Reaktionen auf Bidens Amtsantritt: Der Jubel überwiegt

8. Februar 2021 • Internationales • von

Joe Biden hat Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika abgelöst – und die meisten Medien in Europa konnten ihre Freude darüber nicht verbergen. Gleichzeitig wiesen sie aber auch auf die Schwierigkeiten hin, mit denen die neue Regierung zu kämpfen haben wird – besonders skeptisch und kritisch zeigten sich in einigen Ländern konservative Medien.

Der Schweizer Tages-Anzeiger begrüßte den neuen Präsidenten mit der Schlagzeile „In Amerika beginnt ein neuer Tag“. Er betonte, dass „das Prinzip Würde“ ins Weiße Haus zurückgekehrt sei und äußerte die Hoffnung, dass Biden „das Land nach vier Jahren Trump wieder in die Normalität führen“ werde. Diese Gefühle spiegelten sich auch in der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung wider, die erklärte: „Seine (Joe Bidens, Anm. d. Red.) erste und größte Mission: Das Land nach vier Jahren Trump wieder in die Normalität zu führen“. The Observer, die Sonntagsausgabe des britischen Guardian, schrieb: „So viel Schaden wurde angerichtet, so viel muss Schutt muss aufgeräumt werden.“

Viele Medien betonten Bidens Entschlossenheit, die US-Politik zu verändern. Sie berichteten ausführlich über seine Unterzeichnung von Dekreten, mit denen er Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig machte, über die Rückkehr in die WHO und in das Pariser Klimaschutzabkommen und benutzten dabei Begriffe wie „hat nicht lange gefackelt“, „sofort“ und „radikale Abkehr von Trumps Kurs“.

Dies sind einige Einblicke in die Reaktion europäischer Medien auf Bidens Ankunft im Weißen Haus. Zwischen dem 15. und 21. Januar haben wir eine qualitative Analyse der Berichterstattung von je drei Online-Zeitungen oder -Portalen durchgeführt, die ein breites politische Spektrum im jeweiligen Land repräsentieren. Zu den Ländern gehörten sowohl EU-Mitgliedstaaten als auch Nichtmitglieder: Deutschland, Georgien, Großbritannien, Italien, Polen, Portugal, die Schweiz, Spanien, Tschechien und die Ukraine.

Wir haben untersucht, welche Folgen Medien von der Präsidentschaft Bidens für das eigene Land und für Europa erwarten und wie sie die Auswirkungen auf transatlantische Beziehungen und Partnerschaften einschätzen. Außerdem haben wir unter die Lupe genommen, in welchem Umfang und wie Medien in diesem Zeitraum über Donald Trump berichtet haben.

Optimismus aber auch Skepsis

Unsere Analyse zeigt interessante Trends auf. Fast durchgängig spiegelten die Medien die Erwartung wider, dass sich die Beziehungen ihres Landes zu den USA verbessern werden. In Polen ging die linksliberale Gazeta Wyborcza sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnete Trumps Abgang und Bidens Präsidentschaft als Wendepunkt, nicht nur für die USA, sondern auch für Europa, der zum Scheitern von rechtspopulistischen Regierungen in Ländern wie Polen und Ungarn führen könne. Auch bei den georgischen Medien waren die Erwartungen hoch. Sie prognostizierten, dass Biden gegenüber Russland eine strengere Position einnehmen werde, und sahen neue, bessere Chancen für eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens.

In den analysierten tschechischen Medien wurden weder Trump noch Biden überwiegend positiv dargestellt. Die Online-Tageszeitung Seznamzpravy.cz wies darauf hin, dass Trumps Administration von einer „geordneten Regierung ersetzt“ werde, „deren Macht  aber nicht ausreichen wird, um die USA wieder zu vereinen“.

Und während die ukrainischen pro-westlichen Medien Biden gegenüber überwiegend positiv eingestellt waren, war die pro-russische Online-Nachrichtenplattform Strana.ua eher skeptisch. Sie thematisierte die geleakten Tonaufnahmen, die angeblich Bidens Einmischung (als Vize-Präsident unter Obama) in innenpolitische Angelegenheiten der Ukraine bewiesen.

In Italien stellte die rechtsgerichtete Zeitung IlGiornale die Fähigkeit der neuen Regierung in Frage, schwierige Herausforderungen wie den Kampf gegen den Extremismus zu meistern, und bezeichnete Bidens Aufgabe als „unmöglich“. Und die spanische konservative und pro-monarchische Zeitung ABC beschrieb Trumps Politik als „schlüssig und vorhersehbar” und betonte, dass der scheidende Präsident „keinen Krieg angefangen hat“.

Auf der anderen Seite betonte El Paìs, dass Trump „jahrzehntelange Anstrengungen in der Diplomatie zunichtegemacht“ habe. Es wurde deutlich, dass El País große Hoffnung auf Biden setzt, zugleich äußerte sich die Zeitung aber auch skeptisch über die Beziehungen zur EU. Sie schrieb, dass die USA die transatlantischen Beziehungen nicht als ein gleichwertiges Verhältnis verstünden – unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitze.

Viele der in der Studie untersuchten Medien betonten, dass Biden so viel mit nationalen Angelegenheiten zu tun haben werde, dass sie bezweifeln, dass er Zeit haben werde, sich um die transatlantischen Beziehungen zu kümmern. So wies die tschechische Tageszeitung iDnes.cz darauf hin, dass die USA von der EU erwarten werden, „dass sie ihre Probleme selbst lösen wird, seien sie wirtschaftlicher oder sicherheitspolitischer Natur“.

