Meinungsmache statt Macht

24. November 2014 • Qualität & Ethik • von

Laut Uwe Krügers Dissertation „Meinungsmacht“ werden Journalisten von Zeit, SZ und FAZ massiv durch Elitenetzwerke gesteuert. Christoph Neuberger hat die Untersuchung analysiert – und kommt zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis.

Im politischen Meinungsstreit werden mitunter alle Register gezogen. Reichen Sachargumente nicht aus, bleibt noch der Ausweg auf die persönliche Ebene. Hier werden dann die Kontrahenten selbst zum Gegenstand der Kritik. Nimmt man ihnen die Glaubwürdigkeit, braucht man sich nicht mehr mit ihren Standpunkten zu befassen. Ihr Ruf ist dahin. Ein scharfes Schwert ist hier der Vorwurf, dass jemand gegen eine fundamentale Norm verstoßen hat. So geschehen im Fall der Auseinandersetzung über die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“. Darin ist Journalisten vorgehalten worden, dass sie in Sicherheitsfragen nicht unabhängig und vielfältig, sondern einseitig zugunsten von Interessen der USA kommentieren würden. Erklärt wird dies mit ihrer Nähe und Abhängigkeit von Lobbyorganisationen, die Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen wollen.

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Gestützt wird der Vorwurf mit den Ergebnissen der Leipziger Dissertation von Uwe Krüger. Sie liefert angeblich – so ist es oft im Internet zu lesen und auch Autor Udo Ulfkotte beruft sich darauf in seinem Buch „Gekaufte Journalisten“– den wissenschaftlichen Beweis. Auch dies ist ein scharfes Schwert im Meinungskampf, gelten doch die Befunde wissenschaftlicher Studien als besonders aussagekräftig und schwer widerlegbar. Wenig Beachtung hat bislang allerdings der Inhalt der Dissertation bekommen, die zum Dreh- und Angelpunkt des Streits geworden ist.

Ihr Titel „Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“ sagt schon alles, was sie belegen will. Kann sie es belegen? Dafür muss zunächst die methodische Seite der Arbeit beleuchtet werden. Das ist nicht besonders spannend, aber notwendig, um den Wert der Ergebnisse beurteilen zu können. Krüger hat drei empirische Studien durchgeführt: eine Netzwerkanalyse der Verbindungen zwischen Journalisten deutscher Leitmedien und Organisationen, eine Inhaltsanalyse der Artikel von vier ausgewählten Journalisten zu Sicherheitsthemen sowie eine weitere Inhaltsanalyse zu den Beiträgen überregionaler Tageszeitungen zur Münchner Sicherheitskonferenz.

Transparenz, Systematik und Vollständigkeit sind wichtige Prinzipien der empirischen Forschung. Sie wurden an mehreren Stellen der Arbeit missachtet. Welche Organisationen aus Politik und Wirtschaft in der Netzwerkanalyse berücksichtigt wurden, wird auf nur anderthalb Seiten beschrieben. Wie Krüger konkret recherchiert und selektiert hat, teilt er nicht mit. Informationen über die Verbindungen der Journalisten hat Krüger im Wesentlichen im Internet zusammengetragen. Auch hier begnügt er sich mit knappen Hinweisen, die vieles offen lassen. Krüger sammelte Verbindungsdaten fast nur in öffentlich zugänglichen Quellen. Dies war der falsche Weg, wenn er „Schweigekartelle“ (Seite 21) entlarven wollte. Die Verbindungen, die er anprangert, sind jedenfalls transparent gewesen.

Das Ergebnis: Unter 219 Journalisten von 14 Leitmedien hatten in acht Jahren 64 Journalisten 164 Verbindungen zu 82 Organisationen. Im Durchschnitt hatte ein Journalist also weniger als eine Verbindung. Betrachtet man nur jene, die mindestens eine Verbindung hatten, sind es im Schnitt 2,6 Verbindungen – und das verteilt auf acht Jahre. Rechtfertigt dies die Behauptung, dass Journalisten „außerhalb ihrer unmittelbaren journalistischen Pflichten vielfältig mit Politik- und Wirtschaftseliten verbunden waren“ (S. 256)?

