Die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ hat eine Gesetzesinitiative angekündigt, um den vermeintlichen Einfluss deutscher Verlage auf die polnische Politik zu bekämpfen. Was hat es damit auf sich?
Die Medienlandschaft in Polen sieht sich seit dem Amtsantritt der neuen Regierung unter der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im November 2015 weitreichenden Veränderungen ausgesetzt. Zuerst bekamen dies die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender zu spüren: Nicht mehr der Rundfunkrat, sondern der Schatzminister war ab Januar 2016 berechtigt, das Führungspersonal der Sender zu berufen. Infolgedessen mussten kurz darauf die bisherigen Chefs von Fernsehen und Radio ihre Posten räumen. Seit Mitte 2016 kontrolliert der neu geschaffene und vom polnischen Parlament gewählte „Nationale Medienrat“ die Besetzung von Spitzenpositionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Durch die aktuell absolute Mehrheit der PiS im Parlament hat die Partei nun direkten Einfluss auf die Arbeit der Sender.
Dies ist jedoch nur der erste Schritt des von der Regierung geplanten Umbaus des polnischen Mediensystems: Im Zuge einer „Repolonisierung“ soll die Dominanz ausländischer Investoren auf dem polnischen Medienmarkt gebrochen werden. Laut der Vorsitzenden des Kulturausschusses des polnischen Parlaments, Elzbieta Kruk, gehören 80 Prozent der polnischen Printmedien ausländischen, vor allem deutschen Verlegern. „Es ist die Aufgabe der Medien, die Regierung zu kontrollieren, das gehört zu einem funktionierenden Staat dazu“, sagt sie, „aber sollen wirklich die Deutschen die polnische Regierung kontrollieren?“
Besondere Brisanz erhielt die Debatte über den Einfluss deutscher Unternehmen auf die polnische Politik, als im März 2017 ein internes Schreiben von Mark Dekan, CEO des deutsch-schweizerischen Joint Ventures Ringier Axel Springer, an die Mitarbeiter der polnischen Medien des Verlags geleakt wurde, in dem er sich erfreut über die Wiederwahl von Donald Tusk als Ratspräsident der EU äußerte. Die polnische Regierung hatte zuvor versucht, die erneute Wahl Tusks zu verhindern. Dekan erinnerte die Mitarbeiter daran, dass die Medien des Verlags (darunter unter anderen die auflagenstärkste polnische Zeitung „Fakt“ und „Newsweek Polska“) für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und ein vereinigtes Europa eintreten. In den folgenden Tagen äußerten sich viele Politiker der PiS empört über diese, in ihren Augen, Einmischung deutscher Verlage in die polnische Politik.
Differenzierung ist nötig
Dass ausländische, vor allem deutsche Verlage einen großen Einfluss im polnischen Mediensystem besitzen, ist unbestreitbar. Allein im Marktsegment der regionalen Tageszeitungen besitzt die Verlagsgruppe Passau über die Polska Press Gruppe 20 von insgesamt 24 Medien, erklärt Adam Szynol, Professor am Institut für Journalismus und Soziale Kommunikation der Universität Breslau. Auch in den Bereichen Fernsehzeitungen und Frauenmagazine beherrschen deutsche Verlage, etwa Bauer Media, den Markt. Jedoch müsse differenziert werden: Wöchentlich erscheinende Politmagazine etwa seien zu höchstens 20 Prozent in deutscher Hand, darunter die zu Springer gehörende „Newsweek Polska“. Und bei den lokalen Printmedien (im Gegensatz zu regionalen Zeitungen) sei der Besitz weit verzweigt und es könne nicht von einer deutschen Dominanz gesprochen werden. Deshalb sei die Behauptung der Regierung, 80 Prozent der polnischen Medien seien von ausländischen Firmen kontrolliert, zu allgemein und in Details nicht richtig.
