Negativnachrichten und häufig reine Daten- und Fakten-Berichterstattung, seit einigen Monaten zum Beispiel über Flüchtlinge – Afrika wird in den europäischen Medien meist aus einer europäischen Perspektive betrachtet. „Europa sollte aber versuchen Afrika mit afrikanischen Augen zu sehen“, sagt Eric Chinje, CEO der African Media Initiative.
„Welche Sprache wird in Afrika gesprochen?“ ist eine der Fragen, die Fébé Potgieter-Gqublue, stellvertretende Stabschefin der African Union, häufig von Nicht-Afrikanern gestellt wird. Die Frage ist für sie ein deutliches Anzeichen dafür, dass in der weltweiten Berichterstattung über ihren Kontinent noch einiges passieren muss. Die Länder Afrikas tauchen oft nur in Verbindung mit Kriegen, Krisen und Krankheiten in den Medien auf. An einem Beispiel zeigt sie die damit einhergehende Stereotypisierung auf: „In drei Ländern brach Ebola aus, aber in den Medien war es eine Krankheit des ganzen Kontinents.“ Potgieter-Gqublue kritisiert aber nicht die Stereotype an sich, sondern dass nur sie erwähnt werden. „Wir haben mehr zu bieten: Kultur, Musik, Natur. Wir haben tausende Sprachen. Wir haben mehr als nur eine Geschichte zu erzählen.“
Bisher haben allerdings vor allem Nicht-Afrikaner das Afrikabild geprägt und Stereotype skizziert. Deutsche Journalisten berichten meist nur über Afrika entsprechend der Nachrichtenfaktoren, wenn es um die drei Ks geht. Die Stimme der westlichen Korrespondenten, die laut einer Studie des Afrikaforschers Lutz Mükke 33 Länder des Kontinents abdecken müssen, sollte nicht die einzige sein, die in den Medien Gehör findet. Wie soll auch ein einziger Journalist so viele Länder und deren Diversität abdecken? Demnach sollten die Afrikaner auch für sich sprechen.
Eric Chinje, CEO der African Media Initiative, findet, dass diese Veränderung in den eigenen Medien des Kontinents beginnen muss. „Das Problem ist, dass jedes afrikanische Land in der Berichterstattung nur das abbildet, was für das eigene Land wichtig ist.“ Darüber hinaus seien in den eigenen Zeitungen unter der Rubrik „Internationales“ nur Themen aus Europa, Amerika, dem Mittleren Osten und China zu lesen – aus den anderen Ländern Afrikas hingegen nichts. Es sei die Herausforderung für die afrikanischen Journalisten, über die eigenen Ländergrenzen hinauszugucken. Aber, wenn das die einzelnen Länder nicht machen, wie kann man dann von ausländischen Medien eine differenzierte Betrachtung erwarten?
Dinesh Balliah, Dozentin am Journalistik-Institut der Witwatersrand-Universität im südafrikanischen Johannesburg, versucht den Blick über die eigenen Grenzen mit ihren Studierenden. Als Einstieg in ihre Kurse gibt sie ihnen die Aufgabe, fünf Länder auf einem Globus außerhalb Südafrikas zu zeigen und zu benennen. „In den vergangenen Jahren konnte das keiner – kein einziger!“, sagt sie. Es gebe in den Augen der jungen Journalisten nur die USA und Europa. Lieber würden BBC und CCN als lokale Medien rezipiert. Wenn die Studierenden in ihrer Ausbildung journalistische Geschichten produzieren sollen, kommt es selbst im eigenen Land manchmal zu überraschenden Erkenntnissen: „Eine Studierende sollte einen Beitrag machen, der 15 Kilometer entfernt von der Uni spielte. Als diese wieder zurück kam, hat sie erklärt, dass sie glaubte, in einer anderen Welt gelandet zu sein. So sehr war das ein Kulturschock für die Studentin. Nur, weil sie in einen kulturellen Bereich eingetaucht war, den sie vorher nicht kannte.“
Auch Korrespondenten und Journalisten aus dem Westen können ihren Teil zur veränderten Afrikawahrnehmung beitragen. Allerdings sehen sie, so wie der aus England stammende und in Äthiopien lebende, freie Journalist James Jeffrey, genau dabei Schwierigkeiten: „Denn viele Geschichten sind den Redaktionen zu unsexy. Beispiel äthiopischer Kaffee: Die Klicks auf den Artikel entscheiden, welche Beiträge beim nächsten Mal noch von der Redaktion eingekauft werden.“ Für seine Geschichte über den Kaffee sieht er im Vergleich zur Berichterstattung über den Granatangriff in Addis Abeba Mitte Dezember schlechte Chancen. Der kenianische Daily Nation-Journalist John Ngirachu sieht die Lösung darin, dass Journalisten kreativ werden müssen: „Wenn die Granatangriffs-Geschichte von den Menschen geklickt wird, muss man die Bombe als Aufhänger nehmen und eine Geschichte darum herum basteln.“ Ein aktuelles Beispiel dazu liefert Eric Chinje mit dem Vorschlag zur Berichterstattung über die Flüchtlingskrise. Nicht nur die Zahl der Flüchtlinge nach Europa und die Zahl derer, die bei der Flucht sterben, sollten berichtet werden, sondern auch warum sie fliehen. „Die ganze Geschichte ist wichtig“, so der CEO.
Dass Journalisten in Afrika ihre unterschiedlichen Perspektiven auch deutschen Journalisten vermitteln, damit die deutschen Journalisten sie in unseren Medien aufzeigen können, ist ein Teil des Projekts „ Journalism in a Global Context“. Prof. Dr. Susanne Fengler, Leiterin des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus der TU Dortmund, Veye Tatah, Vorsitzende von Africa Positive e.V. und Prof. Dr. Markus Behmer vom Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Bamberg planen eine Plattform, die künftig afrikanische und deutsche Journalismus-Institute miteinander vernetzen soll. Bestreben des Projekts ist es unter anderem, die eurozentrische bestimmte Afrika-Berichterstattung durch gemeinsame Lehrprojekte mit Wissenschaftlern und Praktikern aus Afrika und Europa auszubalancieren. In diesem Zusammenhang fand auch in Addis Abeba, Äthiopien, eine vom Auswärtigen Amt geförderte Konferenz mit Medienforschern und Journalisten statt.
Bildquelle: Anna Carina Zappe
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Schlagwörter:Afrika, Dinesh Balliah, Eric Chinje, Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus, Fébé Potgieter-Gqublue, James Jeffrey, Journalism in a Global Context, Lutz Mükke, Stereotype