Gestresst, gehasst und trotzdem engagiert – Journalist: innen in Deutschland

6. Mai 2024 • Aktuelle Beiträge, Redaktion & Ökonomie • von

Eine repräsentative Befragung des Leibniz-Instituts für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut hat ergeben, dass Journalist: innen hohem Stress ausgesetzt sind. Trotz dessen haben sie ein klares Rollenselbstverständnis.

An der Befragung haben von September 2022 bis Februar 2023 insgesamt 1.221 Journalist: innen in Deutschland teilgenommen. Die Ergebnisse wurden im Arbeitspapier „Journalismus in Deutschland 2023. Aktuelle Befunde zu Situation und Wandel“, dass unter anderem von Prof. Dr. Wiebke Loosen verfasst wurde, zusammengefasst. Das Arbeitspapier ist Teil ein größeren Studie, die dem Forschungsverbund „Worlds of Journalism“ angehört. Innerhalb dessen wird in verschiedenen Ländern weltweit untersucht, wo der Journalismus steht und mit welchen wachsenden Komplexitäten sich Journalist:innen in einer sich rasant verändernden Medienwelt konfrontiert sehen. Einige Kernergebnisse der Studie:

  • Mehrheit der deutschen Journalist:innen ist männlich

Zudem arbeiten die Journalist: innen größtenteils in Vollzeit. Der Frauenanteil liegt bei 44 Prozent, 2015 lag dieser noch bei 40,1 Prozent. Außerdem identifizieren sich 0,2 Prozent der befragten Personen als divers. Dabei ist die Mehrheit der Journalist: innen jünger als 50 Jahre (62,4 Prozent). Das Durchschnittsalter beträgt 45,3 Jahre.

54,7 Prozent haben einen Magister-, Master- oder Diplomabschluss haben, 12,4 Prozent einen Bachelor absolviert. Trotzdem kommt es nach wie vor auf die Praxiserfahrung an: Mit 77,5 Prozent hat die große Mehrheit ein Volontariat durchlaufen, 15,7 Prozent waren auf einer Journalistenschule. Weitere Praxiserfahrungen haben viele der Befragten durch Praktika oder Hospitationen erlangt (75,3 Prozent).

  • Mehr festangestellte als freie Journalist:innen

Grundsätzlich haben 80,3% der Journalist: innen eine feste Arbeitsstelle. Auch, wenn der dortige Anteil an zeitlich befristeten Stellen mit 14,5 Prozent im Verhältnis relativ gering ist, hat er sich im Vergleich zu 2015 fast verdoppelt. Da betrug der Anteil noch 7,3 Prozent.

Die freien Mitarbeiter:innen machen wiederum einen Anteil von 19,7 Prozent aus.

Die aktuell tätigen Journalist: innen sind schon 21,8 Jahre (Männer) beziehungsweise 17,7 Jahre (Frauen) in diesem Beruf tätig. 65,6% der Befragten arbeiteten im Befragungszeitraum für ein bestimmtes Ressort oder Themenfeld, wie zum Beispiel Politik oder Sport.

  • Printmedienhäuser weiterhin als wichtigster Arbeitgeber

57 Prozent der Journalist: innen arbeiten für einen Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag. Wiederrum 17,3 sind im Fernsehen und 17,2 Prozent beim Hörfunk tätig. Nur wenige sind bei Nachrichtenagenturen (3,5 Prozent) oder für sich stehenden Online-Nachrichtenseiten (3,5 Prozent) angestellt. Grundsätzlich arbeitet aber der Großteil multimedial. Durchschnittlich produzieren die befragten Journalist: innen für 4,3 unterschiedliche Medienkanäle. Lediglich 7,6 Prozent der Journalist: innen beschränken sich auf ein Medium.

Journalist: innen haben ein klares Rollenverständnis

Grundsätzlich möchten Journalist: innen neutral und zuverlässig Informationen übermitteln. Die deutliche Mehrheit (87 Prozent) gab bei der Umfrage an, dass sie damit anderen Menschen helfen möchten, sich selbst eine Meinung zu bilden. Dicht darauf folgt das Ziel, Desinformationen zu bekämpfen (85,9 Prozent), sowie die Einordung und Analyse des aktuellen Geschehens. Nur sehr wenige, wollen mit ihrer Arbeit die Politik der Regierung unterstützen (0,8 Prozent) oder diese besser dastehen lassen  (0,7 Prozent).