Die Wurzeln für den starken Anteil deutscher Unternehmen am polnischen Medienmarkt liegen in der Transformation des Mediensystems nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Polen. In den frühen neunziger Jahren befanden sich viele Medien in einer schweren wirtschaftlichen Krise, und es fehlten einheimische Geldgeber, die bereit oder in der Lage waren, zu investieren. In die Bresche sprangen dann das norwegische Unternehmen Orkla Media (welches später von der britischen Mecom Group übernommen wurde) und die Verlagsgruppe Passau. Beide profitierten davon, dass es, anders als bei den audiovisuellen Medien, keine Beschränkungen für den ausländischen Besitz polnischer Medien gab – und bis heute auch nicht gibt. „Als einige Zeit später die Verlagsgruppe Passau fast alle übrig gebliebenen regionalen Zeitungen kaufen wollte, untersuchte die polnische Wettbewerbs- und Kundenschutzbehörde UOKiK den Vorgang. Am Ende gab es einige interpretatorische Zweifel, aber die Behörde entschied, dass eine solche Konzentration rechtlich machbar war“, sagt Lucyna Szot, Rechtsexpertin vom Institut für Politologie an der Universität Breslau.
„Ohne Zustimmung unmöglich“
Juristisch gesehen hat die Regierung keinen großen Handlungsspielraum, um eine „Repolonisierung“ der Printmedien gegen den Willen der Verlage durchzusetzen. „Polnisches Recht schützt privaten Besitz. Aus dieser Perspektive ist eine formale Veränderung der Besitzstruktur polnischer Medien ohne die Zustimmung ihrer Besitzer unmöglich“, erklärt Lucyna Szot. Die einzige Möglichkeit – nach aktuellem Recht – sei ein freiwilliges Geschäft zwischen den jetzigen und den potentiellen neuen Besitzern.
So geschehen 2015 in Tschechien: Dort verkaufte die Verlagsgruppe Passau 100 Prozent ihres dortigen Medienbesitzes (vor allem Regionalzeitungen) an das tschechisch-slowakische Investmentunternehmen Penta, nachdem dieses ein sehr großzügiges Angebot gemacht hatte. Der Zweck – Einfluss auf die Wahlen zu nehmen – sei ziemlich offensichtlich gewesen, so Adam Szynol. „Und, ob Sie es glauben oder nicht, tschechische Journalisten und auch Leser waren nicht erfreut darüber, dass ein einheimisches Unternehmen diese Anteile übernommen hat.“ Dies sei eine eindrückliche Lektion für Polen – nur weil eine polnische Firma polnische Medien übernimmt, heiße das nicht, dass alles besser würde.
Außerdem stelle sich die Frage, welcher polnische Investor bereit wäre, den deutschen Unternehmen ihre Anteile abzukaufen. Der Markt für Regionalzeitungen sei nicht sehr profitabel, und es dürfte schwierig werden, jemanden zu finden, der bereit sei, sich in diesem schwierigen Markt zu engagieren. „Ich glaube nicht, dass es klug oder vielversprechend wäre, die jetzigen Besitzer aus diesem Segment heraus zu drängen“, so Szynol.
