Sportjournalismus – das hässliche Entlein des Berufsstandes?

26. November 2024 • Forschung aus 1. Hand, Top • von

Die Tour de France wurde 1903 von der Zeitschrift L’Auto. gegründet Foto: keesluising, Pixabay

 

Sowohl innerhalb der Redaktionen als auch in der öffentlichen Meinung wird der Sportjournalismus seit seinen Anfängen im Vergleich zu anderen journalistischen Praktiken gering geschätzt. Wie lässt sich das erklären?

Trotz seines massiven Aufschwungs Ende des 20. Jahrhunderts hat der Sportjournalismus auch heute noch einen schlechten Ruf: Der Sportjournalist wird von manchen als „untergeordneter Journalist“ angesehen und seine Rubrik als „auf der Suche nach Anerkennung und von der Branche schlecht bewertet“ (Solidaires, 2012). Die folgende Analyse soll zeigen, warum der Sportjournalismus so abgewertet wird, ohne die Kritik an ihm zu bestätigen oder zu widerlegen.

Sport gilt nicht als „Hochkultur“

Historisch gesehen betraf die Delegitimierung des Sportteils in den Spalten einer Zeitung ihren Untersuchungsgegenstand (Wille, 2013). Sport, ein Thema, dessen Interesse „oft als Zeichen einer Unkultur wahrgenommen wurde, insbesondere in Ländern, die eine ‚hohe‘ literarische Kultur aus einer höfischen Tradition heraus entwickelt und geschätzt haben“, wie Frankreich (Defrance, 1995).

In einem Interview für Eurosport[1] schließt sich der französische Journalist und Schriftsteller Philippe Auclair, der sich auf den englischen Fußball spezialisiert hat, diesen Überlegungen an und erklärt, dass in Frankreich „der Sport nicht als ein edles Thema angesehen wird, im Gegensatz zur angelsächsischen Kultur“, wo er „Teil der Bildung ist“. Wenn das Thema nicht „edel“ genug ist, wird demnach auch der Sportjournalismus verachtet, „verachtet wie die Materie, die er behandelt“ (Marchand, 1989).

Amateurismus und Subjektivität

Abgesehen von seinem Untersuchungsgegenstand wird der Sportjournalismus seit langem auch in Bezug auf seine Form und seinen Inhalt kritisiert. Seinen Stil sehen manche als zu amateurhaft, sei es wegen des „unbedachten Missbrauchs angelsächsischer Begriffe“, der „Ungenauigkeit des Vokabulars“ oder auch der „falschen Kühnheit bestimmter Bilder“. Das französische Syndikat der Sportjournalist:innen stellte bereits 1961[2] fest, dass der verwendete Jargon „viel zur Diskreditierung des sogenannten Sportjournalismus beigetragen hat“. So seien die auf Sport spezialisierten Journalist:innen „diejenigen, die nicht in der Lage sind, etwas anderes zu tun“ (Marcillac, 1994).

Außerdem werden Sportjournalist:innen manchmal als „Fans“ (Marchetti, 2002) stigmatisiert, als „irrationaler Akteur, eine erstaunliche Mischung aus Inkompetenz und Hysterie, der einen eindeutigen Diskurs produziert“ (Bourgeois, 1989). Dahinter liegt die Vermutung, dass der Sportjournalismus inhärent parteiisch sei, da seine Praktiken „durch das Spektakel und die Polemik bedingt sind“ (Wille, 2013).

Ein Einverständnis mit seinen Quellen

Zudem wird am Sportjournalismus kritisiert, dass er eine zu große Nähe zu seiner Hauptquelle, dem Sportmilieu, pflege. Die Ursache dafür liegt in der historisch bedingten Entwicklung dieser beiden Welten, denn sie sind voneinander abhängig und haben sich in Symbiose geformt. Eine „mehrdeutige Beziehung zwischen Träger und Objekt“, für die die Gründung der Tour de France im Jahr 1903 durch die Zeitung L’Auto ein typisches Beispiel ist (Wille, 2013).

Diese Kritik hat sich seit den 1990er Jahren und der Explosion des Sports im Fernsehen verschärft, da dieser für einige zu einer „Sonderwelt im Bereich der Information“ geworden ist, da er von der „missbräuchlichen Mediatisierung der Sportler“ und der „massiven Einführung von Kapital“ bestimmt wird (Solidaires, 2012). Die „wirtschaftlich-sportliche Sphäre“ verlangt seither von den Sportjournalist:innen, „ein Kapital an Beziehungen und Legitimität mit den Akteuren des Sports aufrechtzuerhalten“, auch auf die Gefahr hin, in die Selbstzensur oder sogar in die Kumpanei zu verfallen (Wille, 2013). Unter Verlust ihrer Unabhängigkeit würden sie so eine „verführerische Beziehung“ mit dieser Sphäre unterhalten (Parrot & Patrin-Leclère, 2011), d.h. eine Komplizenschaft mit ihren Quellen, die deontologisch und ethisch inakzeptabel ist.

Neue Generationen

Aufgrund seines populären Charakters, einer zu amateurhaften Form und einer als subjektiv empfundenen Haltung ist der Sportjournalismus seit seinen Anfängen in der französischsprachigen Branche und Öffentlichkeit in Misskredit geraten. Hinzu kommt der Vorwurf, mit den Quellen zu kungeln, und die Position des Fachgebiets in der Berufshierarchie ist relativ niedrig (Marchetti, 2002).

Da der Sport jedoch zu einem „soziologischen und kommerziellen Phänomen“ mit „Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft“ geworden ist, erfordert die Ausübung des Sportjournalismus heute „zusätzliche Kenntnisse in Recht, Wirtschaft, Medizin und dem soziopolitischen Umfeld“ (Solidaires, 2012). Die Folge: Die „morphologischen Entwicklungen“ der Sportjournalisten „ähneln tendenziell denjenigen, die in anderen Rubriken arbeiten“ (Marchetti, 2002). Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Generationen von „höher qualifizierten“ Fachleuten und die „kritischere“ Behandlung ihres Untersuchungsgegenstandes dazu führen werden, dass der Sportjournalismus eines Tages mehr Wertschätzung erfährt.

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