Wie neues Vertrauen in die Medien entsteht

30. Mai 2018 • Qualität & Ethik • von

Vor allem Lokaljournalismus kann dazu beitragen, das Vertrauen in die Medien wieder wachsen zu lassen. Es ist wichtig, dass Lokaljournalisten als Reporter vor Ort präsent sind und ein Ohr für die Themen der Bürger haben. Leser, Hörer und Zuschauer müssen sich in den Themen der Medien wiederfinden. 

Die Flüchtlingskrise rüttelte 2015 in Deutschland an den Fundamenten des Vertrauens in die Medien. 60 Prozent der Deutschen gaben nach einer Studie von ‚infratest dimap‘ im Auftrag der Wochenzeitung ‚Die Zeit‘ an, nur wenig oder kein Vertrauen in politische Berichterstattung zu haben. 39 Prozent der Deutschen sagten bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ‚Allensbach‘, sie glaubten, dass Medien bewusst die Wahrheit verdrehen und Tatsachen verschweigen würden.

Auf dem Höhepunkt des Medienmisstrauens beschimpften Sympathisanten und Vertreter der rechtsnationalen Partei ‚Alternative für Deutschland‘ AfD , die sich als „Wutbürger“ verstanden, die etablierten Medien als „regierungshörige Lügenpresse“ und als „System-Medien“, die „gekauft“ und ein Meinungskartell politischer Korrektheit seien.

Die Erosion der Glaubwürdigkeit der Medien hat in Deutschland schon früher begonnen. Mit der flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets auf Smartphones und Tablets traten zu den klassischen Medien-Produzenten neue Informationsquellen: Blogger, Spin Doctors, Citizen Journalists, Social Networks und Trolle. Gleichzeitig vermehren Social Bots Falschmeldungen, während Algorithmen nachhaltig unseren Informationskonsum beeinflussen. Auf Facebook und Twitter verbreitet sich Empörung unter Gleichgesinnten rasend schnell. Man glaubt eher Menschen aus seinem sozialen Umfeld, die man kennt, als „den Medien“. Kollateralschäden der Digitalisierung sind Fake News, mit denen Falsch- bzw. Fehlinformationen und damit Misstrauen gesät werden sollen. Der Weg zur „Desinformations-Ökonomie“ (Stephan Russ-Mohl) scheint unumkehrbar.

Ein Teil des Unbehagens an den Medien hat seine Gründe

In den als eher linksliberal empfundenen deutschen Medien beklagten bürgerlich eingestellte Deutsche fehlende Meinungsvielfalt und zu starke Bevormundung durch Journalisten. Der Zustrom an syrischen, afghanischen und irakischen Flüchtlingen 2015 spülte hervor, so hat es die ‚Spiegel‘-Redakteurin Isabell Hülsen im Februar dieses Jahres analytisch im Magazin ‚Der Spiegel‘ erkannt, was sich lange angestaut hatte: Das Gefühl, Journalisten würden nicht mehr neutral berichten, sondern wollten Leser erziehen und bestimmen, was in Deutschland gesagt werden dürfe. Dieses Unbehagen an den Medien wurde, so hat es bereits im Juni 2015 der ‚Zeit‘-Redakteur Götz Hamann in der Wochenzeitung ‚Die Zeit‘ geschildert, noch geschürt durch die Erfahrung von Journalisten, die nach dem Germanwings-Absturz in Frankreich 2015 wie Heuschrecken in der Heimatstadt des Selbstmordpiloten Andreas Lubitz einfielen. Oder die als Journalisten aus dem Westen im Osten Deutschlands nach den Motiven für AfD-Wähler suchten oder die Berichterstattung über den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff als Hexenjagd empfanden, wo Einordnung der Fakten und Abwägen gefragt gewesen wären.

Ungute Konsequenzen hatten und haben auch der Verlust an Themenvielfalt und die personellen Einsparungen bei Zeitungsverlagen. Wenn weniger Journalisten beschäftigt werden, kommt der Vor-Ort-Reporter nicht mehr in der Lebensrealität vieler Menschen vor. Auf dem Land empfinden viele Leser eine Kluft zwischen ihrem Alltag und den Themen, die Journalisten in den Mantelredaktionen und in der Hauptstadt Berlin für wichtig halten.

Last but not least haben schlechte Berufsperspektiven, prekäre Arbeitsverhältnisse mit schlechter Bezahlung und das gesunkene Renommee der Medien bei jungen Menschen zu einem Rückgang des Interesses am Journalistenberuf geführt. Das Vertrauen in die Medien, es scheint nachhaltig erschüttert.

Was ist zu tun?

Glaubwürdigkeit entsteht vor Ort, nirgendwo anders. Dort, wo wir Menschen begegnen, denen wir vertrauen. Die nicht mit dem Strom der Meinungen schwimmen, sondern sich ein eigenes Bild von dem machen, was im Ort, im Landkreis und darüber hinaus passiert. Die eine Haltung haben, aber keine Meinung vorgeben. Insbesondere Lokaljournalisten sind der Pulsschlag und manchmal auch der Herzschrittmacher der Demokratie. Nur wenn sie als Reporter vor Ort präsent sind und ein Ohr für die Themen der Menschen vor Ort haben, eine professionelle Distanz zu den Menschen, über die sie berichten und wenn Fehler in der Recherche nicht verschwiegen werden, kann Vertrauen immer wieder neu wachsen. Journalisten sollten dazu beitragen, einen Pluralismus an Meinungen widerzuspiegeln. Leser, Hörer und Zuschauer müssen sich in den Themen der Medien wiederfinden. Und Verlage und Sender müssen Journalismus erklären: Die Menschen müssen wieder verstehen, wie Medien arbeiten.

Erst dann sind die Menschen bereit, den in den Medien verbreiteten Informationen und Positionen wieder Vertrauen zu schenken. Ohne Vertrauen in Journalisten kann eine Demokratie nicht bestehen. Bilder und Fotos auf Facebook, Twitter und Instagram werden niemals einen sauber recherchierten, faktenstarken Beitrag in der Zeitung oder im Radio ersetzen. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass es auch morgen junge Menschen gibt, die sich für den Journalistenberuf entscheiden. Die durch das Wort leidenschaftliche Streiter für den Erhalt der Demokratie und unserer offenen Gesellschaft werden wollen. Und dass es Verlage, Sender und Journalistenschulen gibt, die jungen Menschen eine Zukunft im Journalismus geben.

Dass diese Zukunft eine digitale wird, ist jetzt schon erkennbar. Noch nie boten sich digital aufgeschlossenen Journalisten so viele Chancen: bei der Recherche, durch „Mobile Reporting“ mit dem Smartphone, in weltweit vernetzten Rechercheverbünden. Journalist zu werden, das braucht Beharrlichkeit in der Recherche, Leidenschaft für die Suche nach Wahrheit, Mut zum Standpunkt und Augenmaß bei der Bewertung des Handelns von Menschen.

In Deutschland haben die Erfahrung und der „Lügenpresse“-Schock heilsame Wirkungen. „Die moralische Bugwelle ist kleiner, die Demut größer geworden“, stellte Isabell Hülsen vom ‚Spiegel‘ Anfang 2018 fest. Und durch den US-Präsidenten Donald Trump verunsicherte Deutsche suchten wieder Orientierung bei nüchtern recherchierenden Medien. Ende 2017 waren es nur noch 17 Prozent, die den Medien nicht vertrauten, so eine Studie des Instituts für Publizistik der Universität Mainz. Es besteht also Anlass zur Hoffnung.

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