Ein Spotify für Journalismus?

24. August 2020 • Aktuelle Beiträge, Redaktion & Ökonomie • von

Die Pandemie-Krise machte es unübersehbar: Relevanter und professioneller Journalismus ist vielen Menschen etwas wert, aber es braucht neue Geschäftsideen.

Nutzer wären bereit, pro Monat zehn Euro für das „Bezahlmodell Plattform“ auszugeben, so ein Ergebnis der Studie von Wellbrock und Buschow.

Christian-Mathias Wellbrock und Christopher Buschow haben im Auftrag der Landesanstalt für Medien in Düsseldorf aktuelle digitale Geschäftsmodelle untersucht, die Medienhäuser und journalistische Neugründungen entwickelt haben; ihr Fokus liegt ausschließlich auf der Variante der privaten Zahlungsbereitschaft beziehungsweise -verweigerung. Basis der Studie sind eine repräsentative Befragung mit 6000 Teilnehmenden sowie acht vertiefende Gruppendiskussionen.

Nutzerinnen und Nutzer möchten demnach Inhalte von gesellschaftlicher Relevanz (sie wollen Bescheid wissen über wichtige Themen) und mit persönlichem oder generell praktischem Nutzwert (sie suchen Rat bei Kauf- und Lebensentscheidungen oder Einschätzungen bestimmter Aktien etc.), sie wollen Orientierung bezogen auf Inhalte, aber auch auf Handhabung, sowie Vielfalt (also Auswahlmöglichkeiten). Dies alles, so die Forscher, spiegelt sich wider in dem von ihnen nachgewiesenen hohen Zuspruch für das „Bezahlmodell Plattform“: also für eine Art Netflix oder Spotify für Journalismus, wo vorausgewählte Medienangebote zugänglich sind. Die Schmerzgrenze des von den Nutzern akzeptierten Monatsbeitrags liegt bei 10 Euro. Beispiele für solche „One-Stop-Shops“ mit gebündelten Angeboten sind Steady, Readly oder – bezogen auf eine Themennische – RiffReporter.

Solche Plattformen zu gründen, lautet eine der sechs Handlungsempfehlungen, die die Autoren aus Studie für erfolgversprechende Paid Content Strategien ableiten. Eine weitere ist, den gedruckten Journalismus „als Türöffner und Identitätsstifter“ zu nutzen. Denn die Gruppendiskussionen ergaben eine deutlich höhere Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft für Printangebote im Vergleich zu digitalen Angeboten. Das lege Experimente mit gedruckten Ausgaben eigentlich digitaler Journalismus-Marken nahe, vielleicht – an die Plattformidee anknüpfend – auch als vierteljährliches Kooperations-Produkt mehrerer Anbieter.

Die Studie erinnert zudem daran: Die Menschen sind zwar tendenziell bereit, für vertrauenswürdigen, relevanten Informationsjournalismus etwas zu bezahlen. Aber natürlich nur, wenn sie ihn also solchen erkennen, ihnen also der Unterschied z.B. zu beliebigem, unseriösen „Journalismus“ klar ist. Hier können zwar z.B. Plattformmodelle Vertrauen aufbauen und Orientierung liefern, indem sie die professionelle Vorauswahl treffen. Entscheidend wäre aber, eine eigentlich uralte Forderung umzusetzen: die systematische Schulung von Medienkompetenz, die zugleich ein Training sein müsste für eine selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe als digitale Bürgerinnen und Bürger.

 

 Christian-Mathias Wellbrock Christopher Buschow (2020): „Money for Nothing and content for free – Paid Content, Plattformen und Zahlungsbereitschaft im digitalen Journalismus“, herausgegeben von der Landesanstalt für Medien NRW. Nomos: Baden-Baden. Vorabauszug: https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/NeueWebsite_0120/Zum_Nachlesen/2020/Vorabauszug_Wellbrock_Buschow_MoneyforNothing.pdf; Whitepaper: https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/lfm-nrw/Foerderung/Forschung/Zahlunsbereitschaft/LFMNRW_Whitepaper_Zahlungsbereitschaft.pdf

 

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 23. August 2020

Bildquelle: pixabay.com

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