Mehr auf die Gesellschaft eingehen, dem Publikum mehr zutrauen: ein großer Teil der Öffentlichkeit schätzt Nachrichtenqualität ähnlich ein wie Medienexperten. Zwei Studien liefern konstruktive Hinweise für die Journalismuspraxis.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Nayla Fawzi (Uni München) hat sich durch eine repräsentative Umfrage angesehen, wie die deutsche Bevölkerung Medienleistungen einschätzt. Pauschal gesehen, bestehe eine „diffuse“ Zufriedenheit in der Bevölkerung. 61 Prozent äußerten sich zufrieden, 29 teilweise, neun gar nicht. Bezogen auf die konkreten Einzelleistungen hingegen ist das Bild durchwachsen.
Ihre politischen Funktionen, so die Sicht des Publikums, erfüllen JournalistInnen recht gut: Rund die Hälfte hat den Eindruck, dass Medien Politik und Wirtschaft kritisch beobachten, Skandale aufdecken und dass es ihnen gelingt, zur Meinungsbildung beizutragen. Zwischen 14 und 18 Prozent hingegen finden, die Medien leisten dies nicht.
Dann wird es enger: nur noch 39 Prozent sind der Meinung, dass Medien komplexe Sachverhalte gut erklären. Und nur jeder dritte teilt die Ansicht, dass Medien das Interesse für politische Fragen wecken, fast gleich viele finden, dass sie das nicht schaffen.
Die größten Defizite nimmt die Bevölkerung bei sozialen Medienfunktionen wahr; hier ist der Anteil jener, die sich unzufrieden äußern, durchweg höher als der der Zufriedenen. Anliegen von Minderheiten und benachteiligten Gruppen der Gesellschaft zur Geltung bringen, einen guten Austausch zwischen Gesellschaft und Politik herstellen, ein Grundverständnis schaffen, das die Gesellschaft als Ganzes verbindet: Zwischen 31 und 25 Prozent der Befragten finden, dass Medien dies nicht leisten, nur zwischen 24 und 28 Prozent sind zufrieden mit der journalistischen Arbeit in diesen Bereichen.
Verlässliche Vermittlungsleistung ist wichtig
Jeder dritte hat das Gefühl, Medien sind nicht das Sprachrohr für die Gesellschaft, das sie sein sollten, und 41 Prozent vermissen ein hinreichendes Maß an Lösungsvorschlägen für die Probleme der Gesellschaft.
Gewiss sind solche Einschätzungen individuell und hängen auch davon ab, wie medienkompetent die Befragten sind. Zum Grundverständnis von aufklärenden Medien gehört zudem, sich Rezipienten-Interessen nicht einfach anzupassen und unterzuordnen.
Diese sind zum einen nicht homogen. Zum kann es sich keine demokratische Gesellschaft leisten, auf eine nötige Auseinandersetzung mit relevanten Themen zu verzichten, weil sie für ein Publikum unangenehm sind oder ihm nicht gefallen.
Aber: in den Befunden stecken wichtige Aufträge, wo Berichterstattung besser und näher an dem, was die Bevölkerung umtreibt, werden kann. Wie bedeutsam eine verlässliche Vermittlungsleistung ist, belegt ein Forscherteam am Reuters-Institut der Universität Oxford. Es verglich den Grad des Vertrauens, das Menschen in 23 europäischen Ländern in insgesamt 226 Nachrichtensender und damit in den Informationsjournalismus haben, damit, wie Experten die Genauigkeit der Arbeit dieser Sender einschätzen.
Die Einschätzungen wichen wenig ab. Experten und Öffentlichkeit schrieben höchstes Vertrauen den öffentlich-rechtlichen Medien zu. Die Bevölkerung vertraut Zeitungen und Onlineplattformen etwas weniger und dem kommerziellen Fernsehen etwas mehr als Experten dies tun. „Vertrauen haben“ in ein Medium, heißt zwar nicht, es auch zu nutzen. Aber die Studie stimmt optimistisch, weil sich offenbar die Bevölkerung in Nachrichtenumgebungen recht gut zurechtfindet.
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 14. Juni 2020
Bildquelle: Flickr CC; Tim Reckmann: Blick durch Lupe; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/
Schlagwörter:Gesellschaft, Informationsjournalismus, Mediennutzung, Medienvertrauen, öffentlich-rechtliche Medien, Politik, Wirtschaft