Unabhängigkeit von Journalisten zeigt sich auch in der Unabhängigkeit vom eigenen Brotherrn.
Manchmal genügt in den Medien ein kleiner Anlass, um einen großen Wandel zu beschreiben.
Den kleinen Anlass beobachteten wir am vorletzten Sonntag. Kurz zuvor war bekanntgeworden, dass die Basler Zeitung neu stabile Drittelsbesitzer hat, Chefredaktor Markus Somm, VR-Präsident Rolf Bollmann und Christoph Blocher.
Die Basler Zeitung, der ewige Übernahmekandidat, war damit kein Übernahmekandidat mehr. Die Jagd der Zürcher NZZ-Gruppe und der Aargauer AZ Medien war zu Ende. Jahrelang hatten die beiden sondiert und Druck gemacht. Nun mussten sie ihre Hoffnungen auf einen Kauf des Blatts begraben.
Interessant war nun, wie die Sonntagsblätter der beiden Verlierer reagierten. Beide zogen über das Blatt her, das ihrem Verlag entgangen war. „Die Basler Zeitung gab’s für ein Butterbrot”, titelte süffisant die Schweiz am Sonntag aus dem Haus der AZ Medien, das mit Billigangeboten bekanntwurde. „Die parteinahe Presse findet nur wenige Leser”, titelte süffisant die NZZ am Sonntag aus dem Haus der freisinnigen Partei.
Vor allem die Aargauer Journalisten unterstützten aggressiv den bisher vergeblichen Vorstoß ihres Verlags nach Basel. Allein die Schweiz am Sonntag schrieb in den letzten Jahren Dutzende von Artikeln gegen die Basler Zeitung, allesamt negativ. Die meisten stammten vom Journalisten Christian Mensch, eine Art Schreib-Terrier in Verlagsdiensten.
Früher gab es das nicht. Journalisten waren keine opportunistischen Lakaien. Sie ließen sich von ihren Verlagsmanagern nicht ergeben für deren kommerzielle Zwecke verwenden.
Historische Beispiele gibt es viele. Die Redaktion der Tat etwa kritisierte öffentlich ihren Arbeitgeber Migros wegen seiner Personalpolitik. Die Weltwoche kritisierte öffentlich ihren Besitzer Beat Curti wegen seiner wirtschaftlichen Verflechtungen. Die Redaktion des Tages-Anzeigers kritisierte öffentlich ihre Geschäftsleitung wegen der Lancierung eines TV-Kanals.
Journalisten haben, anders als sonstige Angestellte, zwei Dienstherren. Zum einen dienen sie ihrem Arbeitgeber, von dem sie abhängig sind. Zum Zweiten dienen sie der Öffentlichkeit, die von ihnen Unabhängigkeit verlangt.
In diesem Spannungsfeld zwischen Brotherr und Publikum haben sich die Gewichte in den letzten zwanzig Jahren merklich verschoben. In den alten Zeiten hatte für aufrechte Journalisten das Interesse der Öffentlichkeit die Priorität. Es war eine ethische Leitlinie. Innere Pressefreiheit sagte man dem.
Heute, in wirtschaftlich unbequemen Zeiten, hat das Interesse der eigenen Aktiengesellschaft die Priorität. Journalisten sehen sich nun als Firmenvertreter.
Nur in ganz wenigen Reduits hat sich der alte Journalistengeist der unabhängigen Distanz gegenüber dem eigenen Arbeitgeber gehalten. Das beste Beispiel ist die Redaktion des Tages-Anzeigers. Sie ist die geistig unabhängigste Truppe der Medienbranche.
Als ihr Unternehmen, die Tamedia, kürzlich den Werbevermittler Publigroupe übernehmen wollte, enthielt sich der Tages-Anzeiger jeder Form von anbiederndem Konzernjournalismus. Die Redaktion druckte nur Meldungen der Schweizerischen Depeschenagentur ab, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden.
Das billige Gegenteil zeigte zugleich die Finanz & Wirtschaft aus demselben Verlag. Ihr Leitartikler schrieb, strammgestanden vor seinem Dienstherrn, er „würde es” seinem „Arbeitgeber Tamedia gönnen, wenn er Publigroupe zu einem günstigen Preis übernehmen könnte. Deren Aktionäre verdienen nichts Besseres.”
Das ist der Unterschied zwischen Unabhängigkeit und Unterwürfigkeit.
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 10. Juli
Bildquelle: Wikimedia Commons
Schlagwörter:Basler Zeitung, Christoph Blocher, Konzernjournalismus, Markus Somm, Rolf Bollmann, Unabhängigkeit