Medien in Griechenland – Krise, Politisierung und fehlende Strukturen

29. Juni 2023 • Aktuelle Beiträge, Internationales, MediaDelCom • von

Dieser Beitrag ist Teil der Mediadelcom-Reihe.

Bildquelle: Pixabay

Geschrieben von Paul Horst, Henri Schlund und Dominik Hamers

Als Teil von MEDIADELCOM untersuchten die Rechtswissenschaftlerin Evangelia Psychogiopoulou und die Politikwissenschaftlerin Anna Kandyla die griechische Medienlandschaft. Dieser Artikel soll die zentralen Ergebnisse ihrer Forschung zusammenfassen und geordnet darstellen. Das griechische Mediensystem steht vor großen Herausforderungen im Bereich der Gesetzgebung und Regulierung, aber auch in der Ausbildung und Forschung.

Zwischen Krise und Politisierung

Seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert war die griechische Presse traditionell eng verbunden mit den politischen Parteien. Zeitungen vermittelten die Positionen der Parteien, denen sie angehörten oder denen sie nahestanden. Berichterstattung, die den Anspruch hatte, über einzelne politische Lager hinauszugehen, war eine Seltenheit.

Erst das späte 20. Jahrhundert brachte eine Veränderung. Diese begann langsam, nahm mit der Zeit aber Fahrt auf. Auf das Ende der Militärdiktatur 1974 und die Etablierung eines demokratischen Systems folgte die Deregulierung und Privatisierung des Medienmarkts. Ab 1980 entstand der private Rundfunk. Die neue griechische Medienlandschaft blieb durch die traditionellen großen Medien geprägt. Diese spielten auch weiterhin eine wichtige Rolle, aber es kamen neue Mitbewerber hinzu.

Der nächste Umbruch sollte erst auf die Finanzkrise 2008 folgen, die Griechenland tiefgreifend und hart traf. Viele Medienhäuser gingen während der Krise Konkurs und unter Journalist:innen grassierte eine extrem hohe Arbeitslosigkeit. Die Krise hat bis heute einen starken negativen Einfluss auf den griechischen Medienmarkt. Die Medienhäuser, die die Krise überlebten, näherten sich daraufhin wieder der Politik an oder wurden in ihrer Schwächephase für politische Zwecke benutzt.

Neue Chancen im Online-Markt?

Verschiedene Regierungen versuchen seitdem, die Medienlandschaft zu restrukturieren. Im Jahr 2013 beschloss die linke Koalition unter der Führung Syrizas die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ERT und führte die staatliche Rundfunkanstalt Nerit (Mai 2014-Juni 2015). ein. Im Zuge des Regierungswechsels 2015 wurde ERT dann wieder in einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk umgewandelt. Daran zeigt sich: der klassische unabhängige Medienmarkt funktioniert derzeit nur bedingt. Die Abhängigkeit der Medien von der Politik ist stark und die traditionellen Finanzierungsmodelle rentieren sich nicht.

Im Kontrast dazu hat Online-Werbung auch in Griechenland in den letzten 15 Jahren an Bedeutung gewonnen. Neue Akteur:innen kamen dazu, vor allem Online-Medien. Diese brachten, da sie natürlich im Bereich des digitalen Marketings verankert sind, Fortschritte bei der Produktion von Inhalten und Werbeangeboten auf dem Online-Markt. Online-Medien verfolgen insgesamt einen kritischeren und „investigativeren“ Kurs als die klassischen Medien.

Fehlender rechtlicher Schutz der Pressefreiheit    

Die schwierige Lage der griechischen Medienlandschaft spiegelt sich auch in seiner Positionierung im weltweiten Länder-Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen wider. Im Jahr 2020 belegte das Land nur Platz 108 von 180. Das ist nicht nur bei weitem das schlechteste Ergebnis eines europäischen Landes, es zeigt auch einen massiven Rückgang der Pressefreiheit im Vergleich zu den Vorjahren. So konnte sich Griechenland 2019 noch Platz 70 sichern. Dieses schlechte Ergebnis ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass Medien und Politik weiterhin stark verflochten sind und der unabhängige Journalismus durch die schwierige Beschäftigungslage gefährdet ist, sondern auch auf die Gesetzgebung.

Die Mediengesetzgebung spielt eine wichtige Rolle. Zwar verfügt Griechenland durchaus über eine in der Verfassung verankerte Presse- sowie Meinungs- und Informationsfreiheit     . Dennoch fällt Griechenland in der Mediengesetzgebung hinter andere europäische  Länder      zurück.

