Konkurrenz vs. Kooperation

4. September 2014 • Medienökonomie • von

Grosse Schweizer Verlage wollen ihre Aktivitäten zusammenlegen. Wollen sie, oder müssen sie?

Seit dem bisher größten Coup ist es genau zwei Jahre her. Es war ein lohnender Coup, wie wir heute sehen.

Im Sommer 2012 kauften die beiden Verlage Ringier und Tamedia zusammen den Online-Stellenvermittler Jobs.ch. Sie bezahlten die enorme Summe von 390 Millionen Franken.

Seitdem betreiben sie die gemeinsame Stellen-Plattform unter dem Namen Jobcloud. In diesem Jahr wird ihr Joint Venture einen Umsatz von 90 Millionen und einen gewaltigen operativen Gewinn von 60 Millionen machen. Es ist damit das weitaus margenstärkste Produkt in den Portfolios der beiden Medienhäuser.

Interessant an der Story ist der Wandel der Branchenphilosophie. Verlage waren jahrzehntelang von einem ausgeprägten Rivalitätsdenken getrieben: Meine Zeitung kämpft gegen deine Zeitung, mein Magazin gegen dein Magazin, mein Sender gegen deinen Sender.

Nun ersetzen sie Konfrontation durch Kooperation. Wir erklären gerne, warum sich das gewandelt hat. Zuvor aber schieben wir noch ein aktuelles Beispiel für diese neue Kultur der Zusammenarbeit ein.

Ringier-Chef Marc Walder und Tamedia-Chef Christoph Tonini reden derzeit ernsthaft darüber, alle ihre Zeitschriften in ein gemeinsames Unternehmen einzubringen. Von Ringier kämen Titel wie Schweizer Illustrierte und Glückspost, von Tamedia Blätter wie Schweizer Familie und Annabelle in den vereinigten Topf.

Das würde Kostensenkungen von gegen zehn Millionen Franken bringen. Zudem könnte man große Werbekunden wie Procter & Gamble, Unilever und L’Oréal mit dem kollektiven Paket noch besser bedienen.

Weil Kooperation die Konkurrenz zunehmend ersetzt, verhandeln Ringier und Tamedia in der gleichen Fusionsfrage auch mit der Verlagsgruppe Axel Springer Schweiz. Die ist mit Magazinen wie Bilanz und Beobachter der dritte wichtige Spieler im Zeitschriftengeschäft.

Jeder gegen jeden, hieß es früher. Jeder mit jedem, ist das Gebot der Gegenwart.

Was sich in den Medien heute abspielt, liest sich wie eine Vorlesung in Wirtschaftsgeschichte. Medien waren in ihrer Historie stets ein Wachstumsmarkt. In Wachstumsmärkten herrscht immer Konkurrenz, weil die Kosten des Wettbewerbs durch das steigende Marktvolumen aufgefangen werden können. Dann, seit dem Jahr 2000, gerieten die Medien und vor allem die Presse in die Krise. In diesem sinkenden Marktvolumen können die Kosten des Wettbewerbs nun nicht mehr aufgefangen werden. Konkurrenz wird zu teuer, das führt zu Kooperation.

Krise heißt vor allem auch, dass sich die früheren Pressehäuser neue, rentable Geschäftsfelder erschließen müssen. Sie haben inzwischen dieses Modell gefunden. Ihre finanzielle Zukunft besteht in Online-Plattformen, auf denen sie kommerzielle Angebote wie Jobs, Immobilien, Autos, Tickets, Adressen, Finanzdienste, aber auch Schaumweine und Strumpfhosen vermarkten.

Das Problem ist nur, dass dieser Einstieg in neue Geschäftsfelder sehr teuer ist. Akquisitionen von digitalen Zukunftsfirmen, wie etwa Jobs.ch, sind so teuer, dass sie im Alleingang kaum mehr zu stemmen sind.

Das neuste Beispiel werden wir womöglich schon bald erleben. Ricardo.ch ist der erfolgreichste Anbieter im hiesigen E-Commerce, der von Windeln über Whirlpools bis Winterreifen alles verkauft. Er gehört dem südafrikanischen Medienkonzern Naspers. Naspers will sich aus der Schweiz zurückziehen und Ricardo.ch verkaufen. Der Preis wird hoch sein, weit im dreistelligen Millionenbereich.

Ich offeriere eine kleine Wette zu unserem Thema. Ringier und Tamedia werden zum Kauf von Ricardo ein gemeinsames Angebot einreichen.

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 28. August 2014

Bildquelle: 378322 / Pixabay.com

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