Und was besagen die ermittelten Verbindungen? Wann liegt eine Verbindung „außerhalb der unmittelbaren journalistischen Pflichten“? Welche Arten von Verbindungen sind problematisch? Krüger verzichtet ausdrücklich darauf, die Verbindungen zu qualifizieren (S. 116). Lediglich in einer Fußnote gibt er Auskunft darüber, welche Verbindungen zu schwach waren, um berücksichtigt zu werden (S. 113). Dies aber ist der springende Punkt.

Es wäre weltfremd und schädlich, wenn Journalisten jeglichen Kontakt zu politischen Akteuren vermeiden müssten. In einer Demokratie sollte es eine Vielzahl von Arenen – auch außerhalb der Massenmedien – mit einer möglichst großen Vielfalt an Beteiligten geben. Und auch Journalisten dürfen sich zivilgesellschaftlich engagieren. Aber es gibt Grenzen. Wo diese Grenzen liegen, wäre gründlich und differenziert zu analysieren. Im Verhältnis zwischen Journalisten und politischen Akteuren mangelt es an ausformulierten Regeln. Dies wäre eine Aufgabe für den Presserat und für Journalistenverbände.

Die Reihe methodischer Mängel setzt sich in der Arbeit fort: Krüger wählte vier Journalisten aus, die aufgrund ihrer Verbindungen eine „Schlagseite zu den USA und zur NATO aufweisen“ (S. 150). Er ermittelte 83 Artikel, die sie zwischen 2002 und 2010 über Sicherheitsthemen geschrieben haben. Er konnte also nur 2,3 Artikel pro Journalist und Jahr finden, obwohl dies ihr Spezialgebiet ist.

Was Krüger als Frame-Analyse bezeichnet, wird dem Anspruch an eine solche Untersuchung in keiner Weise gerecht. Frames sind Deutungsrahmen, die Journalisten verwenden, wenn sie ein Thema kommentieren. Offenbar wurden in der Analyse nur solche Frame-Elemente bestimmt, die den vorab formulierten Hypothesen entsprachen. In den Hypothesen wurde den Journalisten eine einseitige Sicht zugunsten der USA und der NATO unterstellt. Die Studie konnte also gar nichts anderes ergeben, weil nur bestätigende Zitate ausgewählt wurden.

Ebenso unzureichend ist die vierseitige „Propaganda“-Analyse, in der Krüger den Gebrauch einiger gängiger Argumentationsformen belegt. Krüger reiht in seiner Arbeit über viele Seiten Zitate der vier Journalisten aneinander und kommentiert sie in freier Manier und mit scharfen Worten, ohne dass er die Maßstäbe seiner Urteile herleitet. In der Studie zur Sicherheitskonferenz bemängelt er etwa die zu „kurze Erwähnung einiger Forderungen“ (S. 243) der Protestierenden oder die Behandlung der Friedenskonferenz mittels „inhaltsleerer Erwähnungen“ (S. 245). Für Krüger ist es offenbar anstößig, dass Zeitungen eine eigene redaktionelle Linie verfolgen und Journalisten eine Meinung vertreten, die nicht mit seiner übereinstimmt.

In der Dissertation von Krüger wird das Verhältnis zwischen Journalismus, Eliten und Bevölkerung als ein Geflecht aus Macht- und Manipulationsbeziehungen dargestellt. Es fehlt ein tieferes Verständnis dafür, wie Öffentlichkeit in einer Demokratie funktionieren sollte und auch – trotz einiger Abstriche – funktioniert. Sie lebt von der Annahme, dass Bürger in ihren unterschiedlichen Rollen, also auch Journalisten, willens und fähig sind, sich ihre eigene Meinung zu bilden und sie gut begründet und selbstbewusst öffentlich zu vertreten.

