Die Lösung stammt von 1958

4. März 2011 • Medienökonomie • von

Heute wird es etwas technisch, aber ­lehrreich. Es geht um das Verhältnis von TV und Internet.

Es ist mittlerweile eine epische Debatte. Es streiten die SRG-Spitze, die Zeitungsverleger, die Politiker, und diese Woche haben sich auch das Bundesamt für Kommunikation und Economiesuisse ins Thema eingeloggt.

Bei der epischen Debatte geht es um eine ganz einfache Frage: Darf das Schweizer Fernsehen sein Angebot im Internet ausbauen, und darf das Schweizer Fernsehen im Internet Werbung schalten?

Die meisten sagen bei dieser Frage nein. Am lautesten nein sagen die Zeitungsverleger. Sie wollen im Internet keinen Konkurrenten, der besser ist als sie selbst, weil er sein Angebot aus öffentlichen Quellen finanzieren kann. Auch liberale Blätter wie die NZZ fordern darum: „SRG braucht Schranken im Internet.“

Bevor auch wir unseren Senf dazugeben, sind die zwei üblichen Abklärungen zu treffen. Erstens: Wie groß ist der Markt? Zweitens: Wie entwickelt sich der Markt?

Wir haben darum bei Goldbach Media, dem führenden Internet-Vermarkter, eine kleine Marktstudie anstellen lassen. Ein voll kommerzialisiertes Schweizer TV-Portal, sagt Goldbach, kann rund 24 Millionen Franken an Einnahmen generieren. Rund acht Millionen kommen dazu, wenn TV-Spots auch online bepreist werden. Wir reden also von einem Nettovolumen von 32 Millionen für die SRG.

Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass das gesamte Werbevolumen bei rund 5,5 Milliarden Franken liegt. Es ist aber viel, wenn man die geringen Internet-Einnahmen der Schweizer Medienhäuser danebenstellt. Die Marktleader 20 Minuten online und das News-Netz des Tages-Anzeigers kommen netto auf jährlich 13 bis 14 Millionen, 9 Millionen sind es beim Blick, 6 bei der NZZ.

Ebenso entscheidend ist, wohin sich die Nutzer bewegen. Die Trends sind klar. Noch bleibt die häusliche Couch die TV-Domäne, doch der TV-Konsum verlagert sich zunehmend auf mobile Geräte. Wir schauen die Rundschau und 10 vor 10 künftig vermehrt auf Computern, Smartphones und Tablets. Wir schauen zeit- und ortsunabhängig, vor der Arbeit oder nach dem Theater.

Damit ist klar, dass das Schweizer Fernsehen, auf Teufel komm raus, sein Internet journalistisch ausbauen muss. Genauso klar ist, dass das Fernsehen nicht tatenlos zuschauen kann, wenn mehr Werbung vom TV ins Netz wandert. Wäre es hier nicht aktiv, es wäre wie ein Automobilhersteller, der nicht in Elektromobile investiert.

Ohne gutes Online-Angebot rennt das Fern­sehen in die Sackgasse. Es ist darum dümmlich von Verlegern und Politikern, den Internet-Journalismus im TV staatlich regulieren zu wollen. Es ist genauso dümmlich, der SRG die Internet-Werbung verbieten zu wollen und ihr aber weiterhin die TV-Werbung zu gestatten.

Denn die zwei Kanäle sind in der Werbung längst nicht mehr zu trennen. Soll etwa die Mobiliar-Versicherung, der Sponsor der Sendung Giacobbo/Müller, im Fernsehen werben können, dann aber im Internet-Archiv mit einem schwarzen Balken abgedeckt werden? Und warum soll Coop TV-Spots schalten, auf ­www.sf.tv dann aber keine konkreten Ange­bote machen dürfen?

Es gibt nur das Entweder-oder. Entweder hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen überhaupt keine Werbung, oder es hat Werbung auf allen möglichen Kanälen. Wir haben unsere Meinung dazu an dieser Stelle auch schon formuliert: Ein gebührenfinanzierter Staatsfunk braucht keine Werbung, weder am TV noch im Internet. Besser ist eine staatliche Mediensteuer, welche die SRG ausreichend finanziert. Dafür gibt es für sie ein generelles Werbeverbot.

Neu wäre das nicht. Schon zwischen 1958 und 1964 war in der Schweiz TV-Werbung nicht zugelassen. Die SRG war nur über öffentliche Gelder finanziert. Sie gedieh prächtig.

Erstveröffentlichung: Weltwoche Nr. 9/2011

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