In allen analysierten europäischen Medien wurde Bidens Amtseinführung von der Berichterstattung über den Sturm auf das Kapitol, die Sperrung von Trumps Social-Media-Accounts und nationalen Angelegenheiten – vor allem, aber nicht nur rund um die Corona-Pandemie – überschattet. In Portugal zum Beispiel konzentrierte sich die Berichterstattung während des Analysezeitraums auch auf die dortigen Präsidentschaftswahlen und den rechtsextremen Kandidaten André Ventura, Chef der Chega-Partei.

Es folgt eine detaillierte Analyse der Berichterstattung in jedem der zehn Länder, die an dieser EJO-Analyse teilgenommen haben.

Deutschland 

 Georgien

  Großbritannien 

 Italien

  Polen

  Portugal

  Schweiz

  Spanien

  Tschechien

 Ukraine

 

Deutschland – neue US-Präsidentschaft mit Erleichterung aufgenommen 

Wie die beiden anderen analysierten deutschen Medien machte auch die Süddeutsche deutlich, wie sehr sich Bidens Politik von der Trumps unterscheiden werde.

Drei Oberthemen beherrschten die Online-Berichterstattung der analysierten deutschen Medien  Faz.net, Welt Online und Sueddeutsche.de in den Tagen vor und nach Joe Bidens Amtseinführung am 20. Januar 2021: die Lage in Washington nach dem Sturm auf das Kapitol, das Ende von Donald Trumps Präsidentschaft und  Erwartungen an und Vorhersagen für die Amtszeit des neuen US-Präsidenten Joe Biden.

Der Anteil der Artikel, die sich ausschließlich und differenziert mit den zwei Protagonisten beschäftigte, nahm mit dem Näherrücken der Amtseinführung zu, wobei es auffiel, wie prominent weiterhin über Trump berichtet wurde. Im Fokus der Berichterstattung stand seine Sperre in den sozialen Medien, die Ermittlungen gegen seine rechtsextremistischen Anhänger und das kommende Amtsenthebungsverfahren. Die Beiträge über Trump waren häufig meinungslastiger als jene über Biden – bei den vielen Gegenüberstellungen von Trumps vergangener und Bidens künftiger Politik schwang entweder ein Unterton der Erleichterung über das Ende der Trump-Ära mit oder die Freude darüber wurde gar ganz unverhohlen geäußert. So schrieb Sueddeutsche.de am Tag der Amtseinführung: „Seine (Joe Bidens, Anm. d. Red.) erste und größte Mission: Das Land nach vier Jahren Trump wieder in die Normalität zu führen“. Bei Welt Online hieß es zwei Tage zuvor: „Biden kennt die Spannungen zwischen Serbien und Kroatien und die Probleme in Bosnien-Herzegowina. Bei Donald Trump war man nie ganz sicher, ob er die Namen jener Staaten jemals gehört hatte.

Alle drei Medien machten deutlich, wie sehr sich Bidens Politik von der Trumps unterscheiden werde – und betonten, dass dies auch gleich sichtbar geworden sei: Die FAZ schrieb einen Tag nach der Amtseinführung, dass Biden „nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung seine radikale Abkehr vom Kurs seines Vorgängers eingeleitet“ habe, die SZ, dass Biden „nicht lange gefackelt“ habe und gleich nach seiner Amtseinführung 17 Dekrete unterschrieben habe, darunter die Rückkehr der USA in die Weltgesundheitsorganisation WHO und in das Pariser Klimaschutzabkommen. Vor allem die Rückkehr in das globale Übereinkommen, das 2016 in Kraft trat, wurde, wie die Online-Medien  berichteten, sowohl von der deutschen Bundesregierung als auch von der Europäischen Union sehr begrüßt.

In allen drei Medien kam zum Ausdruck, dass die deutsche Bundesregierung mit dem Amtsantritt von Joe Biden auf eine Wiederbelebung der schwer angeschlagenen Beziehungen zu den USA hoffe. Die FAZ schrieb am 21. Januar „Die Spitzen der deutschen Politik und der Wirtschaft atmen auf“. Die SZ aber warnte zugleich, dass nun „Schluss mit dem Durchwurschteln“ sei. Biden werde von Deutschland sicherlich mehr verlangen als Trump, es werde nicht mehr reichen, nur „in Deckung zu gehen“ – jetzt sei „die Zeit, eine Allianz für Demokratie und Vernunft zu schmieden“. Auch die Fertigstellung der Nord Stream 2-Pipeline war ein Thema. „Die Fertigstellung der Pipeline, die noch mehr russisches Gas nach Europa und noch mehr europäisches Geld in die Kassen von Putins Regime leiten soll, könnte nicht nur weiter für Streit innerhalb der EU sorgen, sondern auch den Neustart in den transatlantischen Beziehungen belasten“, schrieb beispielsweise die FAZ am 21. Januar.

Auch am Tag der Inauguration war Trump weiterhin Thema in den Medien – sie berichteten, dass er u.a. seinen Ex-Berater Steve Bannon begnadigte – und dass Trump der erste Präsident seit 1869 sei, der nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers teilnehme. Aber schon am Tag nach der Amtseinführung war der ehemalige Präsident nicht mehr so prominent vertreten. Die SZ griff noch seine drohende Finanzmisere und die Angst vor einer Parteigründung Trumps auf. Eine Verurteilung im Impeachment-Prozess aber würde bedeuten, dass er nie wieder für ein politisches Amt kandidieren dürfte.

 

Georgien – große Hoffnungen auf Bidens Außenpolitik

Der Amtswechsel im Weißen Haus war für die georgischen Online-Medien ein wichtiges Thema. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren Mutmaßungen über die zukünftigen georgisch-US-amerikanischen Beziehungen unter Präsident Biden – und Bidens strenge Haltung gegenüber Russland.