Details zum geplanten Gesetz sind kaum bekannt. Man weiß bislang nur, dass das Ministerium für Kultur und nationales Erbe beauftragt ist, eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten, und dass diese an französisches Recht angelehnt sein soll. Frankreichs Medienkartellrichtlinie begrenzt den Marktanteil, den einzelne Besitzer von politischen oder allgemeinen, täglich erscheinenden Printmedien haben dürfen, auf 30 Prozent. Adam Szynol hält eine solche Regelung in Polen für unsinnig, da die Ausgangsbedingungen – die Marktstruktur und auch die Wirtschaftskraft – in Frankreich und Polen völlig unterschiedlich seien: „Wir können nicht so naiv sein, zu glauben, dass wir französische Regelungen übernehmen und hier einführen können. Meiner Meinung nach ist das unmöglich.“
Kein Einfluss der Verleger
Malwina Gadawa, die als Redakteurin bei der Breslauer Regionalzeitung Gazeta Wrocławska (gehört zur Verlagsgruppe Passau) über lokale und regionale Politik berichtet, widerspricht den Vorwürfen der polnischen Regierung, deutsche Verleger würden Einfluss auf die Berichterstattung ihrer Zeitungen ausüben, vehement: „Das ist – sorry – Schwachsinn.“ Sie könne frei und unabhängig berichten. Bisher rede die Regierung nur über Repolonisierung, tatsächlich in Aktion getreten sei sie bisher allerdings nicht. Ähnlich wie Adam Szynol bezweifelt Gadawa, dass genug Geld vorhanden sei, um die Zeitungen in polnischen Besitz zu bringen.
Tomasz Bonek hat in den letzten zwei Jahrzehnten für unterschiedliche Medien in deutschem Besitz gearbeitet: Für die Gazeta Wrocławska (Verlagsgruppe Passau), die Website money.pl (Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck) und seit zwei Jahren für Onet.pl, Forbes und Business Insider Polska (Ringier Axel Springer). Teilweise arbeitete er für diese Medien, bevor sie von deutschen Firmen übernommen wurden. Wie Malwina Gadawa bemerkt auch er keinen Einfluss der Verleger auf seine journalistische Tätigkeit – die Übernahmen hätten an seiner Arbeit nichts geändert. Dass ausländisches Kapital den Medienmarkt in Polen dominiere, sei allerdings nicht zu leugnen. „Es ist schwer zu sagen, ob das gut oder schlecht ist“, meint Bonek, „persönlich bin ich aber ein Fan der freien Märkte, und zu jeder Marktregulierung sage ich nein.“
Wie geht es weiter?
Wie sich die Bemühungen der polnischen Regierung, die Printmedien zu repolonisieren, weiter entwickeln werden, ist im Moment schwer zu beurteilen. Lucyna Szot meint dazu: „Wenn man aktuelle Trends in der polnischen Gesetzgebung und die Krise der demokratischen Rechtsstaatlichkeit berücksichtigt, kann man nicht ausschließen, dass ein neues Gesetz, welches fundamentale Regeln wie etwa den Schutz privaten Besitzes verletzt, erlassen wird.“ Die aktuell von der PiS mit aller Macht verfolgte Reform der polnischen Justiz, die der Regierung weitreichende Kontrolle über die polnischen Gerichte ermöglichen würde, verleiht dieser Aussage ungeahnten Nachdruck.
Dieser Beitrag ist Teil unseres deutsch-polnischen Themenspezials, das von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftssstiftung (DPWS) gefördert wird. Er ist im Rahmen eines Workshops mit deutschen und polnischen Studierenden an der Universität Wroclaw unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer (Erich-Brost-Institut, TU Dortmund) und Michał Kuś (Universität Wroclaw) entstanden.
Bislang im deutsch-polnischen Themenspezial auf der deutschen Seite erschienen:
Im Fokus: deutsche und polnische Medien
Der Einfluss der polnischen Regierung auf die Medien
Starke Kritik an Polens Medienreformen
Polnische Medien und Flüchtlinge: viele Fake News
Politikthemen waren tabu – Medien im Kommunismus
Katholische Medien in Polen – nah am Staat?
Hier geht es zum deutsch-polnischen Themenspezial auf der polnischen EJO-Seite:
http://pl.ejo-online.eu/tag/niemcy-polska-temat-specjalny
Bildquelle: Paul Sableman / Flickr CC: Fakt; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
Schlagwörter:Deutsch-Polnisches Themenspezial, Fakt, Gazeta Wrocławska, PiS, Polen, Polska Press Gruppe, Printmedien, Recht und Gerechtigkeit, Repolonisierung, Ringier Axel Springer, Verlagsgruppe Passau