Wie Tschechien gegen Fake News kämpft

7. September 2017 • Qualität & Ethik • von

In Tschechien finden Desinformation und Fake News einen idealen Nährboden – so glaubt zum Beispiel laut einer Studie ein Viertel der Tschechen pro-russischen Falschmeldungen. Mehrere Initiativen, sowohl von der Regierung als auch private, kämpfen gegen die Propaganda an.

Stellen Burkinis ein Gesundheitsrisiko in Schwimmbädern dar? Um diese Frage zu diskutieren, schickte der tschechische TV-Sender Prisma einen Reporter in Mönchskutte in eine Badeanstalt.

Die 2014 von der tschechischen Regierung ins Leben gerufene Website HatefreeCulture war eine der ersten, die in Tschechien den Kampf gegen Fake News aufnahm. Sie verfolgt primär das Ziel, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit entgegenzusteuern und macht auf Falschmeldungen aufmerksam, die regelmäßig auf pro-russischen Websites, Anti-Einwanderungs-Websites und in sozialen Medien verbreitet werden. Anfang dieses Jahres richtete die tschechische Regierung ein „Abwehrzentrum gegen Terrorismus und Cybergefahren“ ein, das vor allem gegen Fake News vorgeht, die die nationale Sicherheit bedrohen. Auch einige unabhängige tschechische Websites wie Hlídacípes.org, Hoax.cz, Demagog.cz und Manipulátoři.cz setzen sich gegen Desinformationen ein und melden regelmäßig die Websites, die Fake News verbreiten. Die investigative Journalistin Sabina Slonková hat die Seite Neovlivní.cz gestartet, die sich auf russische Propaganda fokussiert.

Fake News und Werbegelder

Viele der Websites, die Desinformationen und Falschmeldungen verbreiten, werden durch Werbung finanziert. Die Unternehmen, die auf diesen Websites Werbung schalten, unterstützen sie oft unbewusst. Einige Unternehmen haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Zusammenarbeit zu beenden. So erklärte zum Beispiel der Mobilfunkbetreiber Vodafone kürzlich in einem Statement, weltweit keine Werbung mehr auf Seiten, die Hate Speech und Fake News verbreiten, zu schalten.

Andere Unternehmen zeigen sich unentschlossener. Anfang August 2017 sorgte die beliebte tschechische Suchmaschine Seznam.cz für einige Verwirrung bezüglich ihres Umgangs mit Fake News. Mehrere Medien berichteten, dass Seznam.cz es künftig ablehnen werde, auf Websites Werbung zu schalten, die Meinungen in Form von Nachrichten präsentieren, anonyme Autoren zu Wort kommen lassen und inakkurate oder falsche Informationen veröffentlichen. Diese Medienberichte wurden von der Seznam-Pressesprecherin Táňa Lálová bestätigt. Allerdings schien das Unternehmen noch in derselben Woche einen Rückzieher zu machen. Geschäftsführer Michal Feix erklärte, das Management habe von diesen Plänen nichts gewusst und weder Vorstand noch Besitzer möchten, dass Seznam über die Objektivität und die Wahrhaftigkeit ihrer Werbepartner entscheide.

Auch andere Firmen in Tschechien werden sich dieses Problems bewusst, wenn auch langsam. „Viele wissen oft gar nicht, dass sie Websites als Werbepartner haben, die Fake News verbreiten, wie zum Beispiel ParlamentníListy.cz“, sagt der digitale Analyst Martin Neuschl, „und sind dann sehr überrascht, wenn ich ihnen das sage.“ Die meisten von ihnen würden dann Maßnahmen ergreifen, um die Werbung für ihr Unternehmen auf diesen Websites zu stoppen. Hilfreich ist dabei auch die Twitter-Seite Sleeping Giants, die 2016 an den Start ging. Die tschechische Gruppe macht Unternehmen ausfindig, die auf Fake-News-Seiten Werbung schalten und warnt sie auf Twitter. Ein ähnliches Projekt, Konspiratori.sk, ist in der benachbarten Slowakei beheimatet.

Unterschied zwischen Desinformationen und Fake News

Fake News und Desinformation waren auch die Hauptthemen während den Medienbildungswochen 2017, die von der tschechischen NGO Člověk v tísni initiiert wurden. Sechs Wochen lang fanden in Grund- und weiterführenden Schulen in Tschechien Seminare zur Medienpädagogik und Debatten mit Journalisten und Medienpraktikern statt. Die Schüler hatten die Gelegenheit, bekannte tschechische Journalisten zu treffen und mit ihnen darüber zu diskutieren, was Fake News und Desinformationen sind, wie man sie erkennt und welche Rolle die sozialen Medien dabei spielen.

Lucie Šťastná vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Journalismus der Karls-Universität in Prag betont, dass man in der Diskussion unbedingt zwischen Fake News und Desinformation unterscheiden müsse.  „Diese beiden Begriffe mögen sich überschneiden und ähnliche Probleme aufwerfen. Allerdings unterscheidet sich die jeweilige Intention, warum Fake News oder Desinformation verbreitet werden“, erklärt Šťastná. „Desinformation verfolgt das Ziel, den Rezipienten zu täuschen, vor allem aufgrund politischer Gründe. Die Motivation hinter Fake News ist eine andere. Sie sollen den Nachrichtenseiten, die sie verbreiten, zu größerer Aufmerksamkeit verhelfen und werden damit oftmals zu Werbezwecken eingesetzt“, so die Kommunikationswissenschaftlerin.

Wie Fake News und Desinformationen in Tschechien wahrgenommen werden, ist bislang wenig erforscht. Immerhin eine Studie aus dem vergangenen Jahr, die der Think Tank Evropské hodnoty (Europäische Werte) in Auftrag gegeben hat, untersucht das Vertrauen in Fake News, die von pro-russischen Medien stammen. Den Ergebnissen zufolge glauben ein Viertel der Tschechen diesen Falschmeldungen.

Die Nutzer sind vor allem dann gewillt, sich von irreführenden Informationen beeinflussen zu lassen, wenn sie durch bekannte Mainstream-Medien verbreitet werden. Kürzlich diskutierte ein Beitrag von Tschechiens drittgrößtem Fernsehsender Prima Social-Media-Fotos muslimischer Frauen, die in Burkinis in einem öffentlichen Schwimmbad badeten. Der Bericht warf die Frage auf, ob die Burkinis ein Gesundheitsrisiko darstellen könnten und zeigte einen Reporter, der in der Kutte eines Franziskanermönches ins Wasser stieg – Bademeister stellten ihn daraufhin zur Rede. Dem Sender wurde schon mehrfach vorgeworfen, mit seiner Berichterstattung gezielt gegen Flüchtlinge und den Islam Stimmung zu machen.

Originalversion auf Englisch: Fighting Fake News, Disinformation and Hate in Czech Media

 

 

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