Die Erwartungen der georgischen Medien an Bidens Präsidentschaft sind hoch: politischer Kurswechsel, neue Aussichten auf eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens und eine klare Positionierung der Vereinigten Staaten gegenüber Russland. Georgiens Medien rechnen damit, dass Bidens Außenpolitik stark auf dem Konzept des liberalen Internationalismus basieren wird. Sie erwarten, dass der neue US-Präsident sich für Demokratie in der Welt, für den Wiedereintritt der Vereinigten Staaten in internationale Bündnisse einsetzen und die Führerrolle seines Landes als globale Interventionskraft wiederherzustellen versuchen wird.

Georgische Medien betonten, dass die Rhetorik der Biden-Regierung in Bezug auf Menschenrechte und demokratische Werte deutlich direkter sein dürfte als die der Vorgänger-Administration unter Donald Trump. Durch eine Stärkung der Position der Vereinigten Staaten innerhalb der NATO und in Europa könne, so die georgischen Medien, Russlands Vetomacht in Bezug auf eine Mitgliedschaft Georgiens im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat geschwächt werden.

In einigen der hier analysierten Artikel legten die Autorinnen und Autoren die Vermutung nahe, Biden könne den Kaukasus und das Schwarze Meer vor allem als strategisch wichtige Region behandeln. Demnach würde eine erhöhte Präsenz von NATO-Kräften im Schwarzen Meer Russlands Position dramatisch schwächen. Laut der Berichte hoffen viele Georgierinnen und Georgier auf bessere georgisch-US-amerikanische Beziehungen als zuletzt unter Trump. Tengiz Pkhaladze, ehemaliger außenpolitischer Berater des georgischen Präsidenten und Professor am Georgian Institute of Public Affairs, sagte in einem Bericht auf Georgiens meistbesuchter Nachrichtenplattform Ambebi.ge: „Biden hat Georgien nicht nur bereits mehrfach besucht, sondern stellte dem Land bereits als US-Vizepräsident ein Freihandelsabkommen in Aussicht. Die Vorhersagen sind also ziemlich gut.”

Georgiens Medien gingen auch vermehrt auf Statements und Glückwünsche heimischer Politikerinnen und Politiker wie Staatspräsidentin Salome Zurabishvili und Außenminister Davit Zalkaliani ein. Beide äußerten ihre Hoffnungen und Erwartungen an Bidens Präsidentschaft mit Blick auf die internationalen Beziehungen zwischen Georgien und den Vereinigten Staaten. Das Online-Nachrichtenportal On.ge zitierte Georgiens Präsidentin mit den Worten „Es ist ein historischer Tag der Hoffnung. Ich möchte Ihnen [US-Präsident Biden, Anm. d. Red.] hier aus Brüssel, wo ich über Georgiens Zukunft innerhalb der Euro-atlantischen Beziehungen verhandeln werde, herzlich gratulieren. Die Verantwortung, die Grundpfeiler der Freiheit zu wahren, liegt in Ihren Händen.”

Das Internetradio Tavisupleba (Radio Liberty) berichtete über ein Statement des US-Staatssekretärs Anthony Blinken vom 19. Januar 2021, in dem der Politiker eine Mitgliedschaft Georgiens in der NATO befürwortet: „Die Türen der NATO sollten für Georgien offen sein, wenn das Land die grundlegenden Anforderungen für eine Mitgliedschaft erfüllt und weiterhin zum Frieden auf der Welt beiträgt. Wir wissen, dass Russland aggressiv gegenüber Staaten auftritt, die nicht unter dem Schirm der NATO stehen. NATO-Mitglieder greifen sie nicht an.“

Besondere Aufmerksamkeit schenkten die georgischen Online-Medien Bidens Plan, einen Weltgipfel der Demokratien einzuberufen, bei dem es um Korruption, Kleptokratie und Geldwäsche gehen soll – Phänomene, die in Georgien große politische Bedrohungen darstellen.

Die Online-Nachrichtenplattform Ambebi.ge zitierte aus einem Reuters-Interview mit dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Joseph Borrell, der Joe Biden aufforderte, die Führung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu übernehmen: „Es handelt sich um die erste globale Krise, in der die USA ihre Führungsposition verloren haben. Doch die Welt braucht die Führung der USA.“ Laut Borrell ist der Kampf gegen das Virus auch für Georgien als Entwicklungsland von größter Bedeutung. Er hoffe, dass die Vereinigten Staaten unter Biden der Pandemie ein Ende setzen können.

 

Großbritannien – Fokus auf Trumps Versagen als Präsident

Die britischen Medien bewerteten Joe Bidens Vereidigung durchweg als erfreuliches Ereignis, wobei in nahezu jedem der Artikel, die in diese Analyse Eingang fanden, Trumps Versagen als Präsident thematisiert wurde – sowohl in der Innen- als auch Außenpolitik. Zudem kam die Dringlichkeit zur Sprache, mit der Biden diese Fehler rückgängig machen müsse. „Es wurde so viel Schaden angerichtet, es muss so viel Schutt aufgeräumt werden”, heißt es im Observer, der Sonntagsausgabe des britischen Guardian.

Die analysierten Online-Medien –  The Guardian, The Telegraph und The Mail – zeigten sich optimistisch, wenn auch in unterschiedlichem Maße, dass die Biden-Regierung eine Verbesserung gegenüber der Vorgänger-Regierung darstellen werde. Einig waren sich die drei Medien bei ihrer Wahrnehmung von Trump als ineffektiv und zugleich gefährlich, was vor allem in der Berichterstattung zu den Angriffen auf das Kapitol deutlich wurde, welche die Vereidigung und Bidens politische Ambitionen und Pläne vorerst überschattete.

