Trump is making the news media great again

8. Februar 2017 • Qualität & Ethik • von

US-Präsident Donald Trump könnte gelingen, was die Medien aus eigener Kraft nicht mehr schaffen: Den Menschen klar zu machen, welche wertvollen Leistungen sie für das demokratische Zusammenleben erbringen.

Das NBC-Interview, in dem Trump-Beraterin Kellyanne Conway von “alternativen Fakten” sprach, als es um die Teilnehmerzahl bei der Präsidentenvereidigung ging.

Kellyanne Conway zeigte großartiges rhetorisches Talent als sie am 22. Januar 2017 in einem Fernseh-Interview von „alternative facts“ sprach. Sie brachte souverän auf den Punkt, wodurch ihr Chef, Donald Trump, im Wahlkampf so viele Menschen verstört hat: Durch den Umgang mit der Wahrheit. Das ist kein bemühtes Um-Interpretieren unliebsamer Fakten, sondern ein strategisches Platzieren von Unwahrheiten mit dem Ziel, andere öffentlich zu diskreditieren und zu beschädigen.

Conways rhetorisches Talent äußert sich in der Fähigkeit, dieses Giftspritzen auf den Punkt zu bringen: Passen die Fakten nicht, dann erfinden wir eben „alternative facts“. Eine Meisterleistung, die Conway im Interview eher herausgerutscht ist, als sie von dem NBC-Reporter in ein Wortgefecht verwickelt wurde. Was bisher eine Lüge war, heißt seither „alternative fact“.

Dabei hat Conway rhetorisch keineswegs das Rad neu erfunden, sondern lediglich die „political correctness“ überraschend auf ein neues Terrain geführt. Aus einem Ausländer ist längst ein Mensch mit Migrationshintergrund geworden, aus der Putzfrau die Raumpflegerin und aus dem Behinderten ein physisch Herausgeforderter. Politisch korrekt ist die Rücksichtnahme auf Schwächere oder Schutzbedürftige in der Gesellschaft, indem man sie zumindest sprachlich nicht diskriminiert. In Conways Rhetorik ist es die Lüge, die der Rücksichtnahme bedarf: Reden wir doch lieber von alternativen Fakten. Geben wir der hilfsbedürftigen Lüge doch eine neue Chance im öffentlichen Diskurs!

Diese Rhetorik ist nicht nur sprachlich ein schweres Foul, sondern vor allem politisch. Und sie verletzt die Grundlage der öffentlichen Kommunikation. Wenn sich Kommunikationspartner gegenseitig nicht mehr vertrauen (können), wird Verstehen unmöglich. Wer sich nicht versteht, ist nicht in der Lage, gemeinsame Regeln für das Zusammenleben auszuhandeln. Das Gift der Lüge zersetzt also nicht nur die politische Kultur, sie zerstört auch die Verständigungsbasis zwischen den Menschen.

Lügen, Halbwahrheiten und das Verschweigen von Tatsachen zählen allerdings zum alltäglichen Repertoire des zwischenmenschlichen Zusammenlebens und sind gewiss auch gelegentlich hilfreiche Instrumente, um andere zu schonen oder nicht vor den Kopf zu stoßen. Wie im privaten und geschäftlichen Leben empfiehlt sich aber auch in der Politik ein sparsamer Einsatz dieser Instrumente. Der Nahe Osten sähe heute wohl anders aus, hätte George W. Bush 2003 auf die Lüge von der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak verzichtet.

Demokratisch organisierte Gesellschaften wollen und dürfen politische, wirtschaftliche und andere kollektive Fehlleistungen nicht zulassen. So sehr wir in unserem persönlichen Umfeld darum besorgt sind, unsere Entscheidungen nicht auf falsche Behauptungen zu stützen, so sehr braucht ein Gemeinwesen Mechanismen, die diese Aufgabe stellvertretend für uns übernehmen. Diese „checks and balances“ sind an vielen Orten eingebaut, etwa in der Sozialpartnerschaft oder durch die parlamentarischen Rechte der Oppositionsparteien. Im Alltag haben wir diese Aufpasserfunktion den Massenmedien übertragen. Guter, professioneller Journalismus entlarvt Lügen und zieht die Verantwortlichen öffentlich zur Rechenschaft.

Spektakuläre Enthüllungen sind journalistische Highlights – und sie verkaufen sich gut. Der wirtschaftliche Erfolg von Massenmedien hängt mit solchen journalistischen Erfolgen eng zusammen. Aber auch Gerüchte und Halbwahrheiten haben ihren Marktwert. Diese sind der Welt der Massenmedien nicht fremd. Besonders gut blühen und gedeihen sie aber in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Weil dieser Morast aus ungeprüften Fakten, Gerüchten und Halbwahrheiten im Internet im Überfluss und erst noch kostenlos erhältlich ist, verzichten viele Menschen auf die Nutzung der klassischen Massenmedien. Sie verursachen durch dieses Verhalten eine existenzbedrohende ökonomische Medienkrise.

Donald Trump ist der Meister des sorgfältig angelegten Morastes aus Gerüchten und Halbwahrheiten. Unterstützt übrigens von seinem Mastermind und Berater Steve Bannon, der sich zweifelhafte Verdienste dadurch erworben hat, die Halbwahrheiten-Schleuder „Breitbart.com“ geleitet und populär gemacht zu haben. Man sieht, der Morast hat System.

So weit, so schlecht. Aber das Triumphirat Trump-Bannon-Conway schickt sich an, ungewollt positive externe Effekte auszulösen. Davon ist in der Ökonomie dann die Rede, wenn durch Akteurshandeln Auswirkungen auftreten, die nicht durch den Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung abgegolten werden. Die Ausbreitung des Trump-Bannon-Conway-Morastes führt nun dazu, dass die von ihnen geschmähten klassischen Medien neue Wertschätzung erfahren. Anlässlich der Bilanzpressekonferenz hat die New York Times Anfang Februar bekannt gegeben, dass ihre Abonnementbasis wieder breiter wird und mehr Menschen bereit sind, für geprüfte Qualitätsinformation auch zu bezahlen.

Das könnte eine Trendwende darstellen. In einer virtuellen Internet-Welt voller Halbwahrheiten wächst das Bedürfnis der Menschen nach solider Information. Ungewissheit ist schwer zu ertragen und keiner will auf Dauer falschen Nachrichten aufsitzen. Professionelle redaktionelle Arbeit bedient ein großes Bedürfnis. Auch in Österreich. 65 Prozent der Bevölkerung sind „äußerst“ oder „sehr“ an Nachrichten interessiert (Reuters Digital News Report Austria 2016). Für die Massenmedien besteht die Herausforderung nun darin, trotz der schlechten ökonomischen Basis dieses Interesse durch verlässliche, fakten- und wahrheitsgetreue redaktionelle Arbeit zu bedienen.

Trump könnte damit ein Kunststück gelingen, das niemand vorausgesehen hat: Das Comeback der Qualitätsmedien.

Erstveröffentlichung: derstandard.at vom 6. Februar 2017

Bildquelle: Screenshot Youtube

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1 Responses to Trump is making the news media great again

  1. Tilo P. sagt:

    Diesem Morast aus ungeprüften Fakten, Gerüchten und Halbwahrheiten begegnet man leider zum Teil beweisbar, zum Teil offensichtlich, immer wieder bei ARD, ZDF und auch vielen Printmedien. Über Putin, Syrien, Trump, Brexit usw, wird alles andere als neutral berichtet, Tatsachen werden verdreht, unterdrückt und weggelassen Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Solange da kein echter Journalismus wieder einzieht wird das nichts mit dem Comeback.

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