Der Papst schenkte uns ein Bild zum Abschied: In Freiburg predigte er über die Krise des Glaubens und führte sie zurück auf „Routiniers in den Kirchen“ und auf „laue Christen“.
Dieses Bild lässt sich übertragen auf einen Teil der Berichterstattung über den Deutschlandbesuch des Papstes: Die Krise des Journalismus ist zu einem guten Teil zurückzuführen auf „laue Journalisten“ und Routiniers in den Redaktionen. Ein paar Beispiele. Die „taz“ wollte wohl routiniert-cool wirken, als sie einen Bericht über den Papstauftritt vor dem deutschen Parlament mit dem Bild des spitzohrigen, kleinen Jedi-Meisters Yoda –Überschrift „Religionsführer im Bundestag“ – bebilderte.
Warum? Würde man das bei anderen Staatsoberhäuptern oder Religionsführern ebenso machen? Ist das guter Journalismus? Es ist lauer Journalismus, schlicht: albernes Kalauern, um bestimmte Routinen und Klientele zu bedienen.
„Es war eine Sternstunde des Parlaments, der Philosophie – und des Papsttums“ schwärmte die „Berliner Zeitung“ über die Papstrede im Bundestag. Logisch, Journalisten dürfen begeistert sein. Doch spätestens bei solchem Schwelgen stelle ich die Gretchenfrage und will vom Autor wissen: Wie hält er’s mit der Religion? Ist er katholisch, evangelisch, Muslim, in keiner Kirche? Beeindruckte ihn der Auftritt? Oder ist er „Partei“?
„Bild“ feierte ihre alte Schlagzeile „Wir sind Papst“ mit routiniert-notorischem Hohelied, Riesenplakat am Springer-Hochhaus und Franz Wagners Bann-Kolumne, in der er den Papst um ein Gebet für den „Spiegel“-Chefredakteur bat wegen des Titels „Der Unbelehrbare“ und Frank Plasberg für die Talk-Überschrift „O Gott, der Papst kommt“ verdammte: Es sei „erbärmlich“, den Papst anzukündigen, „als käme der Leibhaftige, der Teufel“. Nein. Erbärmlich ist diese Interpretation – und lau.
Private wie öffentlich-rechtliche Sender fielen in stundenlange, laue Papst-Total-Live-Routinen. Dafür wurde sogar die sonst fast unverrückbare Hauptausgabe der „Tagesschau“ verschoben. Heiße Luft und heilige Einfalt lagen nah beieinander. Als der Papst die Scheiben seines Papamobils runterkurbelte, entschlüsselte dies ein TV-Journalist als „Zeichen des Vertrauens“. Hier, inmitten der Gläubigen bedürfe er offenbar dieser paar Zentimeter Panzerglas nicht…
Journalisten müssen informieren, kritisieren, wachsam sein, Position beziehen. Dazu gehört nicht, eigene Verunsicherung auf andere abzuladen, manchen Menschen mit Häme und Spott zu begegnen, seien sie nun Pontifex oder Politiker. Berufliche Verpflichtung ist auch zu reflektieren: Lasse ich mich hinreißen? Verfalle ich in Routinen? Die „Welt“ schrieb: „Alle Auftritte des Papstes sind eine einzige Aufforderung, sich der Basis des Glaubens neu bewusst zu werden.“ Manche Medienberichte über den Papstbesuch können auch als Aufforderung gelesen werden, sich der Basis des Journalismus wieder bewusst zu werden.
Erstveröffentlichung: Kölner Stadt-Anzeiger vom 28.9.2011
Schlagwörter:Berichterstattung, Berliner Zeitung, Bild, Deutschlandbesuch, Frank Plasberg, Medienberichte, Papst, Spiegel, Taz, Welt