Milliardäre und Qualitätsjournalismus

8. Dezember 2014 • Medienökonomie, Redaktionsmanagement • von

Der Journalismus befindet sich in der Krise. So zumindest der Grundtenor in Medienbranche und Journalismusforschung. Nun macht es sich eine Gruppe von Milliardären zum Hobby, den Journalismus zu retten – gesellschaftliches Engagement oder geschicktes Investment?

Sinkende Werbeeinnahmen und die wachsende Konkurrenz durch Online-Medien setzen den klassischen Zeitungsverlagen massiv zu. Die Financial Times Deutschland (eingestellt), die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Abbau von 10 Prozent der journalistischen Arbeitsplätze) und die New York Times (zum vierten Mal 100 Stellen abgebaut) sind Beispiele für Medienangebote und Arbeitsplätze, die dem Kostendruck zum Opfer fielen.

Nun haben sich einige engagierte Milliardäre zur Aufgabe gemacht, den bedrängten Qualitätsjournalismus zu retten. Neu ist dieses Phänomen nicht. Bereits lange vor dem Internetzeitalter stiegen betuchte Unternehmer wie William Hearst (Bergbaudynastie) oder Silvio Berlusconi (Bauwirtschaft, Warenhäuser) ins Mediengeschäft ein. Ihr Anliegen war nicht die Rettung des Journalismus. Ihre Motivation waren Profit und Einfluss.

Stehen heute andere Motive im Vordergrund?

Fall 1: Im Februar 2014 startete First Look Media, das gemeinnützige digitale Medienunternehmen des amerikanischen Milliardärs Pierre Omidyar. Nach eigenen Angaben investiert der eBay-Gründer 250 Millionen US-Dollar in sein Medien-Startup.

Fall 2: Im August 2013 kaufte Jeff Bezos, Gründer und Eigentümer von Amazon, die amerikanische Tageszeitung The Washington Post.

Fall 3: Zu Beginn des Jahres 2014 besiegelten Arianna Huffington, Herausgeberin der Huffington Post, und der umstrittene Karstadt-Investor Nikolas Berggruen ihre Zusammenarbeit bei der World Post. Diese digitale Nachrichtenplattform mit Fokus auf internationaler Politik steht Berggruens Think Tank Institute of Governance nahe.

Die Finanzierung durch einen Mäzen scheint einen gesellschaftlichen Nerv zu treffen. Aber was sind die Absichten dieser journalistischen Quereinsteiger? Und welchen Beitrag zur demokratischen Öffentlichkeit leistet diese Form von Journalismus?

Hunger nach Geld, Macht und Einfluss?

Die Geldgeber verschreiben sich der Wahrheit. Sie wollen großartigen Journalismus möglich und aus Mainstream-Lesern engagierte Bürger machen. Sie wollen dem bedrängten Qualitätsjournalismus eine neue Richtung geben, fernab von Werbung und Kostendruck. So lauten die Versprechen der Mäzene, wie es etwa Pierre Omidyar in seinem persönlichen Blog verkündet. Trotz dieser hehren Ziele und dem Bekenntnis zur gesellschaftlichen Verantwortung ist eines nicht zu vergessen: Omidyar, Bezos und Berggruen sind in erster Linie Geschäftsmänner. In ihrem Vorleben haben sie sich immer gut überlegt, wann und wo sich ein Investment lohnt. Die aktuellen Umbrüche in der Medienlandschaft erzeugen offenbar ein einladendes Vakuum, in dem sich diese Akteure etablieren können. Akteure, die von diesen Veränderungen (auch) profitieren wollen.

Bereits kurz nach der Übernahme begann Jeff Bezos mit dem Umbau der Washington Post zu einem digitalen Magazin, das vor allem über Amazons eigene Plattform Kindle vertrieben werden soll. Die Washington Post gerät dadurch in den Geruch, ein Amazon-Produkt zu sein, das mit exklusiven Inhalten die Verkaufszahlen des Kindle ankurbeln soll.

In einem weiteren Schritt ersetzte Bezos die langjährige Herausgeberin der Washington Post, Katharine Weymouth, durch Frederick J. Ryan. Ryan gilt als enger Vertrauter des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und pflegt bis heute gute Kontakte zur US-Regierung. Auch Nikolas Berggruens World Post “aims to influence governance practices around the world”. Unter den Autoren in der World Post finden sich bekannte Milliardäre und Freunde Berggruens – und auch Pierre Omidyar. Mit einer Plattform für unabhängigen Journalismus hat das wenig gemein. Viel eher wirkt die World Post wie ein Sprachrohr der Einfluss-“Reichen”.

Ein unabhängiger Mäzen-Journalismus?

First Look Media, die Washington Post und World Post beschäftigen in ihren Redaktionen namhafte Journalisten. Wie zum Beispiel Glenn Greenwald, der für den britischen Guardian die NSA-Enthüllungen durch Edward Snowden und den größten Geheimdienstskandal der neueren Geschichte aufarbeitete. Greenwald wechselte zu First Look Media und setzt dort seine Arbeit an den Snowden Enthüllungen fort.

Die Frage drängt ist auf, wie unabhängig Mäzen-Journalismus von seinem Mäzen sein kann. Denn selbst wenn sich die Geldgeber nicht direkt in den redaktionellen Alltag einmischen, nehmen sie indirekten Einfluss auf die Themen. Sie finanzieren bestimmte Recherchen oder bestimmte Journalisten und setzen damit Themen auf die Medienagenda – oder tun dies eben nicht. Pierre Omidyar reanimierte mit der Unterstützung von Glenn Greenwald die Aufmerksamkeit für den NSA-Skandal. Wohl bewusste Themensetzung, kein Zufall.

Dazu kommt eine diffuse Rechenschaftspflicht dieser Form des Journalismus. Plattformen wie First Look Media oder World Post sind in erster Linie ihren Geldgebern Rechenschaft schuldig, weniger ihren Lesern oder der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig stellt ein Mäzen auch ein erhebliches Klumpenrisiko dar. Verliert Omidyar eines Tages den Gefallen an seinem First Look Media, gehen in der Redaktion sofort die Lichter aus. Nachhaltiger Journalismus ist das eher nicht.

Fragen nach der redaktionellen Unabhängigkeit

Kann dieser Mäzen-Journalismus also überhaupt einen Beitrag zu einer demokratischen Öffentlichkeit leisten? Gegen die Finanzierung von Journalismus durch Geldgeber ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Dennoch sind Fragen nach der redaktionellen Unabhängigkeit und der gesellschaftlichen Verantwortung angebracht, ja sogar dringend notwendig. Denn der Mangel an zivilgesellschaftlicher Rechenschaft und die Abhängigkeit vom Mäzen stellen den Beitrag dieser neuen Form von Journalismus unter den Generalverdacht der Parteilichkeit, solange die Berichterstattung nicht das Gegenteil belegt.

Die Rettung einer gefährdeten Branche ist zu einem neuen Milliardärs-Hobby geworden. Der Heldenkreis scheint von Monat zu Monat größer zu werden. Ohne diesen Helden unlautere Absichten zu unterstellen: Omidyar, Bezos und Berggruen haben sich als Geschäftsleute einen Namen gemacht – nicht als Weltverbesserer.

(Von Julia Dandler, Florian Uibner und Josef Trappel für die Forschungsgruppe Medienwandel der Universität Salzburg)

Bildquelle: Elisa…/flickr.com

Erstveröfentlichung: Der Standard vom 10. November 2014

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