In Berichten zu außenpolitischen Angelegenheiten zeichneten die Medien ein positives Bild von Joe Biden und stellten ihn als fähigen Problemlöser dar, vor allem mit Blick auf globale Bemühungen gegen Covid-19, eine funktionierende Wirtschaft und den Klimawandel. In einem Kommentar im Guardian schrieb der ehemalige Premierminister Gordon Brown: „Biden, der ‘große Vermittler’, muss eng mit anderen Ländern in einem „Alliances First”-Ansatz (nicht America first) zusammenarbeiten, wenn er das Virus besiegen, den Handel wiederaufleben lassen und gegen den Klimawandel angehen will.”

Brown betonte dabei die Notwendigkeit staatlicher Anreize, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Auch hob der ehemalige Premier die Bedeutung der „Standhaftigkeit gegenüber den Aggressionen Russlands und dem Illiberalismus Chinas” hervor. Diese sollte laut Brown ganz oben auf Bidens Agenda stehen, genauso wie eine Deeskalationsstrategie für Iran und die Bekämpfung der  „Horrorszenarien in Jemen und Syrien” – allesamt Themen, die sich durch die Berichterstattung des Guardian zogen.

Im Telegraph war die Nachricht eine ähnliche. „Von Hongkong bis Ungarn: Wir leben in einer Zeit, in der die Demokratie frappierend erschüttert wird. […] Während die Welt die Pandemie und eine Vielzahl von Angriffen auf die Demokratie bekämpft, wird es Zeit, neue ehrgeizige Pläne für den Wiederaufbau und die Neustrukturierung zu erarbeiten”, schrieb dort der konservative Politiker und ehemalige britische Innenminister Sajid Javid. Er vermutet, dass das beste Ergebnis erzielt werden könne, wenn die USA und das Vereinigte Königreich ihre Kräfte bündeln.

Trotz des unerschütterlichen Biden-Optimismus, der einen Großteil der britischen Berichterstattung durchzog, äußerte The Mail Online auch Befürchtungen gegenüber der neuen Präsidentschaft und ihren Auswirkungen auf die britisch-amerikanischen Beziehungen: Sie berichtete, dass Joe Biden eine Büste des ehemaligen britischen Premierministers Winston Churchill im Oval Office durch Büsten von Bürgerrechtsaktivistinnen und -aktivisten ersetzt habe. In einem weiteren Artikel kam die Sorge zur Sprache, dass Biden vermutlich zuerst mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau und nicht mit dem Premier des Vereinigten Königreichs Boris Johnson telefonieren werde, was, so heißt es in dem Beitrag, als Degradierung des Königreichs zu werten wäre – und genau so kam es auch.

 

Italien – die Hassliebe zu Donald Trump ist weiterhin präsent

Il Giornale hält Bidens neue Aufgabe für „unmöglich”.

Die italienischen Medien und Donald Trump verband in den vergangenen vier Jahren stets eine Art Hassliebe – und daran änderte sich auch in der Woche vor der Amtseinführung von Joe Biden nichts.

Analysiert wurden Berichte der Online-Medien Corriere.it (Mitte), LaRepubblica.it (Mitte-links) und IlGiornale.it (konservativ). Ein Großteil der Inhalte bezog sich auf das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump und den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar. Während Corriere.it und Repubblica.it Biden deutlich besser darstellten als Trump, war die Berichterstattung von IlGiornale.it eher wechselhaft.

Auf die italienisch-US-amerikanischen Beziehungen gingen die Medien nur wenig ein. Am Tag der Amtseinführung veröffentlichte LaRepubblica.it einen Brief von Nicola Zingaretti, dem Parteichef der sozialdemokratischen Partido Democratico, in dem er Biden zur Zusammenarbeit in der Corona-Krise, im Kampf gegen Extremismus und gegen den Klimawandel aufforderte: „Gemeinsam haben die Vereinigten Staaten und Europa die Aufgabe, die Welt von der Angst zu befreien. Uns allen ist bewusst, dass Demokraten und Progressive gemeinsam eine Zukunft voller Hoffnung für alle Menschen auf der Welt aufbauen können.”

Mehr Aufmerksamkeit wurde der US-Außenpolitik, den G7-Staaten, aber auch den inneren Angelegenheiten der Vereinigten Staaten gewidmet: Corriere.it betonte, dass die Außenpolitik der USA seit dem Fall der Sowjetunion stets unbeständig gewesen sei. Bereits unter Obama – aber besonders unter Trump – habe sich das Land immer weiter „abgeriegelt”. „Joe Biden hat in Sachen Außenpolitik eine extrem schwierige Position inne”, heißt es weiter. „Der Angriff auf das Kapitol machte viele Möglichkeiten internationaler Politik und Entscheidungen vorerst zunichte.” IlGiornale.it sieht für Biden kaum eine Chance, gegen den Extremismus in seinem Land anzugehen, wobei die konservative Zeitung betont, dass es in den vergangenen Monaten auch von Seiten der Antifa und der Black-Lives-Matter-Bewegung zu Gewalt gekommen sei.

Die G7 wurden von LaRepubblica.it als „die perfekte Möglichkeit“ gesehen, „um die Arbeit der NATO und der transatlantischen Bündnisse wieder aufleben zu lassen, nachdem Trump diese immer wieder schlecht gemacht hat.” Weiterhin heißt es in dem Artikel: „Biden hat seinen Partnern in Europa bereits versprochen, dass sie die geopolitischen Bedrohungen seitens China und andere weltweite Krisen – von Klimawandel bis Corona – gemeinsam angehen werden.” Generell vertrat die Zeitung eine optimistische Sichtweise auf die zukünftigen europäisch-US-amerikanischen Beziehungen.

