Gopfridstutz am Kiosk

19. Februar 2008 • Medienökonomie • von

Weltwoche 02/2008

Seit Jahren jammern die Medienhäuser über die sinkenden Verkäufe am Kiosk. Am 30. Januar kommt ihre Chance, dies zu ändern. Wir wetten, dass sie die Chance verpassen. Die Wahrheit sieht man zuerst am Kiosk. Der Kiosk ist der beste Barometer für den Erfolg oder Misserfolg eines Blatts. Innert Sekunden ist der Kaufentscheid gefällt. Abonnenten sind ungleich träger, sie urteilen nicht täglich über die Produktqualität. Am Kiosk ist Krise. 665 Millionen Franken geben die Schweizer hier jährlich für Zeitungen und Zeitschriften aus. Noch vor vier Jahren waren es 734 Millionen.

Den grössten Zusammenbruch erlebten am Kiosk die drei Tageszeitungen Tages-Anzeiger, Blick und NZZ. Beim Tages-Anzeiger hat sich in den letzten zehn Jahren der Kioskverkauf glatt halbiert, bei Blick und NZZ ist das Minus mit 46 und 42 Prozent ähnlich hoch. Der Einbruch hat interne wie externe Gründe.

Tages-Anzeiger, Blick und NZZ sind nach klassischen Kriterien die drei am schlechtesten gemachten Zeitungen der Schweiz. Alle drei sind im Grunde keine Zeitungen, sondern Brillen. Bei Tages-Anzeiger und Blick ist es eine linksetatistische Brille, durch die man die Welt betrachtet, bei der NZZ ist die Brille rechtsliberal. Alle drei verstossen darum hemmungslos gegen das wichtigste journalistische Grundprinzip, die Trennung von Information und Kommentar. Artikel zu Sachfragen sind regelmässig mit Ideologien, Wertungen und Qualifizierungen durchsetzt.

Der Zusammenbruch am Kiosk zeigt auf, dass die Leser solche Brillenschlangen nicht mehr wollen. Zeitungen wie die Berner Zeitung und die Mittellandzeitung, die in diesem Sinn deutlich moderner gemacht sind, schneiden denn am Kiosk auch besser ab, wenngleich auch sie Probleme haben.

Denn neben internen Gründen gibt es für die Kioskkrise auch einen wichtigen externen Faktor. Der Faktor sind weniger die Gratiszeitungen. Der Faktor heisst vielmehr Valora.

Es gibt bei uns 6500 Verkaufspunkte für Presseprodukte: Kioske, Tankstellen, Convenience-Shops, Spitäler und Supermärkte. Alle 6500 werden von Valora beliefert, ein Monopol, wie es kein zweites gibt im Land. In derart verzerrten Situationen gilt die ökonomische Regel, dass die Schwächen des Monopolisten automatisch zu Marktschwächen werden.

Nun ist Valora ein äusserst schwach geführtes Unternehmen, das die Trends im Kioskgeschäft verschlafen hat. Fünfzig Prozent aller Presseprodukte werden heute über Impulskäufe abgesetzt. Das Kioskdesign muss sich also an 17 diesen spontanen Kaufentscheiden orientieren, indem die Titel einladend präsentiert werden und die Kunden leicht darin blättern können. Viele Valora-Kioske sind entgegen dieser Branchenregel wie Schalterhallen ausgestaltet.

Ebenso verheerend für die Verlage ist, dass Valora kein Verkaufssteuerungs-System hat, weil ihre IT dies seit Jahren verschlampt. Das führt beispielsweise dazu, dass ausverkaufte Kioske nicht mit Zeitungen und Zeitschriften nachbeliefert werden können.

Am 30. Januar ist die ausserordentliche GV von Valora angesetzt. Der Finanzinvestor Adriano Agosti wird versuchen, den Verwaltungsrat nach seinem Gusto umzubauen.

Für die vier grossen Deutschschweizer Verlage Ringier, Tamedia, NZZ-Gruppe und Axel Springer Schweiz ist dieser 30. Januar eine glänzende Gelegenheit. Wenn sie klug sind, tun sie sich zusammen, kaufen für 18 Millionen Franken zwei Prozent des Valora-Aktienkapitals und fordern einen Sitz im Verwaltungsrat. Wir sind ziemlich sicher, ein von ihnen benannter Vertreter – Michael Ringier, Pietro Supino oder Ralph Büchi – würde gewählt.

So wie wir unsere Verlage kennen, wird das nicht geschehen. Sie werden die Kioskkrise nicht zu beheben versuchen. Sie werden weiter über Valora jammern.

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