Katholische Medien in Polen – nah am Staat?

22. August 2017 • Pressefreiheit • von

Seit knapp zwei Jahren ist die nationalkonservative PiS-Partei in Polen an der Macht – seitdem fährt die Politik einen neuen Kurs: Konservative Werte feiern ihr „Comeback“. Die Gesellschaftsvorstellungen von Politik und katholischer Kirche rücken wieder näher zusammen. Was macht das mit den katholischen Medien Polens – berichten diese nun pro-PiS?

Unser Nachbarland Polen gilt als das katholischste Land Europas. Die Zahlen des Statistischen Instituts der Kirche bestätigen das: Neun von zehn Polen sind getauft und bezeichnen sich als Katholik. Doch es gibt auch Statistiken, die diese Zahlen relativieren: 2014 besuchten nur etwa 30 Prozent der erklärten Katholiken regelmäßig die Sonntagsmesse – und die Tendenz ist leicht fallend. Unumstritten jedoch ist, dass Polens nationale Identität eng verknüpft ist mit der katholischen Kirche – so eng wie in kaum einem anderen Land Europas. Das gilt sogar für die Politik: Denn seit November 2015 regiert die national-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) das Land. Ihr politisches Programm basiert stark auf dem christlichen Glauben. Es scheint, als würden katholische Kirche und Politik in Polen derzeit einem gemeinsamen Ziel entgegensteuern – zumindest inhaltlich.

Kirche nah am Staat?

Denn Staats- und Gesellschaftsvisionen der beiden Machtzentren stimmen größtenteils überein. Doch welchen Einfluss hat die katholische Kirche auf die Politik? Im Allgemeinen sind die Polen eindeutig gegen eine Verbindung von Religion und Politik, insbesondere gegen die Einmischung der Kirche in die Politik. Umso rätselhafter wirkte die Situation kurz vor dem Wahlsieg der PiS-Partei: Zu dem Zeitpunkt hatten katholische Priester zwar keine direkten Wahlempfehlungen gegeben, vereinzelt aber positiv in ihren Predigten über das Wahlprogramm der PiS-Partei gesprochen. Eindeutig für die Regierungspartei geworben hatte das katholische „Radio Maryja“, das als streng national-konservativ gilt. Man vermutet sogar, dass deren Senderchef Tadeusz Rydzyk maßgeblich zum Erfolg der PiS-Partei beigetragen hat.

PiS-Parteichef Jarosław Kaczynski  hatte sich nach dem Wahlsieg sogar bei „Radio Maryja“ für deren Unterstützung bedankt: „Ohne die Familie von Radio Maryja hätte es diesen Sieg nicht gegeben”, so Kaczynski. „Radio Maryja“ zählt zwar zu den meist gehörten Radiosendern Polens, ist jedoch umstritten: Leszek Pulka, Professor am Institut für Journalistik an der Universität in Breslau, sagt: „Radio Maryja spielt sein eigenes Spiel“. Niemand verstehe, wie Senderchef Rydzyk arbeite – ob er nach Geld, Macht oder dem Einfluss in der Kirche strebt. Prinzipiell berichte „Radio Maryja“ keinesfalls neutral, aber auch nicht nur im Interesse der PiS-Partei, so Pulka.

Radio Maryja – kein Paradebeispiel für katholische Medien

Diese Art der Berichterstattung von „Radio Maryja“ sei aber nicht die Regel bei katholischen Medien in Polen, sagt Experte Pulka. Andere berichteten neutraler über Politik, aber in einer aggressiveren Art und Weise als es zum Beispiel in Deutschland üblich sei, so Pulka. Denn in Polen würden die katholischen Medien nicht versuchen, bei einem Streitpunkt beide Seiten darzustellen und Konsens zu finden – stattdessen würden sie eine Seite befürworten. Das scheint bei der polnischen Bevölkerung gut anzukommen: Denn zu den Medien mit der größten Reichweite in Polen gehören auch katholische Angebote, vor allem auf dem Zeitungsmarkt. Ein erfolgreiches Beispiel für katholische Medien in Polen ist die überregionale Wochenzeitung „Gość Niedzielny“ („Sonntäglicher Gast“). Mit durchschnittlich 131.853 verkauften Exemplaren zählt sie zu den meistverkauften meinungsbildenden Wochenzeitungen in Polen – im Jahr 2016 war sie sogar auf Platz 1 der meistverkauften Wochenzeitungen. Die politische Ausrichtung von „Gość Niedzielny“ gilt als gemäßigt. Die Zeitung stehe eher dem Vatikan nahe als Warschau, beurteilt Leszek Pulka.

