Zum Ersten, zum Zweiten . . .

23. Mai 2011 • Medienökonomie, Ressorts • von

Picasso, Patek Philippe und nun Tele Züri. Wir bieten mit in einer Live-Auktion der Medienwelt.

Eine Auktion ist etwas anderes als ein Verkauf. Bei einem Verkauf wird gekauft. Bei einer Auktion wird oft nur so getan, als würde gekauft. Bei einer Auktion sind viele dabei, die gar nicht kaufen wollen. Sie bieten nur mit, weil sie die prickelnde Atmosphäre der Versteigerung erleben wollen.

Wenn es an der Auktion in die finalen Angebotsrunden geht, dann geben die Zaungäste auf. Sie wollten den Picasso oder die Patek Philippe gar nicht kaufen. Sie wollten nur dabei sein bei der prickelnden Atmosphäre der Auktion.

Genauso ist es derzeit in der Medienwelt. Tamedia bietet ihre vier TV- und Radiostationen feil. Die bekanntesten Objekte sind Radio 24 und Tele Züri. Es ist die größte öffentliche Versteigerung der Schweizer Mediengeschichte. Um die dreißig Interessenten haben sich bei Tamedia gemeldet, die meisten für den Radiobereich.

Dass die Lizitation überhaupt stattfindet, hat mit der eher exotischen Strategie von Tamedia zu tun. Als fast einziger Medienkonzern dieses Planeten wollen die Zürcher kein TV- und kein Radiogeschäft betreiben. Das ist ungewöhnlich. Nur ganz wenige Verlage wie etwa die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung sind in den elektronischen Medien ebenfalls nicht vertreten.

Der Grund für die Auktion ist pekuniärer Natur. Tamedia ist auf hohe Margen aus. Ziel sind fünfzehn Prozent Umsatzrendite oder noch besser. Diese Vorgabe erfüllen Radio und Fernsehen nicht. Auch in zehn Jahren ist es dem Tamedia-Management erstaunlicherweise nicht gelungen, den TV-Sender Tele Züri aus den roten Zahlen zu bringen.

Also, weg damit. Das Tamedia-Management zeichnet sich durch sein hohes Niveau an Nüchternheit aus. Prestigedenken und Außenwirkung, sonst verbreitete Parameter in der Medienbranche, interessieren nicht. Es zählen die Zahlen.

Bei vielen Teilnehmern an dieser Auktion ist es gerade umgekehrt. Sie sind interessiert an Fernsehen und Radio, weil sie eine Möglichkeit zu Profilierung und Politik sehen. Medien sind sexy. Medien sind den Airlines und den Hotelketten verwandt. Man kauft sie nicht, weil sie Geld und Einnahmen, sondern weil sie Glamour und Einfluss versprechen.

Interessiert am Kauf der vier Radio- und TV-Assets ist darum eine Gruppe um Christoph Blocher, die aus rund zehn Politikern und Unternehmern besteht. Sie möchten FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger gerne als künftigen CEO sehen. Blocher ist klug genug, nicht selber als Lokomotive aufzutreten. „Wenn ich kaufe“, sagt er, „dann gibt das nur wieder ­einen Riesenmais.“ Er kann sich aber vorstellen, so um die zwanzig Prozent zuzuschießen, wenn das Konsortium Liquidität benötigt.

Überlegungen macht sich auch eine Gruppe um die Investoren Philippe Gaydoul, Thomas Matter und Giorgio Behr. Auch Ex-Nationalrat Peter Weigelt mischelt hier mit. Es wird viel geredet und telefoniert. Wir glauben allerdings nicht recht, dass etwas daraus wird.

Dann gibt es noch die brancheninternen Anwärter. Favorit ist Ringier. Im Gegensatz zu Tamedia will Ringier auf den weißen wie den schwarzen Tasten spielen, also Information wie Unterhaltung bieten. Marc Walder, Ringiers schnelldenkender Schweiz-Chef, möchte Tele Züri vom verstaubten News-Sender zum flotten Entertainment-Kanal umpositionieren.

Egal, wer den Zuschlag bekommt, für Tamedia läuft die Sache wunderbar. Es ist das wunderbare Gesetz von Auktionen, dass der Preis umso stärker steigt, je größer die Anzahl an echten und falschen Bietern ist. Tamedia wird bei seiner Auktion um die fünfzig Millionen Franken bekommen.

Zurück zum Anfang: Eine Auktion ist etwas ganz anderes als ein Verkauf.

Erstveröffentlichung: Weltwoche Nr. 20 / 2011

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