IlGiornale.it schenkte noch einem weiteren Thema Aufmerksamkeit: Verschwörungstheorien, die behaupten, Italien habe die Wahlen in den Vereinigten Staaten manipuliert. Ein Beitrag schilderte die angeblichen Absprachen zwischen dem staatlichen Waffenunternehmen Leonardo mit Sitz in Rom und der neuen US-Regierung.

Präsident Trump wurde in den italienischen Medien in der Woche von Bidens Vereidigung vor allem in Artikeln erwähnt, die sich mit Spekulationen um eine Parteigründung, mit den Begnadigungen durch Trump und mit seiner Twitter-Sperre beschäftigten.

 

Polen – ein Wendepunkt für rechtspopulistisch regierte Länder?

Die Gazeta Wyborcza berichtete ausführlich über Bidens Wiedereintritt in Allianzen und sein Engagement bei globalen Themen.

Die Artikel in den analysierten polnischen Medien – der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, der konservativ-liberalen Tageszeitung Rzeczpospolita und dem Online-Nachrichtenportal Onet – konzentrierten sich sowohl auf die größten innenpolitischen Herausforderungen der USA (z.B. Rassismus, Covid-19-Pandemie, Arbeitslosigkeit) als auch die Außenpolitik (in Bezug auf China und Russland, zerrüttete Beziehungen zur NATO, EU, UN und WHO). Ein Fokus der Berichterstattung lag auf der politischen Kehrtwende Bidens. Die Medien berichteten, wie Biden mit Exekutiv-Anordnungen zahlreiche Entscheidungen seines Vorgängers Donald Trump rückgängig machte, darunter den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.

Artikel, die sich auf die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Polen konzentrieren, gab es im Untersuchungszeitraum nur wenige. Einen Tag nach der Amtseinführung brachte die Rzeczpospolita einen Meinungsartikel, in dem es hieß, dass es für Polen keine andere Wahl gebe als enge Beziehungen zu den USA, da die westeuropäischen Partner keine wirklichen Alternativen böten – sie seien gegenüber China und Russland zu nachgiebig.

Rzeczpospolita veröffentlichte auch ein Interview mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau, der betonte, dass es für die USA strategisch vernünftig wäre, Polen weiterhin als wichtigen Partner in der Region zu betrachten. Die Plattform Onet wies darauf hin, dass die ideologischen Unterschiede zwischen Biden und der polnischen Regierungspartei PiS, wie zum Beispiel die Politik gegenüber der LGBTQ-Gemeinschaft, für die Regierung des Landes problematisch sein könnten.

Mehr Aufmerksamkeit schenkten die polnischen Medien den Auswirkungen der Wahl auf Europa. Gazeta Wyborcza beschrieb Bidens Präsidentschaft nicht nur als einen Wendepunkt für die Staaten, sondern auch für Europa, der zum Scheitern von rechtspopulistischen Regierungen in Ländern wie Polen und Ungarn führen könne. Dennoch wurden in einigen Artikeln erhebliche Zweifel an einer führenden Rolle der Vereinigten Staaten für Europa geäußert. Unter Berufung auf eine Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) schrieb die linksliberale Zeitung, dass viele Europäer nicht mehr an die USA als Weltführer glauben, sondern sich lieber an Deutschland orientieren.

Rzeczpospolita vermutete, dass Biden kritischer gegenüber Russland sein werde als Trump – und dass die europäischen Partner darauf reagieren müssen. In einigen Berichten betonte die konservative Zeitung jedoch auch positiv, dass für einige der Probleme zwischen den USA und Europa Lösungen bevorstehen, wie für jene mit der NATO und der Handelspolitik.  Onet wies darauf hin, dass Bidens Präsidentschaft wahrscheinlich eine neue Herangehensweise an europäische Fragen mit sich bringen werde –  einschließlich der Politik gegenüber Russland.

Im transatlantischen und globalen Kontext berichtete die Gazeta Wyborcza ausführlich über Bidens Wiedereintritt in Allianzen und sein Engagement bei globalen Themen wie dem Klima, den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Rückkehr der USA zur WHO. Biden wurde in den polnischen Medien als Verfechter des Multilateralismus dargestellt, der im Gegensatz zu Trumps „America First“-Ansatz stehe. Onet konzentrierte sich beispielsweise auf Bidens Bemühungen um die Wiederherstellung der Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft.

Die linksliberale Gazeta Wyborcza ist für ihre Anti-Trump-Haltung bekannt. Im Untersuchungszeitraum war dies  aber nicht besonders offensichtlich. Sie berichtete recht objektiv über die Folgen des Sturms auf das Kapitol – insbesondere über das Trump drohende Amtsenthebungsverfahren. In einem Beitrag aber warf ein Autor Trump vor, „das Weiße Haus zu seinem Werkzeug für Autoritarismus und Korruption“ gemacht zu machen.

Rzeczpospolita beschrieb ausführlich die Vorbereitungen zur Amtseinführung, betonte die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen und verwies darauf, dass Trump den Sturm auf das Kapitol provoziert habe. In einigen Beiträgen wies die konservative Zeitung auch daraufhin, dass unter Biden eine „neue Ära“ der US-Präsidentschaft beginne und der neue Präsident die polarisierte US-amerikanische Gesellschaft beruhigen müsse. Onet prognostizierte, dass „die USA nach Trump nicht mehr dieselben sein werden“ und dass sich die neue Regierung vielen Herausforderungen stellen werden müsse.

Portugal – Bidens Amtseinführung wird vom Sturm auf das Kapitol überschattet

Vor der Amtseinführung Bidens gibt es in Washington “mehr amerikanische Soldaten als im Irak, Afghanistan, Somalia und Syrien” titelte der Observador auf seiner Website.

