Vereint im Populismus?

6. September 2017 • Qualität & Ethik • von

Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beeinflusst auch die Berichterstattung über Deutschland – und stellt die deutsch-polnische Beziehung auf die Probe.

Viele europäische Länder haben seit einigen Jahren mit der Renaissance des Populismus zu kämpfen. Die populistische Simplifizierung und das Schüren von Ängsten ist nicht nur in der Politik spürbar. Zunehmend lassen sich solche Tendenzen in den Medien und im Journalismus beobachten. Besonders in Polen wird nicht nur die Medienberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender durch die nationalkonservative, teils rechtspopulistische Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) determiniert. Durch die gleichschaltenden Tendenzen, welche die Partei auf den polnischen Medienapparat ausübt, wird der Journalismus generell erheblich beeinflusst und in seiner Objektivität beeinträchtigt.

Natürlich liegt hier der Fokus besonders auf der nationalen Berichterstattung, aber ein Blick zum deutschen Nachbarn bleibt nicht aus. Doch welches Bild zeichnen die polnischen Journalisten durch ihre Berichterstattung über Deutschland und der Alternative für Deutschland (AfD)?

„Die Deutschen greifen Polen wieder an“

Ein besonders außergewöhnliches Beispiel sowohl für die deutsch-polnische Beziehung als auch für die polnische Medienberichterstattung über Deutschland war ein Ereignis zu Beginn des Jahres 2016. Die rechtskonservative polnische Tageszeitung „Gazeta Polska“ titelte im Januar 2016 „Die Deutschen greifen Polen wieder an“. Die Titelseite zeigte eine Montage eines Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg, auf dem ein polnischer Schlagbaum von deutschen Wehrmachtsoldaten getragen wird. Auf die Körper der Soldaten sind allerdings die Köpfe von Martin Schulz, Günther Oettinger und Angela Merkel montiert. Der Auslöser dafür waren kritische Äußerungen seitens deutscher Europa-Politiker wie Martin Schulz oder Günther Oettinger gegenüber der polnischen Regierung. Sie riefen Kampagnen von Medien hervor, die die Äußerungen der deutschen Europa-Politiker ins Leere laufen lassen sollten. So rief auch das Portal „Niezależna.pl“ mit der Aktion „Der Demokratie in Polen geht es gut“ seine Leser auf, Briefe an westliche Medien und Politiker zu verfassen, welche die Bedenken über den Zustand der polnischen Demokratie für unbegründet erklären sollten.

Auch die Verlängerung der Amtszeit des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk traf bei der polnischen Regierungspartei PiS nicht auf Zustimmung. Einige polnische Zeitungen unterstellten der deutschen Regierung daraufhin, dass sie Europa  dominieren wollten und versuchten, ein „deutsches Diktat“ aufzuzwingen. Rechtskonservative polnische Medien erklärten Tusks Wiederwahl damit, dass er Kanzlerin Merkels Mann für den Posten sei. Nachdem die Gazeta Polska bereits durch die Soldaten-Montage für Aufsehen sorgte, schreckte die regierungsnahe Zeitung auch im Fall Tusk nicht vor einem Nazivergleich zurück: Auf der Titelseite zeigte sie eine Straßenbahn mit dem Schild „Nur für deutsche Fahrgäste“, einem Donald Tusk in Wehrmachtsuniform und einer freudig lachenden Merkel. Der Bezug zur deutschen Besatzung, während der es Straßenbahnen mit Abteilen nur für Deutsche gegeben hatte, ist klar erkenntlich.

Der polnische Journalistenverband „Towarzystwo Dziennikarskie“ verfasste daraufhin einen offenen Brief, der eine ganz klare Gegenstimme zur „Hetzkampagne“ gegen die Deutschen darstellen sollte. Dieser wurde sowohl auf Polnisch als auch auf Deutsch und Englisch veröffentlicht und richtete sich an die deutsche Öffentlichkeit und die Journalisten:

„Obwohl wir für diese schäbige Propagandakampagne, von der wir auch betroffen sind, nicht verantwortlich sind, möchten wir an Sie Worte der Entschuldigung und des Bedauerns richten. Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, sind Journalisten, Publizisten und Redakteure der Medien, die mit der Idee von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stark verbunden sind. Wir bewundern die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat für die Einhaltung demokratischer und moralischer Standards und für die Solidarität mit Verfolgten.“