Diese Möglichkeit wird von Krüger gar nicht in Erwägung gezogen. „Nähe“ setzt er umstandslos mit „Vereinnahmung“ gleich, wobei es für ihn nur eine Richtung geben kann: Eliten beeinflussen Journalisten, Journalisten wiederum das Publikum. Der Wirkungsmechanismus und die Definition von „Meinungsmacht“ bleiben in der Dissertation unscharf. Krügers Ergebnisse belegen keinen Kausalzusammenhang zwischen den Verbindungen zu Organisationen und der Art der Kommentierung. Diesen Zusammenhang streitet Krüger auch an einigen Stellen seines Buches ausdrücklich ab. So spricht er nur von „Kontaktpotenziale[n]“ (S. 116) zwischen Journalisten und Organisationen (S. 151, 257-258). An anderen Stellen – etwa im Titel des Buches – legt er sie dennoch nahe.

Und genau dies wird in der Öffentlichkeit als Ergebnis seiner Arbeit kolportiert. Natürlich ist das Verhältnis zwischen Journalisten und politischen Akteuren prekär: Einerseits werden die Akteure als Quellen benötigt, andererseits verfolgen sie eigene Interessen. Dieses sensible Terrain ist aber keine Neuentdeckung von Krüger, sondern ein fortlaufend diskutiertes und gründlich erforschtes Thema. Verwiesen sei nur auf die Studie von Christina von Hodenberg über die Adenauer-Regierung und ihre Medienarbeit* sowie die Untersuchungen der FU-Professorin Barbara Pfetsch**.

Und es gibt andere wissenschaftliche Positionen, die Krüger kaum wahrnimmt: Die Mainzer Schule (Noelle-Neumann, Kepplinger, Donsbach) sieht die Journalisten als Gegenelite zur Politik- und Wirtschaftselite. Und nach der These der Medialisierung der Gesellschaft müssen sich Politik und Wirtschaft zunehmend der Selektions- und Präsentationslogik der Massenmedien anpassen.

Öffentliche Äußerungen Krügers zur Debatte über die Sicherheitspolitik in Deutschland bekräftigen, dass er nicht in der Rolle des neutralen, unvoreingenommenen Wissenschaftlers ist, sondern in der Sache selbst Position bezieht. Das erhärtet den Verdacht, dass er auch mit seiner Dissertation vor allem eines wollte: Meinung machen.

 

Uwe Krüger (2013): „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten– eine kritische Netzwerkanalyse“. Köln: Herbert von Halem 

* Christina von Hodenberg (2006): Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945 – 1973. Göttingen: Wallstein

** Barbara Pfetsch, Eva Mayerhöffer (2011): Vordergründige Nähe. Zur Kommunikationskultur von Politik- und Medieneliten in Deutschland. In: Medien & Kommunikationswissenschaft. 59 (1), S. 40 bis 59.

 

Erstveröffentlichung: Medium Magazin 11/2014, S. 24f  (Titelschwerpunkt “Ihr lügt doch alle”)

 

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Eine Replik von Uwe Krüger auf diesen Artikel ist auf dem EJO erschienen. 

 

1 Responses to Meinungsmache statt Macht

  1. volki sagt:

    Billiger Versuch…….es wird massiv Propaganda für das USA Imperium, CIA, Nato betrieben……..das hat nichts mehr mit Journalismus und 4. Macht zu tun…..Leitmedien ignoriere ich mehr oder weniger….oder ich denke mir meion Teil….habe längt ein Gespür für westliche Propaganda macher……..ich weiss nntürlich das der andere Herrschaftsraum….auch versucht zu manipulieren!

    Uwe Krüger und Udo Ulfkotte haben Tatsachen aufgedeckt……..Journalisten haben meiner Meinung nach nichts in Geheimdienst unterwanderten US think tanks zu suchen….

    Wäre schön wenn Europa sich endlich mal vom grossen Bruder abnabeln würde……..Verhältnisse wie in den USA passen nicht zu Europa….es gibt keine Wertegemeinschaft mit einem Folter und Schnüffelstaat!

    Journalisten müssen Geld verdienen…….wer abhängig ist…ist käuflich…..so einfach ist das!

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