Die portugiesische Berichterstattung konzentrierte sich auf die Angriffe auf das US-Kapitol und die darauffolgenden Ereignisse, wobei der Fokus auf Donald Trump lag. In allen drei analysierten Medien – Publico.pt, Observador.pt und Cmjornal.pt (Correio da Manhã) – wurden die meisten Ereignisse und Nachrichten rund um die Amtseinführung von Joe Biden überwiegend in Bezug auf den ehemaligen Präsidenten dargestellt.

In den Berichten, die im Untersuchungszeitraum erschienen, ging es vor allem um die interne Perspektive der USA. Es erschienen nur wenige analytische Artikel, die den Schwerpunkt auf die Erwartungen Europas oder Portugals an die neue Präsidentschaft legten. Auswirkungen auf internationale Beziehungen oder eine mögliche geopolitische Neuausrichtung kamen kaum zur Sprache.

Wie unsere Analyse aus dem Jahr 2017 zeigt, schenkten die portugiesischen Medien Trumps Amtseinführung mehr Aufmerksamkeit als der Bidens, dennoch schrieben sie auch vor vier Jahren nur wenig über die portugiesisch-US-amerikanischen Beziehungen. Auch bei der aktuellen Analyse kamen nur in drei Artikeln Erwartungen an die Beziehungen zwischen Portugal und den USA sowie mögliche Auswirkungen zur Sprache, in denen fortwährend Biden und Trump miteinander verglichen wurden. Die Artikel konzentrierten sich auf drei Punkte: 1) Ähnlichkeiten zwischen Donald Trump und André Ventura, Chef der rechtsextremen Partei Chega, der für die portugiesischen Präsidentschaftswahlen am 24. Januar kandidierte; 2) die Notwendigkeit einer Annäherung Portugals an die USA unter der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft und 3) die Meinung europäischer Bürgerinnen und Bürger zu den Beziehungen der Europäischen Union zu den USA, basierend auf Daten aus einer Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR).

Es ist wichtig zu wissen, dass der portugiesische Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen sehr angespannt verlief, was hauptsächlich dem rechtsextremen Kandidaten Ventura geschuldet war, der in den politischen Debatten und der Berichterstattung für Ärger sorgte. Dies könnte die Berichterstattung zur Amtseinführung Bidens beeinflusst haben.

Einige Autorinnen und Autoren stellten explizite Vergleiche zwischen Ventura und Trump an. Unter der Überschrift „Das Capitol, André Ventura und die Präsidentschaftswahlen“ veröffentlichte beispielsweise Observador.pt einen Beitrag, in dem eine direkte Parallele zwischen Donald Trump und dem portugiesischen Kandidaten geschaffen wurde. Über die fremdenfeindlichen, rassistischen und antidemokratischen Äußerungen der beiden sei schon viel gesagt worden, heißt es in dem Artikel. Es gebe jedoch noch eine weitere Gemeinsamkeit: Mangels einer klaren Ideologie seien beide hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.

  Schweiz – ein allgemeines Gefühl der Erleichterung und Hoffnung

In der Woche vom 15. bis 21. Januar veröffentlichten die analysierten Schweizer Medien eine Vielzahl an Artikeln rund um Joe Bidens Amtseinführung. Im Mittelpunkt standen drei Themen: die Lage in Washington, Donald Trump und Joe Biden.

Die Artikel fokussierten sich vor allem die Militärpräsenz in Washington, die die Hauptstadt zu einer „Festung” machte, wie der Tages-Anzeiger titelte. Die Berichte zu Donald Trump beschäftigten sich zum Großteil mit der Zukunft des ehemaligen US-Präsidenten: Nach der Sperrung seiner Social-Media-Accounts verstummt, müsse sich Trump „als erster Präsident in der US-Geschichte einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen“, schrieb der Tages-Anzeiger.

Darüber hinaus drohten ihm weitere strafrechtliche Konsequenzen, schreibt 20 Minuten. Wird es ihm möglich sein, 2024 noch einmal zu kandidieren? In jedem Fall, prognostiziert der Tages-Anzeiger, werde Trump Washington „wohl noch länger beschäftigen“.

Der Großteil der Berichte fokussierte sich auf Joe Biden. Viele Artikel thematisierten seine Entscheidungen und Strategien zur Impfkampagne, zur Aufstellung der neuen Regierung, zu Wirtschaftsplänen sowie zur Rückkehr zur WHO und ins Pariser Klimaschutzabkommen. Mit dieser neutralen, rein faktischen Berichterstattung gingen auch viele Beiträge einher, die im Unterton Hoffnung und Erleichterung spüren ließen. „Joe Biden, Präsident der Barmherzigkeit”, lautete zum Beispiel in Le Temps die Überschrift eines Artikels. „In Amerika beginnt ein neuer Tag”, schrieb der Tages-Anzeiger, der auch betonte, dass nun „das Prinzip Würde“ ins Weiße Haus zurückkehre. „Die Nation hatte diese Rede nötig”, heißt es in einem Artikel von 20 Minuten zu Joe Bidens Antrittsrede. In den meisten Beiträgen wurde demnach – mal mehr, mal weniger deutlich – ein Kontrast zwischen der Präsidentschaft von Trump und Biden hervorgehoben. Verglichen mit Trumps chaotischer und turbulenter Amtszeit scheine Bidens Legislatur bereits jetzt ruhiger und klassischer und sie könnte, heißt es im Tages-Anzeiger, „das Land nach vier Jahren Trump wieder in die Normalität führen“.

