Die „goldene Dekade“ der globalen Medienforschung

26. September 2014 • Qualität & Ethik • von

Von einer „goldenen Dekade“ berichtet David Fernández-Quijada in der Fachzeitschrift Nordicom Review (Nr. 1/2014) und blickt dabei auf ein Jahrzehnt der Internationalisierung der Medienforschung in den skandinavischen Ländern zurück. Die Zahl der international publizierten Forschungsarbeiten habe sich von 2000 bis 2010 verzweieinhalbfacht, und die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg stark zugenommen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis wäre der spanische Medienanalyst, der bei der European Broadcasting Union in Genf arbeitet, auch gekommen, hätte er sich die Schweiz oder Österreich genauer angeguckt: Während große Länder wie Deutschland und Frankreich stärker in sich selbst ruhen (und Italien das so sehr tut, dass es längst den Anschluss an die Forschungsentwicklung zu verlieren droht), sind es einmal mehr die kleinen Länder, die sich schneller international aufstellen – wobei „international“ hier vor allem „angelsächsisch“ heißt.

In Osteuropa hat die Aufholjagd in der Medienforschung übrigens ebenfalls zu einem Internationalisierungsschub geführt: Neben den kleinen Ländern des Baltikums sind es hier vor allem die polnischen Forscher, die mit ihrer gediegenen Fachzeitschrift Central European Journal of Communication zum Impulsgeber wurden. Die Zeitschrift bietet längst nicht mehr nur Forschern aus den östlichen Nachbarländern eine Plattform – in der jüngsten Ausgabe reicht der geographische Horizont weit über Zentral-und Osteuropa hinaus bis in die USA.

In Österreich und in der Schweiz lässt sich sogar ein Anstoßgeber identifizieren, der in beiden Ländern die Internationalisierung in der Forschung mitausgelöst hat. Klaus Schönbach, der inzwischen an einem Ableger der amerikanischen Northwestern University in Qatar arbeitet, hat zunächst in der Schweiz einen wichtigen Impuls gegeben – als Vorsitzender einer Kommission, welche zu Beginn des neuen Jahrhunderts die hiesige Medienforschung  evaluiert hat. Danach wurde er an die Universität Wien berufen, hat mit Verve das dortige Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft umgekrempelt und Forscher aus dem Ausland geholt.

Einhergehend mit diesem Schub hat sich die Medienforschung in den letzten Jahren auch inhaltlich neu ausgerichtet. Es gibt zunehmend Forschungs-Verbünde, um in Großprojekten europäische Medienentwicklungen zu analysieren: So vergleichen Thomas Hanitzsch (Universität München) und seine Mitstreiter die Journalismus-Kulturen in  21 Ländern. Zur Media Accountability, also zur Art und Weise, wie Redaktionen sich gegenüber ihren Publika rechenschaftspflichtig fühlen und sich mit Kritik und Beschwerden auseinandersetzen, haben soeben Forscher aus elf europäischen und zwei arabischen Ländern unter Leitung von Susanne Fengler (Universität Dortmund) ihren gemeinsam erarbeiteten Endbericht vorgelegt. Ein Forscherteam um Luigi Parcu (Europäisches Hochschulinstitut, Florenz) hat kürzlich damit begonnen, die Entwicklung des Medien-Pluralismus in Europa kontinuierlich zu beobachten.

Derlei vergleichende Analysen könnten, indem sie „Best practice“-Beispiele identifizieren, auch Journalisten Orientierungshilfen bieten, wie es sie vor zehn Jahren schlichtweg noch undenkbar waren. Dumm nur, dass mit der Forschungs-Internationalisierung auch einher geht, dass für Außenstehende die Sprachbarrieren höher werden. Sie erschweren eine angemessene Nutzung der Ergebnisse, von denen viele nur noch auf Englisch publiziert werden. Das führt zurück ins Mittelalter, als die Gelehrten sich vom Rest der Welt abschirmten, indem sie auf Lateinisch kommunizierten. Das Englische wird zur universalen Sprache nicht nur der Kommunikationswissenschaft – mit der Folge, dass eine Vielzahl von Medienpraktikern kaum noch eine Chance hat, deren Erkenntnisse zu nutzen. Damit einher geht außerdem, dass den Forschern das sprachliche Differenzierungsvermögen abhandenkommt, weil sie ja nicht mehr in ihrer Muttersprache publizieren. Ihre Wissenschaftsprosa wird so noch schwerer verdaulich.

Quellen:

David Fernández-Quijada: A Golden Decade. Exploring Internationalization in Nordic Communication Research, in: Nordicom Review 35 (2014), Nr. 1, 135-152 http://www.academia.edu/7398303/A_golden_decade_exploring_internationalization_in_Nordic_communication_research

Worlds of Journalism: http://www.worldsofjournalism.org/)

MediaAcT: http://www.mediaact.eu/

Fengler, Susanne et al. (2014): Journalists and Media Accountability (2014): An International Study of News People in the Digital Age. New York: Peter Lang

European Media Pluralism Monitor: http://cmpf.eui.eu/News/All/131015MediaPluralismMonitor.aspx

Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist

 Bildquelle: Flickr.com, Andrea della Adriano 

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