Eine Frage des Eigentums

3. April 2012 • Medienökonomie • von

Schützen Familienverleger Zeitungen vor Renditedruck?

„You’re not welcome, Mr.  Montgomery!“: Deutlicher hätten die Redakteure der Berliner Zeitung im Sommer 2005 ihre Abneigung gegen den neuen Eigentümer ihrer Zeitung kaum zeigen können. Sie begrüßten ihn in T-Shirts, auf denen durchgestrichene  Heuschrecken zu sehen waren. Mit dem Briten David Montgomery hatte erstmals ein ausländischer Unternehmer – noch dazu ein branchen fremder Finanzinvestor, eine so genannte  „Heuschrecke“ – einen deutschen Zeitungsverlag übernommen. Montgomery gab für sein Investment eine Renditeerwartung von bis zu 21 Prozent aus – ein Ziel, das in Zeiten der Krise selbst auf dem traditionell hohe Renditen abwerfenden Zeitungsmarkt exorbitant hoch erschien.

Seit Januar 2009 gehört die Berliner Zeitung längst wieder einem Verleger, wie man ihn sich klassischer kaum vorstellen kann: Alfred Neven DuMont, dessen Kölner Verlagshaus auf eine Jahrhunderte lange Geschichte verweisen kann. Der Fall Montgomery ist Geschichte. Dennoch lohnt ein Blick auf die Fragen, die Montgomery mit seinem kurzen Intermezzo aufgeworfen hat: Wem gehören die Zeitungen in Deutschland – und eröffnet die Zeitungskrise möglicherweise Chancen für alternative Eigentümer?

Dieser bislang von der Forschung vernachlässigten Frage geht eine Studie zu den Eigentümerstrukturen nach. Sie vertritt dabei die Auffassung, dass die Eigentumsfrage nicht nur für die Journalisten, sondern auch für die Leser relevant ist. Denn die Eigentumsverhältnisse beeinflussen beispielsweise die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen. Wie viele Journalisten  arbeiten in den Redaktionen, welchem wirtschaftlichen Druck werden sie ausgesetzt? Für die Leser ist es allemal wichtig zu wissen, woher die Informationen stammen, die ihnen einen Überblick über die öffentliche Meinung liefern sollen.

Aber genau das – nämlich herauszufinden, wer eigentlich hinter der GmbH & Co. KG steht, die im Impressum der Lokalzeitung steht – ist alles andere als einfach. Es gibt bislang keine aktuelle, öffentlich zugängliche und vollständige Dokumentation der Eigentumsverhältnisse. Diese Lücke füllt die Studie zumindest für den nordrhein-westfälischen Zeitungsmarkt, einen der bundesweit größten Zeitungsmärkte. Mit Hilfe einer Recherche im Handelsregister wurden die Eigentumsstrukturen der 49 Zeitungsverlage in NRW recherchiert. Dieses Vorgehen erschien als besonders zuverlässig, denn die Handelsregistereinträge sind öffentlich zugänglich und müssen naturgemäß korrekt sein.

Bei einem Vergleich der Ergebnisse mit den Eigentümerstrukturen vor 40 Jahren fiel auf: An der Struktur des Zeitungsmarktes hat sich über die Jahrzehnte wenig geändert. Nach wie vor werden die Verlage von Familieneigentümern geführt, die die Anteile an den Verlagen zumeist von Generation zu Generation weitergeben.

36 der 49 nordrhein-westfälischen Verlage waren im Jahr 2010 noch immer in der Hand derselben Familien wie 1971. Weitere Untersuchungen zeigten: Die Verleger wehren Außenstehende regelrecht ab. Wenn sie ihren Verlag verkauften, dann möglichst an ihresgleichen. Damit unterscheidet sich der deutsche Zeitungsmarkt etwa deutlich vom amerikanischen, da in den USA viele Zeitungen an der Börse notiert sind  und  unter dem Druck von Investoren stehen. Sorgt das „kulturell eingebundene Kapital“ in Deutschland also möglicherweise für qualitativ hochwertige Zeitungen, während andere Eigentümer, eventuell sogar branchenfremde Investoren, in der Zeitung ein reines Renditeobjekt sehen?

Für die Beantwortung dieser Frage lieferte die Berliner Zeitung wertvolle Hinweise – denn sie gehörte mit Montgomery einem Finanzinvestor und nun mit DuMont wieder einem „echten“ Verleger. Ein Vergleich ihres Vorgehens zeigte: Die Strategien des klassischen Verlegers und die des Finanzinvestors waren mehr oder weniger dieselben. Beide setzten auf die Durchsetzung von Synergien – der „echte“ Verleger DuMont zum Teil sogar noch rigider, indem er beispielsweise  eine Redaktionsgemeinschaft einführte, die vier Zeitungstitel  gleichzeitig beliefert.

Dieses Beispiel zeigt: Familienverleger sind nicht per se besser oder schlechter als andere Eigentümer. Ein bisschen weniger Romantik und ein bisschen mehr Mut würden alternativen Eigentumsformen in Deutschland sicherlich auf die Sprünge helfen. Was spricht zum Beispiel gegen Stiftungen oder Formen der Mitarbeiterbeteiligung? Alternative Eigentümer werden sicher nicht immer weiße Ritter sein, aber ein branchenfremder Investor muss auch nicht zwangsläufig ein Turbo-Kapitalist sein.

Literatur:

Jarren, Otfried/Zwicky, Patrick (2008): Es braucht kulturell eingebundenes Kapital. In: Neue Zürcher Zeitung v. 4. Juli 2008. auch online unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/medien/es_ braucht_kulturell_eingebundenes_kapital_1.775958.html

Erstveröffentlichung: Journalistik Journal Nr. 1 / 2012

 

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