Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass das Publikum die Wirklichkeit, insbesondere Kriegsgräuel, schlecht erträgt und geschont werden möchte. Doch Mythen prüfen, und wenn nötig zerstören, war stets auch Aufgabe der Forschung.
Linda Klein hat für ihre Bachelorarbeit an der Macromedia-Hochschule in Köln 62 Journalisten sowie 153 Mediennutzende online befragt, wo für sie fotografische Kriegsberichterstattung in deutschen Print- sowie Onlinenachrichten an die Grenzen des Zumutbaren stößt.
Schöpfen Journalisten die durch den Pressekodex empfohlenen Normen aus? Wann veröffentlichen sie ein Foto nicht? Basierend auf Empfehlungen aus Bildethik, journalistischer Berufsethik und Publikumsethik fragte Klein nach der Macht der Bilder und dem vermuteten Potenzial.
Sie interessierte sich für die Abwägungen in den Redaktionen und dafür, was wie beim Publikum ankommt. Sie fand heraus: Das Publikum ist weniger schutzbedürftig als erwartet und will Bilder vom tatsächlichen Ort des Geschehens, keine „Symbolbilder“. Fotos, auf denen Blut, Leid und Tod zu sehen sind, sind in größerem Umfang zumutbar, als Journalisten annehmen.
Eine eigene Verantwortung sieht das Publikum nicht. Ein Drittel der Befragten meinte, diese liege ausschließlich bei den Redaktionen, Fotografen und Medienhäusern. Das Publikum akzeptiert sogar besonders brutale Motive, wenn – wie bei den Bildern mutmaßlicher Folter in Syrien vor dem Hintergrund der Syrienkonferenz in Genf im März – dadurch Vergehen gegen das Völkerrecht belegt werden könnten; Kriegsfotos wird generell das Potenzial zugeschrieben, dass sie Menschen zum Umdenken bewegen. Nur bei Bildern mit toten oder verletzten Kindern ertragen die befragten Mediennutzenden sogar weniger, als die Journalisten vermuten.
Erstveröffentlichung: Tagesspiegel vom 12.5.2014
Der Beitrag ist Teil einer Serie – alle 14 Tage präsentieren drei Medienforscher im Tagesspiegel Ergebnisse und Streitfragen ihres Fachs, die das EJO zweitveröffentlicht.
Teil 1: Lauter, bitte!
Teil 2: Das Publikum vergisst rasch
Teil 3: Politik – mit und ohne Etikett
Teil 4: Facebook im Sinkflug?
Teil 5: Schneidet die alten Zöpfe ab!
Teil 6: Geschlechterklischees in den Medien
Teil 7: Alarm für die Demokratien
Bildquelle: a.anis / Flickr CC
Schlagwörter:Bilder, Bildethik, Krieg, Kriegsberichterstattung, Linda Klein, Publikum
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