Nach Ende der Ausbildung hat sich der 34. Jahrgang der Henri-Nannen-Schule selbstständig gemacht – geschlossen. Mit der Gemeinschaft Kill Your Darlings versprechen die 20 jungen Journalisten ihren Auftraggebern präzise und multimediale Arbeit für „das beste Ergebnis“, wobei man sich dafür auch mal von Lieblingssätzen trennen muss. Das Motto von Kill Your Darlings lautet: „Es ist eine fantastische Zeit, um dabei zu sein.“
Im EJO-Interview erklärt Mitgründerin Kathrin Breer, warum es sich für angehende Journalisten gerade jetzt zur Krisenzeit lohnt, gemeinsam durchzustarten. Natürlich gibt es auch Hürden auf dem Weg zur Selbstständigkeit, die umschifft werden müssen – da ist geballte Kompetenz anstelle von Einzelkämpfertum das beste Mittel, glaubt Breer.
EJO: Frau Breer, Sie arbeiten nun seit knapp einem halben Jahr als freie Journalistin mit der Gemeinschaft Kill Your Darlings selbstständig – hatten Sie schon viele Gelegenheiten, Lieblingssätze zu killen?
Kathrin Breer: Ganz, ganz viele, mehr als ich allein hätte killen können! Ernsthaft, es kommt einiges an Aufträgen rein, und es finden sich auch immer Leute, die es machen können. Bisher läuft die Gemeinschaft also ohne große Eigenwerbung gut an – die erste PR-Kampagne bei potenziellen Auftraggebern soll jetzt erst noch kommen.
Wie kam es zu der Idee, als ganzer Jahrgang der Henri-Nannen-Schule auszugründen – gab es ein spezielles Schlüsselerlebnis, das Sie dazu bewogen hat?
Das eine Schlüsselerlebnis gab es eigentlich nicht, es war eher ein Prozess, der auch schon während unserer gemeinsamen Schulzeit eingesetzt hat. Wir hatten einige größere Projekte in der Ausbildungszeit, an denen wir mit 20 Leuten gemeinsam gearbeitet haben. Dabei haben wir gemerkt, dass das wunderbar funktioniert: In unserem Jahrgang fanden sich ganz verschiedene Talente und Interessen, die sich gut zusammenfügten.
Also war es Ihre Business-Idee, der Medienkrise breite Kompetenz anstelle von einzelnen Spezialisierungen entgegenzusetzen?
So etwas wie einen konkreten Businessplan gab es erstmal nicht, das hat sich irgendwie recht organisch entwickelt, im fließenden Übergang aus unserer Ausbildungszeit. Es gab vor einigen Jahren ein ähnliches Netzwerk aus einem Henri-Nannen-Schul-Jahrgang, Plan 17. Als die Idee für Kill your Darlings im Raum stand, haben wir einige Mitglieder von dieser Gemeinschaft in unser Seminar eingeladen, und sie haben uns sehr viele Tipps gegeben. Da haben wir uns einiges abgeguckt und an anderen Stellen entschieden, was wir bewusst anders machen wollen.
Plan 17 entstand aus dem 26. Jahrgang der Henri-Nannen-Schule, Sie sind der 34. Jahrgang. Was hat sich seitdem in der Medienbranche verändert – sprich: was wollten Sie bewusst anders machen?
Heute liegt der Fokus stärker auf multimedialer Aufbereitung als damals. Wir haben in der Schulzeit schon gelernt, Themenpakete für unterschiedliche Medienformen zu schnüren. Wir haben etwa ein Magazin mit dem Titel HafenMag erstellt, das sich rund um unseren Schulstandort Hamburg dreht. Da sind einige nachts übers verschneite Hafengelände gestapft und haben wunderbare Bilder und Videos mitgebracht. Andere haben sich in eine datenjournalistische Recherche über Transportwege von radioaktivem Material gestürzt. Was sich in der Summe ergibt, passt eigentlich ganz gut zur Entwicklung der Medienbranche in Richtung Multimedia. Und da liegt unser Vorteil gegenüber freien Journalisten, die einzeln arbeiten. Für sie ist es schwer, zeitnah an die passende Ausrüstung und das passende Team für ein Multimedia-Projekt zu kommen. Ich glaube aber, dass Redaktionen heute genau solche Projekte von freien Journalisten erwarten und auch bei aller Krisenrhetorik am ehesten nachfragen werden.
Kill Your Darlings: Die Mitbegründer der Gemeinschaft arbeiten von Hamburg, Berlin, Leipzig, München und Tel Aviv aus, feste Büros haben sie bisher noch nicht, laut Breer funktioniert die Kommunikation aber auch digital. Unter den 20 Jahrgangsmitgliedern sind sowohl festangestellte Journalisten, ausschließlich frei arbeitende Medienmacher und Personen, die in Formen dazwischen Platz gefunden haben – Mitglied können alle sein, auch wenn ihre Aktivität ruht.
Wie bereitet man so eine Gründung vor, welche Hürden gab es?
Wir hatten die Gelegenheit, mit Wolfgang Kiesel vom DJV darüber zu sprechen. Er hat uns einige wichtige Fragen aufgezeigt, etwa was die Rechtsform so einer Journalistengemeinschaft angeht. Denn natürlich muss man sich entscheiden, ob man als GmbH oder als GbR gründet, wie viel Haftung jeder einzelne übernimmt. Als wir alle Bausteine beisammen hatten, haben wir Teams gebildet: Einige haben sich Gedanken über unsere Website gemacht, andere haben sich um den Vertrag gekümmert und ihn aufgesetzt, dann gibt es noch ein PR-Team, das bald auch eine Offensive starten will. Ich bin als Schatzmeisterin mit den Finanzen betraut. Und dann haben wir gegründet, auf einem Wochenendtrip an die Ostsee haben wir feierlich auf unseren GbR-Vertrag angestoßen und die wichtigsten Fragen für uns beantwortet.
Sie sind also mit viel Arbeit in Vorleistung getreten, und mit Zeit, die Sie sonst für Aufträge hätten verwenden können. Gab es auch Zweifel, ob sich das wirklich lohnt?
Dieser Zeitaufwand gehört einfach dazu. Jeder Freie, der sich allein positionieren will, muss auch Kontakte aufbauen, sie pflegen, sich bekannt machen und bekannt halten. Es ist immer die Frage, wo da das richtige Maß liegt. Bisher kam zumindest bei mir selten der Konflikt auf, ob ich nun etwas für die Organisation von Kill Your Darlings mache oder einen Auftrag annehme. Einige von uns stecken schon viel Zeit rein, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sich jemand ausgenutzt fühlt. Es macht ja auch Spaß.
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