Eins der großen Medienthemen der letzten Monate war das schwindende Vertrauen eines Großteils der Bevölkerung in die Berichterstattung der Massenmedien in Deutschland. Aber ist der Alarm überhaupt gerechtfertigt?
Das Wort „Lügenpresse“ machte zahlreiche Schlagzeilen und wurde sogar zum Unwort des Jahres 2014 erklärt. Vor allem auf den Demonstrationen der Pegida- und AfD-Anhänger wird der Begriff „Lügenpresse“ oft in Sprechchören skandiert und schallt von da über die Fernsehbildschirme in die ganze Republik. Das Wort „Lügenpresse“ ist gleichsam das Symbol für ein gestörtes Verhältnis der Bürger zu den Massenmedien und damit auch direkt zur Mediendemokratie. Mit dem Begriff „Lügenpresse“ wird den etablierten „Mainstream-Medien“ unterstellt, ihre Berichterstattung sei politisch gefärbt und von oben gesteuert.
Um zu klären, ob das Vertrauen in die Medien aber wirklich auf einem Tiefpunkt ist, bedarf es eines Vergleichs mit den letzten Jahren. Hierfür soll auf Daten des Eurobarometers zurückgegriffen werden. Das Eurobarometer ist eine jährlich von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene öffentliche Meinungsumfrage in den Ländern der EU. Eine der Fragen befasst sich mit dem Vertrauen in Institution, u.a. Presse, Radio und TV. In Deutschland werden hierfür von TNS Infratest seit 16 Jahren mehr als 1.000 Personen befragt.
Vertrauen in Medien ist stabil
Im Herbst 2015 vertrauen nur 46 Prozent der Befragten der Presse, 49 Prozent misstrauen ihr. Die übrigen fünf Prozent antworten mit „weiß nicht“. Das heißt, dass das Misstrauen überwiegt. 2014 haben nur 45 Prozent der Presse misstraut und 47 Prozent haben ihr vertraut. Das Vertrauen in die Presse ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr also tatsächlich zurückgegangen. Betrachtet man das Medienvertrauen über einen längeren Zeitraum von 2000 bis 2015 ist dies jedoch kein Grund, Alarm zu schlagen: Das Misstrauen war von 2000 bis 2003 und von 2006 bis 2008 auch schon größer. Im Jahr 2000 vertrauten nur 30 Prozent der Befragten der Presse. Der Anteil der Befragten, die der Presse trauen, erreichte nur selten einen Wert, der über dem von 2015 liegt, nämlich 2004, 2005, 2009-2012 und 2014. Das heißt, dass nur in sieben von 16 untersuchten Jahren das Vertrauen in die Presse größer war als 2015.
Der Rückgang des Vertrauens in die Medien im Jahr 2015 ist auch bei Fernsehen und Radio feststellbar, wenngleich es auch hier nicht dramatisch zurückgegangen ist. Die Werte sind über die letzten 16 Jahre jedoch erheblich höher als bei der gedruckten Presse. Dem Fernsehen vertrauen 2015 noch 55 Prozent der Befragten und dem Radio 60 Prozent.
Das Vertrauen in die Presse in Deutschland ist im europäischen Vergleich hoch. Der Anteil der Befragten, die der Presse vertrauen, liegt drei Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Beim Fernsehen liegt das Vertrauen in Deutschland sogar sechs Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt, beim Radio sind es fünf Prozent über dem EU-Durchschnitt.
Links und rechts ist das Misstrauen besonders groß
Um zu klären, bei welchen Menschen das Misstrauen in die Presse besonders groß ist, wurde auf die Mikrodaten des Eurobarometers von 2014 zurückgegriffen. Für 2015 liegen diese noch nicht vor.
Es zeigt sich, dass das Vertrauen in die Presse besonders bei den Menschen besonders gering ist, die eher stark links oder stark rechts im politischen Spektrum stehen. 62,0 Prozent der Menschen, die sich als sehr links einordnen, misstrauen der Presse und 63,6 Prozent der Menschen, die sich als sehr rechts einordnen. Die politische Mitte der Bevölkerung vertraut der Presse mehrheitlich mit einem Anteil von 52,1 Prozent. Das Misstrauen der Menschen in die Presse hängt demnach von ihrer politischen Einstellung ab und ist zudem kein Phänomen, das allein in der rechten Ecke der Gesellschaft auftaucht.
Übrigens ist das Vertrauen ins Fernsehen bei diesen Gruppen erheblich größer als in die Presse und erreicht Werte von 50,6 Prozent bei den extrem links eingestellten und 54,6 Prozent bei den extrem rechts eingestellten Befragten.
Die wirtschaftliche Situation der Befragten hat ebenfalls einen maßgeblichen Einfluss: 57,4 Prozent der Befragten, die ihre eigene finanzielle Situation als sehr gut bezeichnen, vertrauen der Presse. Bei den Befragten, die ihre wirtschaftliche Lage als sehr schlecht bezeichnen, sind es nur 23,7 Prozent. Bekannt ist, dass mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage generell das Vertrauen in politische Institutionen sinkt. Dies gilt auch für die Presse.
