Zwei Ökonomen, James Snyder Jr. vom MIT und David Strömberg von der Universität Stockholm haben indes genau den von Schudson/Haas eingeforderten „ Beweis“ geführt. Sie haben verglichen, wie sich die Intensität der Berichterstattung über amerikanische Kongressabgeordnete auf den Informationsstand der Wähler, aber auch auf die Aktivität der Politiker selbst auswirkt: Die beiden Forscher haben dafür (Online-) Ausgaben von 161 Zeitungen über 10 Jahre hinweg untersucht.
Ihr „Trick“: Stimmen der Einzugsbereich einer Zeitung und der Wahlkreis geografisch überein, so berichtet die Zeitungs-Redaktion weit häufiger über „ihren“ Abgeordneten als dort, wo diese Grenzen auseinander fallen. Der Vergleich der beiden Datensätze ermöglicht erstaunliche Rückschlüsse: Können die Wählerinnen und Wähler die Aktivitäten ihrer Abgeordneten in der Lokalpresse kontinuierlich mit verfolgen, sind nicht nur die Stimmbürger besser informiert. Auch die Abgeordneten verhalten sich dort, wo die mediale Kontrolle funktioniert, anders: Sie halten sich zum Beispiel weniger loyal an ihre Parteilinien, und sie engagieren sich häufiger in Parlaments-Kommissionen, die sich um regionale und lokale Anliegen in ihren Wahlkreisen kümmern. Der Einsatz macht sich unmittelbar bezahlt: Die (bundes-)staatlichen Ausgaben für den jeweiligen Wahlbezirk sind tendenziell höher, wenn „ökonomische“ und „politische Geographie“ übereinstimmen und somit „zu Hause“ häufiger über den Volksvertreter berichtet wird.
Zu dumm nur, dass die amerikanischen Zeitungen inzwischen sowohl in Washington als auch in den Hauptstädten der US-Einzelstaaten fast all ihre Korrespondenten wegrationalisieren, die bisher für die „segensreiche“ lokalbezogene Politikberichterstattung gesorgt und die Wähler über die Aktivitäten ihrer Abgeordneten informiert haben. Das beängstigende Zahlenwerk hierzu liefern Jennifer Dorroh in der jüngsten Ausgabe des American Journalism Review sowie das Project for Excellence in Journalism in seinem Sonderbericht zur Situation des Pressecorps in der amerikanischen Hauptstadt. Demnach hat sich die Zahl der US-Zeitungen, die in Washington ein Korrespondentenbüro unterhält, seit den achtziger Jahren halbiert. Nicht minder dramatisch hat die Zahl der Reporter, die für Newsletter und ähnliche Special-Interest-Medien arbeiten zugenommen, ebenso wie die Zahl der ausländischen Korrespondenten, die sich innerhalb von zwanzig Jahren nahezu verzehnfacht hat (vgl. Abbildung).
Ein paar Beispiele: Ein neuer Newsletter zum Klimaschutz, ClimateWire, leistet sich in der amerikanischen Hauptstadt doppelt so viele Korrespondenten wie der News Service von Hearst, der 16 Tageszeitungen zu versorgen hat. Die grösste Zahl der Journalisten, die sich mit der US-Bundespolitik beschäftigen, unterhält nicht etwa die Nachrichtenagentur ap oder die Washington Post, sondern der Nischenanbieter Congressional Quarterly, der mit mehreren Newslettern und Online-Informationsdiensten wie CQ Budget Tracker und CQ Senate Watch seinen kleinen und zahlungskräftigen Kundenstamm mit Insider-Nachrichten versorgt.
Quellen:
Michael Schudson/Danielle Haas: Feet to the Fire, Columbia Journalism Review January/February 2009
Jennifer Dorroh, Statehouse Exodus, in: American Journalism Review, May/June 2009
Project for Excellence in Journalism: The New Washington Press Corps, February 2009
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