Definiert man bei einer öffentlichen Veranstaltung den Begriff „Journalist“ empört sich fast immer jemand und findet das „eine Gemeinheit“. Es geht darum, dass nach der österreichischen Gesetzeslage (Journalistengesetz), nur diejenigen Journalistinnen bzw. Journalisten sind, die davon leben können, dass sie Inhalte von Massenmedien produzieren. Die Internationale Journalistenföderation (IFJ) als Weltverband sieht das genau so.
Natürlich dürfen alle anderen auch publizieren, posten, twittern, bloggen usw. Und wenn man glaubt, dadurch seine Reputation zu verbessern, darf man sich zusätzlich im Bekanntenkreis Journalist nennen (aber auch, wenn’s beliebt, Werbemanager, PR-Direktor oder Konsulent).
Der wesentliche Unterschied besteht einerseits in journalistischen Rechtsvorteilen: Schutz des Redaktionsgeheimnisses, erhöhte Abfertigungsansprüche bei Richtungsänderung oder Verkauf eines Mediums usw., um Journalisten im Interesse der Allgemeinheit davor zu bewahren, wie es ein Abgeordneter bei der Beschlussfassung des Journalistengesetzes 1920 ausdrückte, wie „Plantagensklaven“ behandelt zu werden. Andererseits besteht wie in jedem anderen Beruf im Unterschied zum Hobby eine grundsätzliche Fremd- und Selbstkontrolle: Arbeitsleistung ist geregelt, Fehler werden sanktioniert.
Bis vor ein paar Jahren war die Aufweichung der Grenze zwischen journalistischem Beruf, Laienpublizistik und Alltagskommunikation eher geringfügig und meist auch beim flüchtigen Hinsehen erkennbar. Seit der Mobilisierung digitaler Informationsproduktion (Smartphones, Tablets) wird diese Grenze von beiden Seiten permanent durchbrochen. – Niemand weiß, ob der private Augenzeugenbericht aus der Krisenregion wirklich von dort kommt und selbst wenn, ob er für die Lage typisch ist. In den USA hat sich bereits der Begriff des „Astro-Turfing“ für Äußerungen in Sozialen Medien gebildet, die so tun, als repräsentierten sie eine breite „Graswurzelbewegung“ ohne es zu sein. Pate ist der Firmenname eines Kunstrasenerzeugers.
Umgekehrt bedienen sich klassische Medien am „user generated content“. Die Gründe dafür sind vielfältig: verbesserte Recherchemöglichkeit durch Filterung privater Tweets (klassisch im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon 2013), Themenfindung durch Beobachtung Sozialer Netzwerke oder eben auch Publikumsbindung durch „Posts“. Wichtig ist in allen diesen Fällen, dass die Redaktion in ihrem Interesse und dem ihres Publikums eine Endkontrolle ausübt, denn „Prosumer“ (also produzierende Konsumenten) sind im Wesentlichen nur sich selbst verpflichtet.
In Analogie gilt das auch für journalistische Profis: Teilweise beteiligen sich auch „klassische“ Journalistinnen und Journalisten aktiv an sozialen Medien. Machen sie das im Auftrag ihrer Redaktion, etwa um eine Story anzureißen, ist das in aller Konsequenz Journalismus. Machen sie das privat, ist das Laienpublizistik.
Der Unterschied des Journalismus zur generellen Redefreiheit liegt also darin, dass dieser nur beruflich innerhalb einer Organisation (Redaktion) ausgeübt werden kann. Denn der wesentliche Zweck – neben dem pekuniären – dieser Organisation liegt in der Informationsaufbereitung und -weitergabe. Da ein weitgehender Konsens besteht, dass dies eine für die Gesellschaft wichtige Leistung ist, haben Personen in Ausübung dieses Berufes bestimmte Privilegien. Daher sind – auch im Zeitalter von Social Media – Poster, Bloggerinnen usw. normalerweise keine Journalisten.
Der Beitrag ist Teil der Serie „Ein Fall für die Wissenschaft” auf derStandard.at, in der Medienforscher Ergebnisse ihres Fachs präsentieren und von denen das EJO einige zweitveröffentlicht.
Bislang auf EJO erschienen:
Ein Fall für die Medienwissenschaft
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Schlagwörter:Astro-Turfing, Blogs, Laienpublizistik, Soziale Medien, Twitter, user-generated content