Ukraine: Die Corona-Krise und die Medien

2. April 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

In der Ukraine unterstützen Medien-NGOs Journalisten, die über die Krise berichten, mit Leitfäden, Facebook-Gruppen und Webinaren. Hier geben Experten unter anderem Auskunft zu rechtlichen Aspekten und erklären, wie man Falschinformationen aufdeckt.

Während zu Beginn des Jahres die Bedrohung durch das Coronavirus noch in weiter Ferne zu liegen schien und die Berichterstattung der ukrainischen Medien sich auf die Situation im Ausland beschränkte, liegt der Fokus inzwischen auf den Problemen, die das Virus in der Ukraine auslöst.

Die Medien berichten über das Fehlen von Testsystemen zum Nachweis des Coronavirus, die mangelnde Vorbereitung des ukrainischen Gesundheitssystems auf einen großflächigen Ausbruch der Krankheit, das Fehlen der notwendigen medizinischen Ausrüstung und des Schutzes für das medizinische Personal. Auch die strengen Anti-Corona-Maßnahmen – so wurden zum Beispiel der Bahnverkehr außer Betrieb gesetzt und nur bestimmte Personengruppen wie Ärzte dürfen noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen –  sowie deren Bedeutung und Einfluss auf das Leben der Menschen werden diskutiert. Gleichzeitig berichten die ukrainischen Medien weiterhin über den globalen Stand der Dinge und die Situation in verschiedenen Ländern, insbesondere in Italien. Viele Medien informieren ihre Leser darüber, was sie bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus tun sollen, welche Regeln zur Verringerung des Infektionsrisikos zu befolgen sind usw.

Laut einer Analyse des Institute of Mass Information in Kiew sind durchschnittlich 58,5% des gesamten Online-Medieninhalts dem Thema Coronavirus gewidmet. Im Fernsehen ist es ähnlich: Wie der Medienexperte Otar Dovzhenko beobachtet hat, hat das Coronavirus sowohl politische als auch gesellschaftliche Themen aus den Nachrichtensendungen verdrängt.

Die Qualität der Berichterstattung ist dabei sehr unterschiedlich. Während einige Redaktionen versuchen, konstruktiv zu berichten, lassen andere die Panik durch emotionale Schlagzeilen und durch die Verbreitung von Falschinformationen weiter eskalieren. Beispielsweise teilten viele ukrainische Medien ein Video über ein „Flugzeug voller Corona-Infizierter”, das kurz darauf vom ukrainischen Gesundheitsministerium als falsch widerlegt wurde.

Wie das Coronavirus die Arbeit der Medien verändert

Die Quarantänemaßnahmen beeinträchtigen die Arbeit der Journalisten, aber die Medienhäuser versuchen, ihre Arbeit unter den neuen Bedingungen neu zu organisieren. Es scheint, dass Online-Nachrichtenredaktionen ihre Arbeit leichter umgestalten können.

Wie Olga Konsevych, Chefredakteurin der Nachrichtenwebsite 24tv.ua (die zum gleichnamigen Fernsehsender 24 gehört) erläutert, arbeitet die große Mehrheit ihrer Mitarbeiter von zu Hause aus: „Das ist der Vorteil der Online-Medien: Das Wichtigste ist die Internetverbindung – dann kann man überall arbeiten. Vor Ort arbeiten nur noch diejenigen, die für die Website Videos drehen, und einige wenige Reporter des TV-Senders. Unser Unternehmen stellt ihnen FFP2-Atemschutzmasken zur Verfügung.“

Bereits vor den Einschränkungen hätten ihre Mitarbeiter einen Trainingsarbeitstag zu Hause verbracht. „Als die Quarantäne angekündigt wurde, konnten wir daher einige kleinere organisatorische Probleme vermeiden, wie z.B. Probleme mit den Zugängen zu den Datenbanken“, so Olga Konseyych.

Die Kollegen würden sich ständig austauschen, nicht nur über die Arbeit. „Wir machen Witze und teilen Fotos vom Arbeitsplatz in der Nähe des Kühlschranks. Das bringt uns einander näher“, sagt Olga. Sie fügt auch hinzu, dass ihre Arbeit während der Coronakrise besonders intensiv geworden sei: „Der Informationsfluss hört nicht auf, es tauchen immer wieder Falschnachrichten auf.“ Die Verpflichtung, die Informationen sowohl genau als auch schnell zu übermitteln, bleibe jedoch bestehen.

Fernsehjournalisten seien selbst jetzt in der Krise noch in Kontakt mit anderen Menschen, deshalb sollten sie die Sicherheits- und Hygienevorschriften noch sorgfältiger beachten, sagt Ilya Yevlash, Reporter beim Fernsehkanal Espreso. Die meisten seiner Kollegen arbeiten von zuhause aus, wenn dies möglich ist. „Wir kommunizieren per Telefon oder Facebook. Wenn wir rausgehen müssen, um Videos zu drehen, benutzen wir den Firmenwagen. Der Fahrer bringt uns von zu Hause zum Drehort, zur Redaktion und wieder nach Hause”, erklärt er. Außerdem hat Espreso TV noch einige andere Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Vor dem Betreten der Redaktion wird die Körpertemperatur jedes Einzelnen kontrolliert; es wurden zusätzliche Desinfektionsmittel bereitgestellt und spezielle Desinfektions-Fußmatten  gekauft. Wenn die Journalisten für Drehs rausgehen, müssen sie Atemschutzmasken tragen.

Die Beteiligung von Medien-NGOs

In der Ukraine gibt es viele aktive NGOs, die sich für Medienentwicklung einsetzen. Jetzt versuchen sie, die Journalisten in der Zeit der Krise zu unterstützen. So hat zum Beispiel das Institute for Mass Information unter dem Namen „Anti-Corona. Ein Leitfaden für alle, die in den Medien arbeiten“ eine Website gestartet, die Tipps für die Berichterstattung über die Pandemie, für den Schutz der eigenen Gesundheit sowie einige Erläuterungen zu den Rechten von Journalisten während des Ausnahmezustands bereithält. Eine andere NGO, die Media Development Foundation, hat ein Survival Kit für Medien in Zeiten des Coronavirus veröffentlicht und die Facebook-Gruppe „Corona und die Medien“ ins Leben gerufen. Bislang sind etwa 400 Teilnehmer beigetreten. Die Gründer der Gruppe ermutigen Journalisten, Medienakteure, Faktenchecker, Gesundheitsfachkräfte und andere relevante Experten, nützliche Informationen zum Thema beizusteuern.

Auch Webinare für die Medienschaffenden sind derzeit sehr beliebt. Mehrere Organisationen bieten den Journalisten nützliche Informationen und Schulungen an. So organisiert beispielsweise das Regional Press Development Institute eine Reihe von Webinaren, in denen Experten Auskunft zu rechtlichen Fragen rund um die Corona-Berichterstattung geben und erklären, wie man relevante Experten findet, wie man Falschnachrichten erkennt und wie man in einem so intensiven Informationsstrom einen klaren Kopf behält.

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