Politik ist der katholischen Kirche nah, nicht die katholische Kirche der Politik

„Wir wollen die Realität beschreiben – in dem Fall arbeiten katholische Medien genauso wie andere Medien auch“, sagt „Gość Niedzielny“-Redakteur Karol Białkowski. Er leitet die Regionalstelle der Zeitung in Breslau. „Gość Niedzielny“ lege als katholisches Angebot zwar den Fokus auf das, was besonders Katholiken interessiere, aber berichte auch über Politik und Wirtschaft. Trotz guter Reichweite würden die katholischen Medien in Polen aber heutzutage oft kritisiert, sagt Białkowski: „Die Leser werfen uns vor, pro-PiS zu berichten.“ Doch das sei bei „Gość Niedzielny“ nicht der Fall, betont Białkowski ausdrücklich. „Der Verdacht kommt nur deshalb auf, weil das politische Programm der Regierungspartei ähnlich ist zu den Inhalten der katholischen Kirche“, so Białkowski. Die „Gość Niedzielny“-Redaktion versuche aber in keinem Fall, ihre Leser politisch zu beeinflussen. Er findet, dass Medien nicht der Ort seien, um eine politische Meinung zum Ausdruck zu bringen. Diese sollten objektiv berichten – nur in Kommentaren sollte Raum für Meinung sein.

PiS: „Kirche, Tradition, Familie“

Tatsächlich scheint es so, als sei die Politik der katholischen Kirche nah – nicht aber die katholische Kirche beeinflusst von der Regierungspartei. Denn auf der politischen Agenda der PiS-Partei stehen zentrale christliche Werte: Mit ihr an der Macht soll die polnische Nation gestärkt werden. Das will die Partei erreichen, indem sie sich auf ein christliches und konservatives Weltbild zurückbesinnt. Denn „Kirche, Tradition und Familie sind die Werte, die alle Polen im Herzen tragen“, sagt die polnische Ministerin Beata Kempa, die die Kanzlei von Polens Regierungschefin Beata Szydło leitet. Unter der Regierung der PiS-Partei basiere die Politik also auf dem, was schon immer im Denken der polnischen Bevölkerung verankert gewesen sei. Nämlich auf dem christlichen Glauben, so Kempa. Doch die Rückbesinnung auf die Tradition bedeutet gleichzeitig auch: Die aktuelle Regierung steht liberalen Reformen kritisch gegenüber – zum Beispiel, was Homosexualität und Abtreibungen betrifft.

Deutlich wird, dass die katholischen Medien nicht einheitlich über die aktuelle Politik berichten. Es  lässt sich also keinesfalls sagen, dass die katholischen Medien in Polen als Instrument der Regierungspartei dienen. So gespalten wie die katholischen Medien gegenüber der PiS-Partei scheinen, ist auch die Bevölkerung Polens. Denn immer wieder versammeln sich tausende Regierungsgegner in Warschau und anderen polnischen Städten. Und protestieren gegen das Ergebnis der zweijährigen Amtszeit der Regierung: ein Rechtsruck, umstrittene Mediengesetze und es droht eine Justizreform. Ein demokratischer Rückschritt in unserem Nachbarland, sagen Kritiker.

Mitarbeit an der Recherche: Klaudia Szmit

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres deutsch-polnischen Themenspezials, das von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftssstiftung (DPWS) gefördert wird. Er ist im Rahmen eines Workshops mit deutschen und polnischen Studierenden an der Universität Wroclaw unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer (Erich-Brost-Institut, TU Dortmund) und Michał Kuś (Universität Wroclaw) entstanden. 

 

Bislang im deutsch-polnischen Themenspezial auf der deutschen Seite erschienen:

Im Fokus: deutsche und polnische Medien

Polnische Medien im Wandel

Der Einfluss der polnischen Regierung auf die Medien

Starke Kritik an Polens Medienreformen

Kampf gegen deutsche Dominanz

Polnische Medien und Flüchtlinge: viele Fake News

Politikthemen waren tabu – Medien im Kommunismus

 

Hier geht es zum deutsch-polnischen Themenspezial auf der polnischen EJO-Seite:

http://pl.ejo-online.eu/tag/niemcy-polska-temat-specjalny

Print Friendly, PDF & Email

Schlagwörter:, , , , , , ,

1 Responses to Katholische Medien in Polen – nah am Staat?

  1. Konservatives Herz sagt:

    Ein Land muss normal in der EU sein, die Wahl von Deutschland ihre Katolische wurzeln aussterben zu lassen ist ein Selbstmord.Und jetzt beschweren sie sich, dass Polen ihren Glauben weiter erweitert. Vielleicht solltet ihr euch mit dem Stand euren Glaubens befassen, weil gleich euch die Islamisten ihren eigenen Glauben aufzwingen

Schreibe einen Kommentar

Send this to a friend