambühl, Nora Meier und Daniel Thürer von ETH und Uni Zürich haben in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter der Überschrift „Verhandeln – aber wie?“ drei Szenarien entworfen für Abkommen, und sie differenzieren: „Dem brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg Russlands muss man sowohl militärisch, wirtschaftlich als auch politisch entschlossen und geschlossen entgegentreten. Dieser Krieg wird jedoch mit einer diplomatischen Verhandlung enden müssen. Daher dürfte es sich lohnen, sich bereits jetzt mit dem Inhalt und dem Zeitpunkt solcher Verhandlungen zu befassen.“ Das alles interessiert Meyer nicht, er reisst einen etwas technisch formulierten Satz aus dem Text heraus, um Anliegen (Nachdenken über Verhandlungsoptionen und Nachkriegsszenarien) und Personen zu verunglimpfen. Meyer: „Was sind das für Wörter und Sätze über Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen und sterben, die auch morgen und übermorgen kämpfen und sterben werden, um ihr Land gegen einen verbrecherischen Aggressor zu verteidigen?!“ Und weiter: „Kämpfende und sterbende Menschen als Objekte gut gemeinter geistesmenschlicher Erwägungen? Ja, ja, ja, diese Vorschläge aus Schweizer Studierstuben sind gut gemeint. Schrecklich gut.“
Der Kolumnist will kämpfen. Seine Kritik an jenen, die über Waffenstillstand und Friedensverhandlungen nachdenken, kleidet er in Fragen: „Soll diese mutige Nation unter Bombenhagel und Raketenbeschuss ihren Existenzkampf einstellen, um wenigstens einen Teil ihres Territoriums vor der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Vernichtung zu retten?“; „Verrät diese defätistische Tonalität nicht das verächtliche Verhältnis, das Deutschland – das der Westen – zur Ukraine schon immer hatte? Und die Bewunderung für das Grossreich der Russen, vom Zarismus über den Kommunismus bis zum Putinismus der frühen Jahre?“ Sowieso habe allein die Ukraine zu entscheiden, ob sie weiterkämpfen wollte, sie sei „das demokratisch regierte, selbstbestimmte und selbstbestimmende Subjekt ihrer Gegenwart, ihrer Zukunft – und nicht das Objekt volkspädagogisch beseelter Politisierer.“ Selenskyj brauche keine wohlfeilen Ratschläge, sondern: „Das bedrängte Land braucht Raketen, Flugzeuge, Panzer und Munition. Jetzt!“ Und steigert sich ins „Wir“: „Die Ukraine – das sind auch wir. Wir sind gemeint.“
Medien sind wichtige Werkzeuge von Public Diplomacy, sie geben Raum für Narrative und Sprachbilder.
Ein solches „Wir“ ist riskant. Es wird zurzeit in vielen Talkrunden und Kommentaren ausgerufen. Jounalistinnen und Journalisten sollten es zumindest niedrig dosieren. Leicht kann ein „Wir“ auch Verwirrung stiften oder den Blick trüben. Kommentatoren (z.B. Jan Jessen in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“) äußerten sich beeindruckt, als die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen) in Butscha erklärte: Diese Opfer könnten wir sein. Medien sollten dieses „Wir“ relativen. Denn wahr ist: Weder Deutschland noch die Schweiz befinden sich offiziell im Krieg mit Russland. Warum sollten dessen Truppen also auf Deutsche schießen? Warum sollen unsere Städte zurzeit ebenfalls bedroht sein? Zu Kriegsopfern würden die Bürger und Bürgerinnen beider Länder dann, wenn sich ihre Regierungen dazu entschließen, sie aufs Schlachtfeld zu schicken. Das „Wir“ löst ein Geschehen heraus, das Folge militärischen und politischen Handelns ist, und beschränkt es auf die menschliche Ebene. Sie ist wichtig. Aber sie ist eben immer im Zusammenhang zu sehen; Krieg ist zwar ein menschliches Schicksal, aber anders als zum Beispiel eine Pandemie eines, das durch menschliches Handeln – politisch wie militärisch – erzeugt wird. Genau das sollte Journalismus klarstellen.
Im „Wir“ spiegelt sich auch die Wirksamkeit öffentlicher Diplomatie (Public Diplomacy) wider. „Wir verteidigen nicht nur uns, wir verteidigen euch“, erklärte Vitali Klitschko. „Wir schützen unsere gemeinsamen Werte und Prinzipien.“ Diese Sätze sagt der Bürgermeister von Kiew in einem Interview mit den Sendern ntv und RTL. Medien sind wichtige Werkzeuge von Public Diplomacy, sie geben Raum für Narrative und Sprachbilder (z.B. in den ersten Kriegswochen den ukrainischen Appell infolge der russischen Luftangriffe: „Schließen Sie den Himmel!“), verschaffen den Videoauftritten von Selenskyj sowie den Tweets, Provokationen und Talkshow-Auftritten von Botschafter Andrij Melnyks weitere Reichweite, ebenso wie den Appellen zum Beispiel an die deutsche Solidarität mit der Ukraine.
Beim Thema Ukrainekrieg sind Zweifel angebracht, ob Journalisten und Journalistinnen bewusst ist, dass sie auch instrumentalisiert werden, und auch Befürchtungen: Verwechseln einige ihre Rolle mit jener des Politikers oder der eines Kriegsaktivisten? Wählen sich manche die Kriegsaktivisten-Rolle sogar bewusst aus und geben dafür die in werteorientierten Gesellschaften so wichtige kritische Beobachterperspektive auf? Oder haben etliche Angst davor, quasi gegen den Strom zu kommentieren, davor, nicht solidarisch genug mit der Ukraine zu erscheinen und sich dafür dann rechtfertigen zu müssen? Die Antworten auf die tatsächlichen Absichten lassen sich nur vermuten (beziehungsweise mittels vergleichender Interviews mit den betreffenden Personen erforschen). Aber sich solche Fragen zu stellen, kann bereits das Rückgrat stärken und die Schieflagen, bezogen auf die eigene Rolle, bewusster machen sowie zurechtrücken.
Erstveröffentlichung: medienwoche.ch/21.06.2022
Bild: Pixabay
Schlagwörter:Auslandsberichterstattung, Distanz und Nähe, ethische Standards, Kriegsjournalismus, Ukrainekrieg