PR auf dem Weg zur Professionalisierung

30. Januar 2004 • PR & Marketing • von

Neue Zürcher Zeitung, 30. Januar 2004

Eine Analyse der deutschen Verhältnisse
Fast zeitgleich zur Studie der Zürcher Kommunikationsforscher Ulrike Röttger, Jochen Hoffmann und Otfried Jarren, die erstmalig empirisch die Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit in der Schweiz analysierten, ist eine Analyse von Edith Wienand erschienen, die der Professionalisierung von Public Relations in Deutschland in bis dato nicht bekannter Gründlichkeit nachspürt.

Edith Wienand zeigt in ihrem Buch, wie sich das Berufsfeld Public Relations im vorigen Jahrhundert entwickelte, wie sich Aufgaben, Ausbildung und Anforderungsprofile veränderten. Als eigenen empirischen Beitrag legt sie die Ergebnisse einer Befragung von PR-Praktikern aus dem Jahr 2000 vor. Besonders verdienstvoll ist darüber hinaus eine Synopse, die die Erkenntnisse aus neueren Dissertationen, Magister- und Diplomarbeiten zum Berufsfeld PR zusammenfasst.

Firmen besser gerüstet als Behörden

Laut Wienand sind Unternehmen (vor allem grössere ab 250 Mitarbeiter) immer noch besser für die öffentlichkeitsarbeit gerüstet als Behörden und Nonprofitorganisationen, im übrigen ebneten sich die Unterschiede bei PR-Aktivitäten jedoch tendenziell ein. «Insgesamt können wir eher eine Grenze zwischen Unternehmen und Nonprofitorganisationen auf der einen und Agenturpraktikern sowie selbständigen PR-Beratern auf der anderen Seite ziehen», resümiert die Autorin. Auch zwischen dem Alltagsgeschäft und dem Anspruch vieler PR-Experten, das Kommunikationsmanagement strategisch mitzugestalten, klaffe nach wie vor eine Lücke. Weder verfügten die PR-Stäbe gegenüber den Medien und Journalisten über das dafür erforderliche «Informationsmonopol» bei ihren Institutionen, noch hätten PR-Führungskräfte gesicherten Zugang zu den Entscheidungsgremien.

Die Autorin stellt auch klar, dass trotz erkennbaren Professionalisierungstendenzen sich die PR nach den vorliegenden Befunden nicht zu «einer Profession im klassischen Sinne» entwickeln könnten. Dafür fehle es unter anderem an Regeln für den Zugang zum Beruf, einer gesicherten Wissensbasis, Selbstkontrollinstanzen und professioneller Autonomie.

Wienand erwartet, dass die Ausgaben für öffentlichkeitsarbeit bei Unternehmen in den nächsten Jahren deutlich weiterwachsen werden, während sie sich im öffentlichen Sektor angesichts leerer Kassen nur minimal erhöhen werden. – Ob diese Prognose stimmt, bleibt abzuwarten. Zumindest in Deutschland waren in jüngster Zeit – etwa bei der Arbeitsverwaltung – Tendenzen erkennbar, mangelnde substanzielle Leistungen durch erhöhten PR-Aufwand zu übertünchen. Dass dies gelingen kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die Journalisten solche Entwicklungen weiterhin skandalisieren oder ob sie demnächst selbst so am Tropf der öffentlichkeitsarbeit hängen, dass derlei kritische Nachfragen ausbleiben.

Noch eine «Entenwissenschaft»?

Die schönste Pointe des Buchs steht bereits im Vorwort. Dort geht Klaus Kocks, der frühere PR- Chef der Volkswagen AG, der Frage nach, ob es eine «PR-Wissenschaft» geben könne. Er rückt die Dinge in ähnlich erfrischender Klarheit zurecht, mit der einst der Soziologe Ferdinand Tönnies der Zeitungswissenschaft ihren Status als eigenständige Disziplin verweigerte. Spottete dieser noch vieldeutig, dann könne man ja auch eine «Entenwissenschaft» etablieren, so vergleicht Kocks nicht minder doppelsinnig seine Zunftkollegen mit den wohl schönsten aller Insekten, den Schmetterlingen. Der sie sammelnde Forscher «weist den bunten Wesen einen Ort zu, der ihm dann die diskursive Behandlung der gesamten Insektenwelt erlaubt; er weiss, dass sein Bestimmbuch nicht die Wirklichkeit selbst ist, aber er weiss auch, dass er die intellektuelle Ordnung nicht den Schmetterlingen selbst überlassen kann». Dass die PR-Praktiker in ihren (Selbst-) Darstellungsversuchen in «berufsnotorischer Emphase von einem gewichtigen <eigenen> Gegenstand und einem gewichtigen <eigenen> Fach» ausgingen, könne den Wissenschafter als Phänomen interessieren, sei aber keine hinreichende Legitimation, so Kocks.

 

Edith Wienand: Public Relations als Beruf. Kritische Analyse eines aufstrebenden Kommunikationsberufs. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003.

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