Deutsch-polnisches Verhältnis: eine Gradwanderung

Piotr Cywiński, Experte für deutsch-polnische Beziehungen und Journalist, weiß, dass die Vergangenheit jenseits der Oder-Neiße-Grenze immer noch eine große Rolle spielt: „Leider sind die Gefühle, die aus der Vergangenheit resultieren, immer noch lebendig, vor allem bei den älteren Polen. Sie sagen häufig: ‚Ein guter Deutscher ist ein toter Deutscher.‘“ Geht es um die prinzipielle Darstellung der Deutschen in den polnischen Medien, so handelt es sich laut Cywiński um eine Gradwanderung: „Wenn ich in meinen Artikeln positiv über unsere deutschen Nachbarn schreibe, gelte ich häufig als deutschlandliebend. Wenn ich kritisch bin, als deutschlandhassend – dazwischen gibt es nichts.“

27 Jahre ist es her, dass Deutschland und Polen den „Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ unterschrieben haben. Damit versicherten sich beide, nie wieder in der Geschichte zurückzublicken; weder auf die Verbrechen, die während der Besatzungszeit von den Deutschen begangen wurden noch auf die Erblast der NS-Herrschaft in Europa. Es sollte gemeinsam an einer Zukunft der deutsch-polnischen Annäherung und der Integration Polens in Europa gearbeitet werden, jedoch: „Weder die vergangene Zeit, noch die Grenzabkommen oder eine gute nachbarliche Beziehung haben die Vorurteile und Stereotypen, die sowohl auf deutscher, als auch auf polnischer Seite herrschen, beseitigen können“, erklärt Piotr Cywiński.

Die AfD als möglicher Partner und Unterstützer?

Umso überraschender ist die Tatsache, dass es einige polnische AfD-Sympathisanten gibt, die glücklich über die deutsche, rechtspopulistische Partei als Partner der polnischen nationalkonservativen Partei PiS wären. All das, obwohl der momentane Spitzenkandidat, Alexander Gauland, eine Wiederbelebung gewisser Elemente der Rückversicherungspolitik Bismarcks gegenüber Russland fordert. Gleicherweise möchte Gauland, dass die Deutschen sich ihrer Minderwertigkeitsgefühle, die aus der nationalsozialistischen Vergangenheit resultieren, entledigen. Das soll vor allem durch eine Rückbesinnung auf nationale Werte geschehen.

„Es gibt einige Polen, die die ihnen nicht allzu bekannte ‚Alternative‘ unterstützen. Diese Einstellung folgt aber besonders aus den Ansichten der Partei bezüglich der Migrations- und Flüchtlingspolitik“, erklärt Piotr Cywiński. Jedoch ist die Alternative für Deutschland abseits ihrer polnischen Sympathisanten dem Großteil der polnischen Bevölkerung kein Begriff. Das liegt besonders daran, dass sich die polnischen Medien nur sehr selten und selektiv mit der Partei auseinandersetzen. Im Zuge des zunehmenden Zuspruchs der deutschen Bevölkerung gegenüber der AfD begannen die polnischen Nachbarmedien im September 2013 nach den Wahlen über die Partei zu berichten. Einerseits stehe bei der Berichterstattung der informierende Aspekt vorn, es lasse sich jedoch auch eine gewisse „Schwarz-Weiß-Malerei“ beobachten, betont der Journalist Piotr Cywiński.

„Sensationelles Ergebnis der Alternative für Deutschland“, „Euroskeptisch“, „Dunkles Pferd“, also ein erfolgreicher Außenseiter, titelte die Gazeta Polska. Nicht zuletzt geht es in vielen Artikeln um ökonomische Aspekte, wie die Eurozone und die Finanzierung des Rettungsschirms für Griechenland, denen die AfD sehr kritisch gegenübersteht. In diesen Ansichten stimmen die politische Linie der polnischen Regierung und die der AfD überein und lässt sie fälschlicherweise als möglichen Partner und Unterstützer erscheinen.

Abseits der polnischen AfD-Sympathisanten gibt es jedoch einige kritische Stimmen, die nicht nur opportun die politischen, populistischen Gemeinsamkeiten sehen und vielmehr hoffen, dass die Partei keinen weiteren Zuspruch durch die deutsche Bevölkerung erhält.

