In den wichtigen Jobs im Journalismus in der Schweiz gibt es nur noch Bürgerliche und keine Linken mehr. Das ist fad.
Eines muss man Ueli Schmezer von der Sendung „Kassensturz“ auf SRF1 lassen. Er macht zumindest kein Geheimnis daraus, dass er eine linke Socke ist.
Moderator Schmezer hat einen Anpfiff bekommen, wie dies nie zuvor einem SRG-Journalisten widerfahren ist. Sogar der notorisch nachsichtige TV-Ombudsmann Achille Casanova fand seinen Fehltritt „inakzeptabel“ und „gravierend“. Schmezer hatte am Bildschirm triefende Wahlwerbung für SP (Sozialdemokratische Partei) und Grüne und gegen die SVP (Schweizerische Volkspartei) gemacht.
Schmezer, der auch als Musiker gern an SP-Anlässen auftritt, ist damit nun eine offiziell beurkundete linke Socke. Doch Schmezer ist eine einsame Socke.
In den Schweizer Medien gibt es eine neue und durchschlagende Tendenz. Die Wortführer und Taktgeber im heutigen Journalismus stehen alle rechts der Mitte.
Begonnen hatte der Rechtstrend mit Weltwoche-Verleger Roger Köppel, der als Erster eine neokonservative Re-Ideologisierung als journalistische Chance begriff. Ihm folgte Patrik Müller, der staatskritische Chefredaktor der Schweiz am Sonntag, der sein Blatt zum Meinungsführer machte und sich nicht scheute, für die Masseneinwanderungsinitiative einzutreten. Markus Somm, der Chef der Basler Zeitung, wurde ebenso zur nationalen Figur, weil er sein eher kleines Blatt zu einem lauten, nationalkonservativen Organ umpolte.
Markus Gilli, Leiter des wichtigsten TV-Regionalsenders Tele Züri, wandelte sich in den letzten Jahren desgleichen zu einer zunehmend hörbaren Stimme der bürgerlichen Vernunft. Philipp Landmark, Chef des St. Galler Tagblatts, positionierte sich und seine Zeitung ebenfalls mit nüchtern-bürgerlichen Positionen auf der Agenda der politischen Öffentlichkeit. Der neue NZZ-Chefredaktor Eric Gujer wiederum setzte von Anbeginn derart klare ordoliberale Leitplanken, dass ihm der Aufstieg unter die gedruckten Opinionleader des Landes in kürzester Zeit gelang.
Und auf der Linken? Nix davon.
Als etwa Res Strehle vor sechs Jahren die Chefredaktion des Tages-Anzeigers übernahm, hofften viele darauf, dass der frühere Linksaußen eine starke Stimme des roten Lagers werden könnte. Er wurde eine glatte Enttäuschung und schaffte es nie in die Liga der Meinungsmacher. Seit seine Pensionierung von Ende 2015 heranrückt, wurden seine Statements noch seltener und noch schwammiger. Strehles Nachfolger wird Arthur Rutishauser, ein bürgerlicher Wirtschaftsjournalist. Auch andere vormals kritische Plattformen brachen ein. Bei der früheren linken Rappelkiste Blick etwa, wo vor 2010 der sozialistische Chefredaktor Werner De Schepper noch bei jedem zweiten SVP-Vorstoß die „Staatskrise“ ausgerufen hatte, zog unverbindliche Belanglosigkeit ein. Auch die Südostschweiz droht nun ihren Linksdrall zu verlieren, nachdem der SP-nahe Chefredaktor David Sieber gegangen ist.
An der Spitze unserer privaten Leitmedien gibt es keine Linken mehr. Ich halte das für keine erfreuliche Entwicklung. Journalismus ist immer noch ein Kampfsport, und der macht nur Sinn, wenn argumentativ die Fäuste fliegen.
Darum können wir froh sein, dass wir noch die SRG haben. Hier überlebt die aussterbende Spezies noch. Da ist etwa Mario Poletti, der Chef der „Rundschau“, der hinter jedem Firmenschild einen Fall von Steuerbetrug und hinter jedem bürgerlichen Postulat eine Verschwörung wittert.
Und da ist der rot-grüne „Kassensturz“. Er sucht derzeit einen neuen Redaktionsleiter, weil der bisherige Chef auf März zurücktritt.
Ich bin für Ueli Schmezer. Ein paar linke Socken brauchen wir schon noch in der Branche. Sonst schlafen uns die Füße ein.
Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 5. November 2015
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Schlagwörter:Bürgerliche, Kassensturz, Linke, Schweiz, SRF, Ueli Schmezer