Tschechische Medien wieder in lokaler Hand

18. September 2015 • Internationales, Medienökonomie • von

In den vergangen zwei Jahren hat Tschechien die dramatischsten Veränderungen auf dem Zeitungsmarkt seit Beginn der 90er Jahre erlebt. Unternehmen aus dem Westen, vor allem aus Deutschland, die vor 25 Jahren tschechische Zeitungen aufgekauft hatten, haben sich vom Markt zurückgezogen. Die Verlagsgruppe Passau war das letzte deutsche Medienunternehmen auf dem tschechischen Zeitungsmarkt und verlässt nun auch das Land. Im August hat sie den Verkauf der Mediengruppe Vltava-Laba-Presse (VLP) und damit der größten Regionalzeitung des Landes, Deník, bekannt gegeben.

Tschechische Medien wieder in lokaler Hand

Mit der Verlagsgruppe Passau zieht sich der letzte deutsche Medienbesitzer aus Tschechien zurück.

Auch, wenn der Verkauf noch von der Kartellbehörde geprüft und genehmigt werden muss, hat er schon einige Fragen bezüglich der Qualität, Unabhängigkeit und Zukunft der tschechischen Printmedien aufgeworfen.

Neuer Besitzer der Mediengruppe Vltava-Laba-Presse ist die tschechisch-slowakische Investorengruppe Penta. Bislang gehörten Immobilien, Finanzdienstleistungen und Gesundheitsvorsorge zu ihren Hauptgeschäftsfeldern. Die mangelnde Erfahrung im Medienbereich hat die Spekulation aufkommen lassen, dass der Erwerb der Mediengruppe nur dazu dienen soll, die eigenen Vorteile auszubauen – so wie dies seit 2013 schon bei anderen Medienübernahmen beobachtet werden konnte. Man hat Angst, dass die Medien für politische Zwecke eingespannt oder benutzt werden könnten, um Konkurrenten einzuschüchtern.

Der neue Besitzer hat keinen guten Ruf

Bei Penta gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum diese Ängste gerechtfertigt sein könnten. So sagte Marek Duspvia, einer der Miteigentümer von Penta, in einem Interview mit der tschechischen Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny: „Der Erwerb der Mediengruppe gibt uns die Gewissheit, dass es für jeden schwieriger wird, unvernünftiger Weise unser Unternehmen anzugreifen. Und ich betone das Wort unvernünftig.“
Zudem war Penta 2011 in einen großen politischen Skandal in der Slowakei verwickelt, der den Ruf des Unternehmens stark geschädigt hatte – die Gorilla-Affäre. Ein veröffentlichtes Abhörprotokoll des slowakischen Geheimdienstes enthüllte die Beziehungen zwischen Penta und führenden Politikern der Jahre 2005 und 2006 unter der konservativen Regierung von Mikuláš Dzurinda. Penta wurde verdächtigt, im Zuge der Privatisierung von Unternehmen Regierungsangehörige in Millionenhöhe bestochen zu haben. Die Ermittlungen sind bis heute ergebnislos.

2014 kaufte Penta dann die führende slowakische Qualitätszeitung SME, die eine der lautesten Kritikerinnen des Unternehmens war und regelmäßig über die Gorilla-Affäre berichtet hatte. Als Protest gegen die Übernahme, die als Versuch angesehen wurde, das Blatt zum Schweigen zu bringen, kündigte der Großteil des Redaktionsteam und gründete mit Denník N eine neue unabhängige Tageszeitung.

Entwicklung passt zum Trend in Mittel- und Osteuropa

Die kürzlich erfolgten Medieneigentümerwechsel in Tschechien passen in das Muster der aktuellen Medienentwicklung in Mittel- und Osteuropa (MOE). Wie die Studie Media and Democracy in Central and Eastern Europe der Universität Oxford feststellte, beeinflusste die Wirtschaftskrise 2008 die jungen, kleinen und immer noch nicht fest etablierten Medienmärkte Mittel- und Osteuropas viel intensiver als die Westeuropas oder der USA. Die Wirtschaftskrise und die daraus resultierenden Sparmaßnahmen zwangen viele westliche Unternehmen dazu, die MOE-Märkte wieder zu verlassen.

