Der Ranking-Effekt: Medien berichten positiver über hoch platzierte Unis

2. November 2015 • Forschung aus 1. Hand, Qualität & Ethik • von

Hochschulrankings haben Konjunktur. Regelmäßig werden internationale Rankings vorgelegt – etwa vom Fachmagazin Times Higher Education, von der Firma Quacquarelli Symonds oder von der Shanghai Jiao Tong Universität. Diese Ranglisten bestimmen nicht nur mit, wie Politiker, Studienanfänger und die Öffentlichkeit Universitäten wahrnehmen. Eine aktuelle Studie des IPMZ der Universität Zürich zeigt, dass Rankings auch zu vorteilhafter Medienberichterstattung für hoch rangierte Universitäten führen.

Uni-Ranking

Hochschulrankings werden von Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft, aber auch von Studieninteressenten durchaus wahrgenommen.

Universitäten stehen seit einigen Jahren verstärkt im Wettbewerb miteinander. Sie konkurrieren um Fördermittel, um Studierende, um die besten Mitarbeiter.

Dieser Wettbewerb wird öffentlich ausgetragen. Dabei spielen Massenmedien eine zentrale Rolle. Sie vermitteln ein Bild davon, welche Hochschulen besonders gut sind, wo herausragende Forscher zu finden sind und an welchem Ort eine exzellente Ausbildung geboten wird.

Allerdings sind Universitäten für Journalisten nicht leicht zu beschreiben. Sie bestehen aus Hunderten oder gar Tausenden von Mitarbeitern, die in sehr unterschiedlichen Disziplinen, Instituten und Fakultäten forschen und lehren. Angesichts dieser Vielfalt ist es schwer zu ermitteln, welche Universitäten zur nationalen oder globalen Spitze gehören. Denn es fehlt an klaren, disziplinenübergreifend akzeptierten und messbaren Qualitätskriterien.

Universitäts-Rankings bieten dafür eine – zumindest scheinbar – einfache Lösung: Sie reduzieren die Komplexität von Hochschulen auf wenige Maßzahlen und präsentieren diese in leicht verständlichen Ranglisten. Und auch wenn sie dies nicht unbedingt sachgerecht tun und die vielfältigen methodischen Probleme von Rankings gut dokumentiert sind (vgl. Hazelkorn 2011), so ist doch gezeigt worden, dass Hochschulrankings von Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft, aber auch von Studieninteressenten durchaus wahrgenommen werden (vgl. Friedrichsmeier und Fürst 2012).

Daher ist auch anzunehmen, dass Rankings einen Einfluss auf die Medienberichterstattung über Universitäten haben. Immerhin entsprechen sie den Auswahlkriterien von Medien, den „Nachrichtenfaktoren“, in hohem Maße: Sie sind eindeutig, leicht interpretierbar und machen eine wettbewerbsorientierte Berichterstattung möglich, die für Medien besonders attraktiv ist (z.B. Schulz 2011). Außerdem treffen sie gegenwärtig auf einen geschwächten Journalismus, dem es angesichts immer knapperer Ressourcen schwerer fällt, externen Kommunikationsangeboten die notwendige Sorgfalt in Auswahl, Berichterstattung und Kritik entgegenzubringen.

Eine Mitte Oktober erschienene Studie (Hegglin & Schäfer 2015) zeigt, dass die Veröffentlichung von Ranking-Ergebnissen in der Tat dazu führt, dass Massenmedien den erfolgreich platzierten Universitäten mehr Reputation zuschreiben.

Zugrunde lag eine Inhaltsanalyse neun einflussreicher deutscher Tages- und Wochenzeitungen („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“, „tageszeitung“, „Welt“, „Frankfurter Rundschau“, „Handelsblatt“. „Zeit“, „Spiegel“ und „Focus“) von 2004 bis 2013. Erfasst wurden pro Jahr alle Artikel in den vier Monaten rund um die Veröffentlichung des wohl wichtigsten internationalen Universitätsrankings – des „Shanghai-Rankings“ (vgl. Docampo und Cram 2014) –, in denen eine der zehn besten deutschen Universitäten erwähnt wurde. Für diese 2360 Artikel wurde codiert, wie positiv bzw. negativ und wie prominent diese Unis dargestellt wurden. Eine positive und ausführliche Darstellung wurde als besonders reputierlich interpretiert (nach Eisenegger 2005). Anschließend wurde die Reputation der erfassten Universitäten jeweils vor und nach den Ranking-Veröffentlichungen, zwischen höher und niedriger gerankten Universitäten und im Zeitverlauf über die zehn untersuchten Jahre verglichen.

Es zeigte sich ein klarer „Ranking-Effekt“ auf die Berichterstattung. Erstens wurden nach der Veröffentlichung der Ranking-Ergebnisse alle untersuchten Universitäten – die ja jeweils unter den 500 besten Universitäten der Welt rangierten – reputierlicher dargestellt als vorher (Abb. 1). Die in den Rankings (vermeintlich) gemessene Qualität der Universitäten wurde also in medienvermittelte Reputation übersetzt.