Gleichzeitig betonten die Zeitungen jedoch auch die Herausforderungen, die der neuen US-Regierung bevorstehen: Der neue Präsident „muss sein Land immunisieren, zuerst gegen das Virus, dann gegen den Hass”, schrieb der Tages-Anzeiger. Joe Biden „erbt ein Land, das stärker gespalten ist als je zuvor, […] er muss mit Spaltungen in der eigenen Partei umgehen – und mit den mehr als 74 Millionen Menschen, die für Trump gestimmt haben”, schrieb Le Temps und resümierte: „Wir dürfen von Joe Biden keine Wunder erwarten.”

  Spanien – ein herzliches aber vorsichtiges Willkommen an Biden

Das auflagenstärkste Blatt in Spanien El País empfing den neuen US-Präsidenten, wie auf der Website der sozialdemokratischen Zeitung zu lesen war, mit „offenen Armen“. Diese Sichtweise spiegelte sich auch in der Berichterstattung von Eldiario.es wider, der meistgelesenen Online-News-Plattform, deren internationale Berichterstattung vom britischen Guardian stammt. Die konservativ und monarchistisch ausgerichtete Tageszeitung ABC aber nannte manche Aspekte von Trumps Politik „schlüssig”.

Als „ein Minenfeld” beschrieb El País Bidens Zukunft als Präsident. Die entsprechenden „Fallen” habe ihm Trump noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit gelegt. ABC ist nachsichtiger mit dem ehemaligen Präsidenten und nennt die aktuelle Situation in den Vereinigten Staaten – fern von Kriegssprache wie bei der El País – ein „heißes Eisen” und Trumps Innenpolitik „turbulent”.

In der Berichterstattung von Eldiario.es wird US-Senator Bernie Sanders zitiert. Er warnt, dass es in den Vereinigten Staaten zig Millionen Menschen gebe, die „Trumps Lügen“ für wahr halten. Sanders fordert, in einer neuartigen Krise wie der jetzigen innovativ zu handeln – mit dem Ziel, die Pandemie und die ökonomische Ungleichheit im Land zu beenden.

Alle drei Medienplattformen waren sich einig darin, dass der Angriff auf das Kapitol ein „Putschversuch” war. Unterschiedliche Ansichten haben sie hingegen beim Thema Außenpolitik. El País schrieb, Trump habe „jahrzehntelange Anstrengungen in der Diplomatie zunichtegemacht”. Der neue Präsident müsse diese Schäden beheben. ABC hingegen nannte Trumps Außenpolitik „schlüssig und vorhersehbar” und betonte, dass Trump keinen Krieg angefangen habe.

Die Rückkehr der Vereinigten Staaten in die WHO und ins Pariser Klimaschutzabkommen stand in der Berichterstattung der drei analysierten Medien noch vor der Amtsübergabe an erster Stelle und wurden durchweg positiv bewertet. Die Beziehungen zur EU hingegen wurden in keinem guten Licht dargestellt. „Wer auch immer das Sagen im Weißen Haus hat: Die USA verstehen die transatlantischen Beziehungen nicht als ein gleichwertiges Verhältnis”, schrieb El País und bezog sich dabei vor allem auf die technologische und industrielle Unabhängigkeit, die die EU anstrebt, die aber die Führungsrolle der USA bedrohen würde.

Im Januar vor 55 Jahren war ein US-Militärflugzeug über der spanischen Stadt Palomares in Andalusien verunglückt, der Wasserstoffbomben geladen hatte. El País erinnerte an diese nukleare Katastrophe und äußerte die Hoffnung, dass sich Biden der Verantwortung stellen und sich um die Folgen des Unglücks für die Umwelt kümmern werde – was Trump nicht getan hatte.

Tschechien – nicht ganz überzeugt von neuer US-Regierung

Die hier analysierten tschechischen Medien – der Online-Auftritt des öffentlich-rechtlichen Senders iRozhlas.cz, die regierungsnahe Online-Nachrichtenplattform iDnes.cz und das reichweitenstärkste Internetportal Seznamzpravy.cz – legten den Fokus ihrer Berichterstattung vor allem auf die Vereidigung. Vor allem die Vorbereitungen der Amtseinführung sowie die nie dagewesenen Sicherheitsvorkehrungen als Folge des Angriffs auf das US-Kapitol erfuhren in den tschechischen Medien große Aufmerksamkeit. „Vor Bidens Vereidigung gleichen Washingtons Straßen denen Kabuls”, lautete ein Titel auf iRozhlas.cz.

Joe Biden und Donald Trump dominierten die Themen der Berichterstattung, doch keiner von beiden wurde in den untersuchten Medien gänzlich positiv dargestellt. Seznamzpravy.cz schrieb: „Trumps Reality-Show im Weißen Haus wird nun von einer geordneten Regierung ersetzt, deren Macht nicht ausreichen wird, um die USA wieder zu vereinen.”

Die tschechischen Medien stellten Joe Biden als den Präsidenten dar, der sich selbst die Aufgabe gesetzt habe, die Risse in der US-amerikanischen Gesellschaft zu kitten, das Land von Ungleichheit und Rassismus sowie der Corona-Krise, die auch schwere wirtschaftliche Folgen für die Vereinigten Staaten hat, zu befreien. Es wurde in diesem Zuge jedoch auch behauptet, dass einige der Ziele des neuen US-Präsidenten populistisch seien und Biden bloß dem Drang seiner Wählerschaft nach Veränderung nachgehe. Biden wurde dennoch besser dargestellt als sein Vorgänger Trump. Die tschechischen Medien gingen vor allem auf Trumps Weigerung, an Bidens Vereidigung teilzunehmen, ein und beschrieben ihn als jemanden, der Probleme damit habe, eigene Verluste hinzunehmen und der für seine Grobheit und seine falschen Entscheidungen negativ in die Geschichte eingehen werde.