So existiert zum Beispiel kein Gesetz, das einen effektiven Schutz von Whistleblowern sichert. Quellenschutz ist damit nur indirekt gewährleistet, was es für potentielle Quellen unattraktiv macht, sich dem Risiko auszusetzen. Ein weiteres Problem ist die Abwägung zwischen freier Meinungsäußerung und den Persönlichkeitsrechten. Journalist:innen werden regelmäßig wegen angeblicher Verleumdung und Beleidigung angezeigt. Die rechtlichen Kompetenzen des Staates werden hierbei sogar zum Nachteil der journalistischen Berichterstattung ausgeweitet, wogegen Presseverbände in der Vergangenheit protestierten. Auch die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Respekt und Schutz des Privatlebens und persönlicher Daten bleiben Konfliktpunkte, weswegen sich Journalist:innen immer wieder vor Gericht verantworten müssen. Zwar entscheiden Kontrollinstanzen auf dem Papier oft zugunsten der Presse, doch die Mühlen der Gerichte mahlen langsam und sind oft ineffizient.

Medienregulierung: Fehlende Strukturen    

Ein weiteres Problem ist im Bereich der Medienselbstregulation zu verorten. Während es in Deutschland beispielsweise schon seit Jahrzehnten einen nationalen Presserat und einen Pressekodex gibt, existiert in Griechenland erst seit 1990 ein Verhaltenskodex für Journalist:     innen. Dieser beinhaltet einige grundlegende Regeln, die im Umgang mit der Bevölkerung zu beachten sind, aber auch Impulse für das Selbstverständnis der Medienschaffenden.

Das letzendliche Ziel der damaligen Bewegung, die den Verhaltenskodex eingeführt hat, war der Aufbau eines Presserats ähnlich dem Vorbild anderer Staaten, wie zum Beispiel Deutschland     . Dieses Ziel wurde allerdings nie erreicht. Bis heute gibt es keinen Presserat in Griechenland. Stattdessen entscheiden die Journalist:innengewerkschaften selbst über Maßnahmen bei Verstößen der eigenen Mitglieder. Die Probleme dabei sind offensichtlich: Arbeitgeber:innen sind bei Fehlverhalten außen vor, die Journalist:innen tragen die volle Verantwortung. Außerdem kann nur gegen Mitglieder der Gewerkschaft vorgegangen werden und es ist unklar, wo sich Bürger:innen bei Fehlverhalten beschweren können.

Nichtsdestotrotz verfügt der Rundfunk über einen Nationalen Rat für Radio und Fernsehen. Dieser kann theoretisch Strafen verhängen, ist allerdings unterfinanziert und dadurch fehlen ihm oft die Mittel. Bei den neuen Medien gibt es ebenfalls keine wirksamen (Selbst-)Regulierungsmaßnahmen.

Ausbildung und Forschung: Fehlende Mittel, alte Ansätze    

Weitere Schwierigkeiten existieren auf der Ebene von Ausbildung und Forschung. Schon lange fordern griechische Journalist:innen neue Bildungsansätze und bessere Ausbildungsstrukturen für angehende Journalist:innen. Auch im Bereich     der Medienforschung braucht es mehr Unterstützung seitens des Staates. Während Forschung zu Medienrecht und -ethik sowie zu Journalismus gut etabliert ist, bleibt die Mediennutzung und Medienbildung unterdurchschnittlich erforscht. Hier besteht Nachholbedarf.

Doch ob dieser Bedarf gestillt werden kann, hängt auch an den finanziellen Mitteln. Und da ist     die Lage in Griechenland weiterhin prekär. Denn das Land und sein Mediensystem hat noch immer mit einer wirtschaftlichen Krise zu kämpfen, die massive Auswirkungen auf die Qualität des Medienangebotes hat. Doch findet dieses Problem weder viel politische noch gesellschaftliche Aufmerksamkeit. So sind baldige Verbesserungen aus sich selbst heraus in Griechenland nicht zu erwarten. Lediglich die Europäische Union eröffnet hier eine positive Perspektive: Durch verschiedene Projekte fördert sie griechischen Journalismus und Medienforschung finanziell.

Weitere Informationen zum Mediadelcom-Projekt gibt es hier.

Alle bereits veröffentlichten Beiträge zum Projekt finden Sie hier.

 

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