Das Coronavirus ist nach und nach zum Hauptthema der tunesischen Medien avanciert. Die Tatsache, dass Tunesien das afrikanische Land ist, das Italien am nächsten liegt, hat das Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit der Bedrohung und für die Notwendigkeit, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen, geschärft.
Wie in vielen Ländern waren weder die Regierung noch die Medien bisher jemals mit einer vergleichbaren Herausforderung konfrontiert. Zuerst wurde sich in den sozialen Netzwerken über Corona ausgetauscht. Mit rund 7,5 Millionen Abonnenten (70% der Bevölkerung) ist Facebook in Tunesien weit verbreitet.
Die Medienberichterstattung über das Corona-Virus hat sowohl die öffentliche Kommunikation als auch die journalistische Praxis auf die Probe gestellt. Was die institutionelle Kommunikation anbelangt, so hat sich das Gesundheitsministerium als die Hauptquelle für die Medien herausgestellt. Der Minister selbst und zwei für Infektionskrankheiten zuständige Spitzenpolitiker sind häufige Gäste in den Fernseh-Talkshows.
Die Berichterstattung wird durch die unvermeidliche Politisierung des Themas erschwert, da in Tunesien drei „Präsidenten“ im Wettbewerb stehen: Der Präsident der Republik und der Regierungspräsident (säkular) auf der einen Seite und der Parlamentspräsident (Chef der islamistischen Partei) auf der anderen Seite. Für die Medien ist es destabilisierend, über öffentliche Aussagen eines Staates zu berichten, der derart fragmentiert ist.
Die Medienkommunikation des Gesundheitsministeriums startete mit einem Fehlschlag: Die Journalisten wurden zu einer lang erwarteten Pressekonferenz in einem geschlossenen und überfüllten Raum eingeladen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits eine Order gab, Menschenansammlungen zu meiden und an öffentlichen Orten einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zwischen den einzelnen Personen einzuhalten. Seitdem finden die Pressebriefings stattdessen im Freien auf den Stufen, die zum Ministerium führen, statt. Online kommuniziert das Ministerium über seine Website, die aber oft überlastet ist, und über die stets zugängliche Facebook-Seite, die aber nicht immer aktualisiert wird.
Medienbehörde veröffentlicht Expertenliste
Die für die Überwachung der Radio- und Fernsehkanäle zuständige Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien (HAICA) kritisierte, dass Gäste, die von den Sendern eingeladen wurden, um über das Corona-Virus und dessen Bekämpfung zu sprechen, oft keine Experten seien. Um Verwirrung und Falschinformationen zu vermeiden, bat HAICA den Nationalrat des Ärzteordens am 18. März, den Medien eine Liste medizinischer Spezialisten für Epidemiologie zur Verfügung zu stellen.
Die nationale Journalistengewerkschaft (SNJT) ihrerseits veröffentlichte am 13. März eine Pressemitteilung, in der einige redaktionelle Richtlinien und Empfehlungen für die Berichterstattung über das Corona-Virus bekannt gegeben wurden. Darin werden die Medien aufgerufen,
- die Zahl der Gäste in den Studios zu begrenzen
- Interview aus nicht im Studio sondern per Telefon oder Video durchzuführen
- den Kontakt mit möglicherweise infizierten Personen zu vermeiden und alle von den Gesundheitsbehörden geforderten Schutzvorkehrungen zu respektieren (Masken tragen, Händedesinfektionsmittel nutzen)
- in den Sendungen möglichst Beamten des Gesundheitsministeriums Platz einzuräumen und nur Daten aus offiziellen Quellen zu veröffentlichen.
Einige dieser Richtlinien sind kontrovers und werden in den Redaktionen viel diskutiert, z.B. das Verbot, die Identität und Adressen von Todesopfern des Virus bekanntzugeben. Dies soll dem Datenschutz dienen, erscheint aber wenig realistisch, da das Land dem Virus den „totalen Krieg“ erklärt hat und einige regionale Behörden beschlossen haben, Menschen in Quarantäne zum Tragen einer Armbinde zu verpflichten. Die tunesischen Medienexperten und Forscher werden aufmerksam verfolgen, wie die europäischen Medien mit derartigen Problematiken umgehen.
Schlagwörter:Berichterstattung, Corona-Krise, Coronavirus, Medien, Tunesien