Abbildung aus: Leibniz-Instituts für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut (2023). Journalismus in Deutschland 2023: Aktuelle Befunde zu Situation und Wandel. https://leibniz-hbi.de/de/publikationen/journalismus-in-deutschland-2023

 

Ethische Standards im deutschen Journalismus nach wie vor wichtig

87,6 Prozent der Journalist: innen sind der Meinung, dass ethische Vertretbarkeit, unabhängig von der Situation, durch professionelle Standards festgelegt werden sollte. Nur 2 Prozent der Befragten würden Geld und 13,2 Prozent geschenkte Produkte oder Dienstleistungen annehmen. Auch die Erstellung von „Inhalten mit Werbecharakter“ lehnen 92 Prozent ab. Privates und persönliches Material von gewöhnlichen Einzelpersonen würden 87,5 Prozent ohne Erlaubnis unter keinen Umständen für ihre Berichterstattung verwenden. Mit vertraulichen Unternehmens- und Regierungspapieren sehen es die meisten aber schon wieder lockerer: 58,3 Prozent halten die Verwendung dieser Dokument für gelegentlich gerechtfertigt.

Kontroverse Methoden in der journalistischen Arbeit

Abbildung aus: Leibniz-Instituts für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut (2023). Journalismus in Deutschland 2023: Aktuelle Befunde zu Situation und Wandel. https://leibniz-hbi.de/de/publikationen/journalismus-in-deutschland-2023

 

Weitgehend unabhängige und freie Arbeit möglich

Ein Großteil der Journalist: innen schätzt die deutschen Nachrichtenmedien als sehr, wenn nicht sogar als vollständig frei ein.  62 Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer Themenauswahl frei. Die Mehrheit findet auch, dass sie die Schwerpunkte ihrer Geschichten frei wählen können. Allerdings endet die Freiheit, wenn es um Deadlines geht: mehr als die Hälfte der Journalist:innen fühlen sich durch Zeitdruck und den Mangel an Ressourcen in ihrer Arbeit eingeschränkt. Einen Einfluss durch Regierungsbeamte (0,7 Prozent) und staatlicher Zensur (0,5 Prozent) nehmen die wenigsten war.

Gestresst, gehasst und diskreditiert

Jede:r zweite:r Journalist:in gibt an, dass er:sie sich in den letzten Monaten oft gestresst gefühlt hat. Am meisten Stress ausgesetzt sind laut der Umfrage Journalist: innen die im privat Fernsehen oder bei Agenturen arbeiten. Zu weiteren Herausforderungen zählen:

  • – Erniedrigende oder hasserfüllte Äußerungen (58,9 Prozent)
  • – Öffentliche Diskreditierung der Arbeit (62,1 Prozent)
  • – Andere Drohungen oder Einschüchterungsversuche (62,1 Prozent)
  • – Verbreitung der eigenen Daten durch Dritte (16,3 Prozent)
  • – Mobbing am Arbeitsplatz (15,7 Prozent)
  • – Stalking (9,4 Prozent)
  • – Sexuelle Belästigung oder andere Übergriffe (6,8 Prozent)

Sowohl von Mobbing am Arbeitsplatz als auch von Stalking und sexueller Belästigung oder anderen Übergriffen sind mehrheitlich Frauen betroffen. Des Weiteren befürchten einige Journalist: innen, dass der rechtliche Schutz nicht ausreiche, um Angriffe gegen Journalist: innen rechtlich zu verfolgen.

Das Arbeitspapier: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/89555/ssoar-2023-loosen_et_al-Journalismus_in_Deutschland_2023_Aktuelle.pdf?sequence=4&isAllowed=y&lnkname=ssoar-2023-loosen_et_al-Journalismus_in_Deutschland_2023_Aktuelle.pdf

 

 

 

 

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