Schäfer Abb.1

Abb. 1: Durchschnittliche Reputationswerte aller Universitäten vor und nach Veröffentlichung der Ranking-Ergebnisse (n = 2360 Artikel; Chi-Quadrat: Wert=181.581 (df=6), p=0.000, Cramer-V: Wert=0.276, p=0.000).

Zweitens wurde deutlich, dass dieser Ranking-Effekt bei besonders erfolgreichen Universitäten noch stärker ausfiel als bei niedriger rangierten Hochschulen. Universitäten unter den Top 100 der Welt profitieren noch stärker von dem Ranking-Effekt als Universitäten auf den Rängen 101-500. Zudem korrelieren die Ranking-Positionen von Universitäten und medienvermittelter Reputation klar miteinander (Abb. 2).

Schäfer Abb.2

Abb. 2: Rang-Platzierungen aller untersuchten Universitäten nach Platzierung im Shanghai-Ranking (x-Achse, 1=beste Platzierung) und massenmedial zugeschriebener Reputation (y-Achse, 1=höchste Reputation), 2003-2014. Grössere Kreise zeigen an, dass die entsprechende Rang-Kombination mehrfach auftrat. (n = 2360 Artikel)

Allerdings nimmt dieser Ranking-Effekt, drittens, im Zeitverlauf nicht zu. Zwar gibt es den Effekt in jedem untersuchten Jahr. Aber seine Stärke schwankt. Am stärksten ist er 2005 und 2011, und damit gegen Anfang und Ende des Untersuchungszeitraumes. Über die zehn untersuchten Jahre zeigt sich keine kontinuierliche Zu- oder Abnahme (Abb. 3).

Schäfer Abb.3

Abb. 3: Durchschnittliche Reputationswerte aller Universitäten im Zeitverlauf (n = 2360 Artikel)

Der Ranking-Effekt wirft eine Reihe von Folgefragen auf. Die Kommunikationsforschung sollte bspw. genauer rekonstruieren, wie der Effekt in Medienredaktionen zustande kommt und welche politischen Wirkungen er hat. Es stellen sich aber auch praktische Fragen. Angesichts der methodischen Probleme vieler Hochschulrankings ist zu fragen, wie man einem solchen Effekt begegnen und eventuell gegensteuern könnte.

Die Schaffung eines kritischen Bewusstseins bei Hochschul-Kommunikatoren, Entscheidungsträgern und Öffentlichkeit wäre wichtig. Journalisten sollten sich Ranking-Ergebnisse immer im Detail anschauen. Empfehlenswert wäre, derartige Ergebnisse möglichst immer vergleichend darzustellen – in Relation zu den Ergebnissen der Vorjahre, zu anderen Universitäten oder zu anderen Rankings. Zudem sollten die in den Ranglisten verwendeten Kriterien beachtet und mit dargestellt werden. Ebenso wichtig wie die verwendeten Kriterien sind zudem die Kriterien, die nicht einbezogen wurden – beim Shanghai-Ranking wäre beispielsweise darauf hinzuweisen, dass die Lehre der rangierten Universitäten darin keinerlei Rolle spielt. Und schließlich sollte man sich dar Tatsache bewusst sein, dass bestimmte Universitäten oder Fächer von derartigen Rankings bevorteilet werden – gerade technisch orientierte Hochschulen, deren Forschungsleistungen einfacher als die geistes- und sozialwissenschaftlich ausgerichteter Universitäten in internationalen Datenbanken verfügbar sind.

Literatur

Docampo, D. & Cram, L. (2014). On the internal dynamics of the Shanghai ranking. Scientometrics, 98, 1347-1366.

Eisenegger, M. (2005). Reputation in der Mediengesellschaft. Konstitution – Issues Monitoring – Issues Management. Wiesbaden: VS.

Friedrichsmeier, A. & Fürst, S. (2012). Neue Governance als Wettbewerb um Sichtbarkeit. Zur veränderten Dynamik der Öffentlichkeits- und Medienorientierung von Hochschulen. Die Hochschule, 21, 46-64.

Hazelkorn, E. (2011). Rankings and the Reshaping of Higher Education. The Battle for World-Class Excellence. Basingstoke: Palgrave.

Hegglin, Tim & Mike S. Schäfer (2015): Der Ranking-Effekt. Der Einfluss des „Shanghai-Rankings“ auf die medial dargestellte Reputation deutscher Universitäten. Publizistik. Online First, unter http://link.springer.com/article/10.1007/s11616-015-0246-4.

Schulz, W. (2011). Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Wiesbaden: VS.

Bildquelle: Universität Wien / Flickr Cc

 

 

 

 

 

 

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