Der beste Journalist aus der Schweiz ist immer noch der heilige Franz von Sales.
Wie immer hatte Franz von Sales während Monaten zu wenig geschlafen. Mehr als vier bis fünf Stunden pro Nacht waren es nicht. Oft saß er spätabends noch schreibend am Pult und diskutierte auch nach Mitternacht gern mit Berufskollegen.
Kurz nach Weihnachten des Jahres 1622 rächte sich das rastlose Leben. Franz von Sales hatte einen Schlaganfall. Es war stressbedingt. Er starb mit nur 55 Jahren.
Der heilige Franz von Sales, früherer Fürstbischof von Genf, ist der Schutzpatron der Journalisten dieser Welt. Das ist er zu Recht. Er war ein journalistischer Vollprofi, von dem auch die heutigen Medienschaffenden eine Menge lernen können.
Zuerst einmal war er, wie kein anderer zu seiner Zeit, nur an der Einschaltquote orientiert. Als erster Kirchenführer setzte er voll auf die Massenmedien. Das waren im 17. Jahrhundert die Flugblätter. Er druckte seine Botschaften in Grossauflagen und verteilte sie kostenlos an Privathaushalte und in öffentlichen Räumen.
Die Journalisten unserer Gratisblätter sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Dann war er, wiederum anders als damals üblich, sehr an Schnellschüssen interessiert. Er legte jeden Tag mindestens zwei längere Texte hin, manchmal auch mehr, wenn man seine vielen Briefe mitrechnet. Als Vielschreiber reagierte er blitzschnell auf neue Trends. Er hatte kein Problem mit “voreiligen Veröffentlichungen”, wie er das nannte.
Die Journalisten unserer Internetportale sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Dann hatte er, anders als der damalige Zeitgeist, ein ausgeprägtes Flair für den Verkauf. 1602 erschien sein Buch “Philothea – Anleitung zum frommen Leben”. Es wurde zum krachenden Beststeller und zählt bis heute zu den Top Ten der religiösen Literatur. Sein Trick dabei: Er beschrieb weniger das fromme Leben als vielmehr die “Versuchungen”, die das fromme Leben bedrohen. Die Leser stürzten sich darauf.
Die Journalisten unserer Boulevardmedien sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Dann war er, anders als damals Usus, ein echter Recherchejournalist. In einem publizistischen Umfeld, in dem sich Katholiken und Calvinisten polemisch bekämpften, fühlte er sich nur der Wahrheit verpflichtet. Bevor er schrieb, recherchierte er stundenlang. “Schweigen hiesse zustimmen” war sein Motto, und darum kritisierte er auch das eigene Lager. Andere Bischöfe hielten seine Artikel darum für Teufelswerk.
Die Journalisten unserer Tageszeitungen sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Dann spielte er, anders als die Sitte seiner Zeit, nie auf den Mann. Er benannte zwar stets die Missstände in Politik und Kirche. Er tat es schonungslos auch vor Machtträgern wie Päpsten und Königen. Aber er blieb stets auf der Sachebene und attackierte nie die Person. Seine Devise war: “Behandle die Sünde scharf, den Sünder aber milde.”Die Journalisten unserer TV-Magazine sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Dann war er, anders als damals die Regel, ein chaotischer Bohémien. Er war im Dauerstress, immer unter Produktionsdruck, immer auf Reisen und auch als Fürstbischof immer knapp bei Kasse. Rechnungen bezahlte er oft nicht, Zeit zur Entspannung hatte er nie. Und er war dauernd von hübschen Frauen umgeben. Auf die Mauern eines Frauenklosters nahe Genf pinselte einer den Satz: “Das ist der Privatharem des Bischofs.” Seine Nähe zu Frauen konterte er journalistisch geschickt. Er sagte: “Das war bei unserem Heiland auch der Fall.”
Die Journalisten unserer People-Zeitschriften sollten täglich zu Franz von Sales beten.
Amen.
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 11. Juni 2015, S. 33
Bildquelle: blu-news.org/flickr.com
Schlagwörter:Franz von Sales, Fürstbischof von Genf, katholische Kirche, Schutzpatron der Journalisten