Tübinger Leuchtturm

28. Januar 2020 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

„Schöne digitale Welt“: Ein Buch versammelt Einsichten und Erfahrungen von Richard Gutjahr, Sascha Lobo, Georg Mascolo, Miriam Meckel und anderen.

Vor lauter medialer Hyper-Erregung um die „Oma als Umweltsau“, aber auch um den gerichtlichen Umgang mit Renate Künast und ihrer Beleidigungsklage gegen anonyme Hetzer im Netz ist der Fall des nicht ganz so prominenten Journalisten Richard Gutjahr nahezu untergegangen. Dabei hätte gerade seine Geschichte aus der schönen neuen digitalen Medienwelt weit mehr mediale Aufmerksamkeit verdient: wie er und seine Familie durch eine unglückselige Verkettung von Zufällen jahrelang zur Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern und zum Opfer der Hass-Spirale in sozialen Medien wurden. Und auch die Art und Weise, wie ihn sein Arbeitgeber, der Bayerische Rundfunk, hat hängen lassen, weil Gutjahr eben „nur“ ein langjähriger freier Mitarbeiter und kein festangestellter Redakteur war.

Wer Gutjahrs Horrorstory nochmals nachlesen möchte, kann das jetzt in einem Bändchen „Schöne digitale Welt“ tun, das der Tübinger Medienforscher Bernhard Pörksen zusammen mit SWR-Studioleiter Andreas Narr editiert hat. Es enthält die Vorträge prominenter Experten zur „Tübinger Mediendozentur“ der letzten fünf Jahre. Neben Gutjahr sind Sascha Lobo, Georg Mascolo, Miriam Meckel, Ranga Yogeshwar und Juli Zeh mit von der Partie.

Fraglos handelt es sich um eines der „Leuchtturm“-Projekte, mit denen Pörksen immer wieder überrascht, sei es, um Praxiserfahrungen aus dem Journalismus für die Wissenschaft fruchtbar zu machen, sei es, um Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit und in Redaktionen hineinzutragen. Pörksen möchte damit einer „apokalyptischen Eskalationsrhetorik“ entgegenwirken und gegen einen „Aufklärungs- und Bildungspessimismus“ anschreiben, „der vorschnell beerdigt, was man eigentlich befördern möchte: Autonomie, Mündigkeit, selbstbewusste Gegenwehr“. Die Kronzeugen, die er dabei ins Feld führt, haben dazu Lesenswertes mitzuteilen.

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 26. Januar 2020

Bildquelle: pixabay.de

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