Bidens Standpunkte zur Außenpolitik fand in der tschechischen Presse eher weniger Beachtung. Nur vereinzelt wurde über die bilateralen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Nationen wie Tschechien und Bündnissen wie der EU oder der NATO berichtet. Diese wenigen Artikel klangen insofern optimistisch an, als dass die Autorinnen und Autoren vermuteten, Biden werde die Beziehungen zwischen seinem Land und der EU bessern. Gleichzeitig hieß es jedoch, Biden werde sehr mit nationalen Angelegenheiten beschäftigt sein. Das Online-Portal iDnes.cz betonte: „Die Vereinigten Staaten werden von der EU erwarten, dass sie ihre Probleme selbst lösen wird, seien sie wirtschaftlicher oder sicherheitspolitischer Natur.“

  Ukraine – große Unterschiede zwischen pro-westlichen und pro-russischen Medien

Die analysierten ukrainischen Online-Medien schenkten der Amtseinführung Joe Bidens viel Aufmerksamkeit und fokussierten sich dabei vor allem auf die Folgen des Machtwechsels für die Ukraine und für die Vereinigten Staaten selbst. Die pro-westlichen Medienplattformen Tyzhden und Yevropeiska Pravda berichteten tendenziell positiv über Biden, die pro-russische Nachrichtenseite Strana.ua hingegen zeigte sich gegenüber dem neuen US-Präsidenten eher skeptisch.

Der Schwerpunkt der Berichterstattung lag bei den pro-westlichen Medien auf der US-Außenpolitik und ihren Auswirkungen auf die Ukraine. Es ging in der Berichterstattung daher vor allem um mögliche politische Treffen, die für die Ukraine ein gutes Zeichen sein könnten, zum Beispiel mit Staatssekretärin Victoria Nuland oder Andrea Kendall-Taylor, Russland-Beauftragte im Nationalen Sicherheitsrat der der USA. „Joe Biden und alle, denen er außenpolitische Verantwortung übertragen hat, kennen und verstehen die Ukraine”, heißt es bei Tyzhden. Es sei dennoch zu früh, um einschätzen zu können, wie die Biden-Administration Russland gegenübertreten werde.

Thyzhden schrieb auch, dass der neue Präsident Biden im Gegensatz zu seinem Vorgänger „nicht von verzerrten Einschätzungen über die Ukraine besessen” sei. Die Plattform Yevropeiska Pravda prognostizierte, dass die zukünftige US-Außenpolitik für die Ukraine von Vorteil sein werde. In einem ihrer Berichte heißt es: „Die Stelle für Russland-Politik im Nationalen Sicherheitsrat USA ist von einer Person besetzt, die sich mit Russland auskennt und Putin ausnahmslos kritisch gegenübersteht – diese Einstellung aber nicht auf ganz Russland projiziert. Ihre [gemeint ist Andrea Kendall-Taylor, Anm. d. Red.] Ansichten stimmen mit denen Joe Bidens überein. Und auch wenn sie in manchen Punkten nicht die Erwartungen der Menschen in der Ukraine trifft, muss eine Sache positiv betont werden: Die Zeiten, in der man sich um ein Übereinkommen mit Putin bemühte, sind Vergangenheit. Und das sind zweifellos gute Nachrichten für die Ukraine.”

Die pro-russische Plattform Strana.ua hingegen zeigte sich gegenüber Biden weniger überzeugt und kritisierte seine bisherigen politischen Entscheidungen als Vize-Präsident unter Biden sowie seine Pläne für die Zukunft. Strana.ua ging unter anderem auf die geleakten Tonaufnahmen ein, die belegen sollen, dass Biden sich als Vize-Präsident unter Obama in die ukrainische Innenpolitik eingemischt habe – ein Skandal, der einst auch die Aufmerksamkeit US-amerikanischer Medien auf sich zog. „Bidens Ukraine-Politik wird vom Streit zwischen zwei Lagern geprägt sein”, schrieb Strana.ua. „Auf der einen Seite gibt es seitens der USA ein starkes Verlangen danach, die Kontrolle über innere Angelegenheiten, über die Exekutive und die Wirtschaft der Ukraine zu erlangen. Auf der anderen Seite wehren sich ukrainische Eliten gegen diese Einflussnahme. Das macht Washington Angst. Nur in geopolitischen Angelegenheiten positionieren sich diese Eliten auch auf Seiten der USA.”

Was die Darstellung Trumps in den analysierten ukrainischen Medien betrifft, so wurde er von Tyzhden und Yevropeiska Pravda als ein Regierungschef, der die Demokratie untergräbt, geschildert, während die pro-russische Strana.ua ihn in einem eher neutralen oder sogar positiven Licht darstellte.

 

Projektkoordinatorin:

Tina Bettels-Schwabbauer, TU Dortmund

 

Länderbeiträge von:

Deutschland: Tina Bettels-Schwabbauer & Roman Winkelhahn, TU Dortmund

Georgien: Leli Bibilashvili, Natia Kaladze & Salome Tsartsidze, Georgische Universität für Sozialwissenschaften

Großbritannien: Sarah Karacs, EJO Fellow an der Freien Universität, Berlin

Italien: Antonio Nucci, Università della Svizzera italiana

Polen: Michal Kus & Adam Szynol, Universität Wroclaw

Portugal: Ana Pinto-Martinho and Décio Telo, ISCTE- University Institute of Lisbon

Schweiz: Alberto Silini, Universität Neuchâtel

Spanien: Raúl Vázquez Fernández, Universität Complutense Madrid

Tschechien: Sandra Stefanikova, Karls-Universität Prag

Ukraine: Halyna Budisvka, National University of Kyiv-Mohyla Academy

 

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer und Roman Winkelhahn

 

 

Print Friendly, PDF & Email

Schlagwörter:, , , , , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Send this to a friend