„Gerade auf Grund der antipolnischen Einstellung der Partei fürchten viele um eine weitere Verschlechterung des deutsch-polnischen Verhältnisses“, erklärt die polnische Journalistin Beata Bielecka, die seit 20 Jahren an der deutschen Grenze lebt und arbeitet. Die Wahlergebnisse der AfD seien ein Schock gewesen, dennoch: „Ich habe mich als Polin sehr gefreut, dass die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt/Oder sich sofort klar und deutlich gegen die Sprüche der AfD gestellt hat“, sagt Bielecka.

Polnische Medien über die AfD – zwischen Anerkennung und Warnrufen

Spätestens nachdem AfD-Parteimitglied Björn Höcke öffentlich dazu aufrief, die „dämliche Bewältigungspolitik“ bezüglich der deutschen nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden zu beenden, sind die Warnrufe in den polnischen Medien bezüglich der AfD lauter geworden. So schrieb das PiS-nahe Nachrichtenportal wPolityce.pl: „AfD-Politiker gerechtfertigter Weise ausgeschlossen von der Zeremonie zum Gedenken an die Opfer des Buchenwald-Lagers. Der Grund? Er verlangt eine 180-Grad-Wende in der deutschen Erinnerungskultur”“ und warnte ebenfalls vor der pro-russischen Einstellung der Partei: „AfD will tatsächlich Sanktionen gegen Russland aufheben und Kontakte zu Moskau knüpfen“.

Zwar gibt es eben diesen einen Punkt der offensichtlichen Gemeinsamkeit, den die PiS und die AfD in ihren politischen Ideologien teilen – den Populismus. Während der AfD die entsprechende Mehrheit fehlt, hat die PiS in Polen den Rückhalt in der Bevölkerung. Dass die PiS-Partei oder die polnischen „Neuen Rechten“ mit der deutschen AfD einen neuen Alliierten im politischen System finden wird, hält Journalist Piotr Cywiński aber für unwahrscheinlich: „Das größte Problem des Populismus ist, dass er sich nicht einig ist. Das Kriterium ist stets die Nationalität, welches bezweckt, dass die eigene Nation an erster Stelle steht.“ Natürlich gebe es einige Gemeinsamkeiten, die sich besonders auf die ‘Anti-Establishment’ Haltung der AfD bezögen, jedoch seien diese nur in geringer Anzahl vorhanden.

Zuletzt bleibt aus der Sicht der polnischen Bevölkerung die Frage nach den Konsequenzen, die eine stärker werdende AfD im deutschen Parteiensystem für Polen haben könnte. Die polnische Berichterstattung über die deutsche rechtspopulistische Partei schwankt zwischen Anerkennung und Warnrufen: jedoch ist klar, die PiS stellt mit ihren Einstellungen bereits eine große Gefahr für die Beziehung zwischen Deutschland und Polen dar. Die AfD ist aber eben auch nicht nur das momentane enfant terrible der deutschen Politik, sondern gefährdet ebenso die diplomatische Beziehung zum Nachbarn Polen.

 

Mitarbeit an der Recherche: Julia Trzcinska

Bildquelle: Screenshot Twitter

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres deutsch-polnischen Themenspezials, das von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftssstiftung (DPWS) gefördert wird. Er ist im Rahmen eines Workshops mit deutschen und polnischen Studierenden an der Universität Wroclaw unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer (Erich-Brost-Institut, TU Dortmund) und Michał Kuś (Universität Wroclaw) entstanden. 

 

Bislang im deutsch-polnischen Themenspezial auf der deutschen Seite erschienen:

Im Fokus: deutsche und polnische Medien

Polnische Medien im Wandel

Der Einfluss der polnischen Regierung auf die Medien

Starke Kritik an Polens Medienreformen

Kampf gegen deutsche Dominanz

Polnische Medien und Flüchtlinge: viele Fake News

Politikthemen waren tabu – Medien im Kommunismus 

Katholische Medien in Polen – nah am Staat?

 

Hier geht es zum deutsch-polnischen Themenspezial auf der polnischen EJO-Seite:

http://pl.ejo-online.eu/tag/niemcy-polska-temat-specjalny

 

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1 Responses to Vereint im Populismus?

  1. E.G. sagt:

    auch in anderen Länder der EU wird die Vorherrschaft Deutschlands in der EU kritisiert, nicht nur in Polen, nur in anderen Ländern sagt es das Volk und nicht die Politik, denn die meisten Länder haben die “richtigen” Regierungen.

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