Die neuen inländischen Besitzer der Medienunternehmen sind meist Geschäftsleute, die zuvor in anderen Geschäftsbereichen erfolgreich waren. Sie unterscheiden sich wesentlich von den früheren westlichen Eigentümern, die sich hauptsächlich auf das Mediengeschäft fokussierten und in der Regel politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit für ihr jeweiliges Medienunternehmen gewährleisteten. Die Motive der neuen Eigentümer sind weniger eindeutig. Da Medienunternehmen seit der Wirtschaftskrise aber nicht mehr so profitabel sind, ist es nur wahrscheinlich, dass die mächtigen lokalen Akteure ihre Akquisitionen dazu benutzen wollen, um ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Vorteile auszubauen.

Die Mediensituation in Tschechien ist besser als jene in Rumänien, Bulgarien oder Ungarn, in den vergangenen Jahren hat es aber durchaus Signale für potenzielle Gefahren gegeben.

Wird sich das Gesetz ändern?

In Tschechien wurde Medieneigentum zu einem wichtigen öffentlichen Thema, als Andrej Babiš im Juni 2013 das Medienunternehmen Mafra und damit die zwei Qualitätszeitungen Mladá fronta Dnes und Lidové noviny erwarb. Babiš ist nicht nur einer der reichsten Geschäftsleute Tschechiens, sondern auch Finanzminister des Landes und Vorsitzender der beliebtesten Partei ANO. Später kaufte Babiš auch noch Impuls, einen der einflussreichsten tschechischen Radiosender.

Zu öffentlicher Kritik kam es auch Ende des Jahres 2013, als zwei weitere einflussreiche Geschäftsmänner, Daniel Křetínský und Patrik Tkáč, das Unternehmen Czech News Centre übernahmen, das mit Blesk die beliebteste Boulevardzeitung des Landes herausgibt.

Als Konsequenz der Eigentümerwechsel haben sich in Tschechien mehrere Initiativen gebildet, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Besitzverhältnisse auf dem tschechischen Medienmarkt zu entschlüsseln und die Medienfreiheit zu schützen. Eine von ihnen ist Svobodu médiím! (Freiheit für Medien!), die sich aus NGOs und Bürgerinitiativen zusammengesetzt hat und sich für eine Änderung des Mediengesetzes einsetzt. Tatsächlich bereitet das Kulturministerium Änderungen an mehreren wichtigen Mediengesetzen vor, darunter das Gesetz über die Bürgermedien, das Gesetz über die öffentlichen Rundfunkanstalten – und das Gesetz über die Regulierung des Medieneigentums.

Ob diese Änderungen das tschechische Mediensystem wirklich verbessern, bleibt offen. Letztlich hängt das von den endgültigen Fassungen der Gesetze und von der Bereitschaft der Politiker, diese zu unterstützen, ab.

Ungewisse Zukunft für die tschechische Lokalpresse

Die Übernahme von Deník durch Penta könnte aber auch einen Vorteil bringen – und zwar für den Lokaljournalismus. In den vergangenen Jahren musste die Regionalzeitung erhebliche Sparmaßnahmen und damit verbundenen Personalabbau hinnehmen. Die Journalisten der 70 Lokalredaktionen Deníks leiden seitdem unter dem Mangel an finanziellen Ressourcen. Sie verdienen weniger als ihre Kollegen, die für überregionale Medien arbeiten und stehen unter Zeitdruck, was sich negativ auf die Qualität des Journalismus auswirkt. Die Verlagsgruppe Passau hatte es nicht geschafft Deníks lokales Nachrichtennetzwerk auszubauen. Penta hat nun in einem offiziellen Statement versprochen in den Titel zu investieren, um die Qualität des Lokaljournalismus zu verbessern. Ob sie ihr Versprechen einhalten oder nicht – es wird der Beginn einer neuen Ära für den Journalismus in Tschechien sein.

Originalversion auf Englisch: Last Western Media Owner Sells Up in Czech Republic

Bildquelle: Flickr / Jaroslav A. Polak

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer

 

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