Die Mikrodaten zeigen auch, dass das Alter beim Misstrauen gegenüber der Presse keine erkennbare Rolle spielt. Es gibt keine gravierenden Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Bei den 15- bis 24-Jährigen vertrauen 49,2 Prozent der Presse. Der Wert steigert sich leicht mit dem Alter bis zu 53,2 Prozent bei den 45- bis 54-Jährigen und fällt dann wieder auf 49,4 Prozent bei den Befragten, die älter als 65 Jahre sind. Auch das Geschlecht der Befragten hat keinen erkennbaren Einfluss, der Unterschied zwischen Männern und Frauen misst beim Vertrauen in die Presse nur 0,5 Prozent.
Lügenpresse? Eine Frage des Wohnorts
Die Daten des Eurobarometers lassen auch Unterschiede im Misstrauen gegenüber der Presse zwischen Gemeinden unterschiedlicher Größe erkennen. In Städten mit zwischen 5.000 und 100.000 Einwohnen herrscht mehrheitlich Misstrauen gegenüber der Presse. In Gemeinden mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern ist das Misstrauen gegenüber der Presse am größten, 59,3 Prozent der Befragten aus diesen Gemeinden misstrauen der Presse. In kleineren Gemeinden und Großstädten über 100.000 Einwohnern ist das Vertrauen in die Presse größer.
Einen wesentlichen regionalen Unterschied kann man in Deutschland beim Vertrauen in die Presse im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland feststellen. In den ostdeutschen Bundesländern (mit Berlin) vertrauen nur 41,8 Prozent der Befragten der Presse, 58,2 Prozent misstrauen ihr. In den westdeutschen Bundesländern überwiegt das Vertrauen mit 53,3 Prozent und das Misstrauen liegt bei nur 46,7 Prozent. Das starke Misstrauen in die Presse in Ostdeutschland ist alarmierend.
Der Anteil der Befragten, die extreme Positionen im Links-Rechts-Spektrum einnehmen, und der Anteil der Befragten, die ihre eigene wirtschaftliche Situation als schlecht beurteilen, sind in den ostdeutschen Bundesländern bekanntermaßen ebenfalls höher als in den westdeutschen. Die Variablen, von denen ein Einfluss auf das Vertrauen in die Presse ausgeht, hängen zusammen. Das Misstrauen gegenüber der Presse in Ostdeutschland ist Ausdruck von Enttäuschung, die in generellem Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen mündet.
Dies trifft allerdings die Presse stärker als andere Medien. Dem Fernsehen wird in Ostdeutschland bei 60,2 Prozent der Befragten vertraut. Der Unterschied zu Westdeutschland beträgt nur 1,5 Prozent. Auch dem Radio vertraut man in Ostdeutschland mehrheitlich mit 61,1 Prozent, in Westdeutschland vertrauen ihm 68,1 Prozent.
Keine neue generelle Vertrauenskrise
Wie die verfügbaren Langzeitdaten zeigen, ist das Vertrauen in die Presse in Deutschland nicht dramatisch eingebrochen. Gerade bei den Menschen in der politischen Mitte genießt die Presse nach wie vor ein großes Vertrauen. Allerdings ist das Vertrauen in die Presse bei Menschen, die sich im politischen Spektrum als sehr links und sehr rechts einordnen, gering. Dass dieser Personenkreis von „Lügenpresse“ spricht, ist ein weit bekanntes Muster: Gerade Populisten und Extremisten am rechten wie linken Rand des politischen Spektrums sehen in der Presse oft „Systemmedien“, welche das gegenwärtige „kapitalistische politische System“ stützen. Rund 40 Prozent der Pegida-Anhänger stufen sich als rechts ein. Umfragen zeigen außerdem, dass mehr als jeder fünfte befragte Pegida-Anhänger deutliche Kritik an der Arbeit von Journalisten übt. Dabei steht insbesondere der Vorwurf der Tendenzberichterstattung im Raume.
Bekannt ist, dass mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage generell das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, also auch die Massenmedien, sinkt. Insofern verwundert es nicht, dass Menschen wenig Vertrauen in die Medien haben, wenn sie ihre wirtschaftliche Lage als schlecht einstufen. Auch dass in den ostdeutschen Bundesländern das Vertrauen in die Medien sehr gering ist, verwundert nicht. Die Menschen in Ostdeutschland sind bekanntlich mit dem Funktionieren der Demokratie grundsätzlich unzufriedener als die Menschen in Westdeutschland. Auch das Institutionenvertrauen ist geringer. Das spiegelt sich auch in einem geringeren Vertrauen in die Medien nieder. Von einer neuen generellen Vertrauenskrise in die Medien in Deutschland kann angesichts der Langzeitdaten nicht gesprochen werden. Insofern kann die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion über die Arbeit der Journalisten schon fast als hysterisch bezeichnet werden, und es wäre ratsam, Dampf aus der Debatte zu nehmen.
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