Es gibt (k)ein Leben nach dem Sturz

27. April 2006 • Ressorts • von

Werbewoche, Nr. 16, 2006

Wie sich die die Bilder gleichen, über alle ideologischen Gräben hinweg: Die Machteinbusse scheint für Parvenues, die es in der Politik bis zum Alphatier gebracht haben, häufig mit Realitätsverlust einherzugehen. Jedenfalls war der Abschied offenbar für Silvio Berlusconi wie für Gerhard Schröder so unvorstellbar und zugleich so schmerzlich, dass beide erst einmal Tage brauchten, bis sie ihre Wahlniederlage als solche zur Kenntnis nahmen. Zwischenzeitlich gaben sie sich quälend lange die Blösse des schlechten Verlierers.

Berlusconi blieb allerdings die Ausflucht versagt, die Schröder für sich nutzte. Die Schuld am eigenen Untergang den Medien in die Schuhe zu schieben, das hätten dem italienischen Premier noch nicht einmal seine eigenen Anhänger abgenommen. Wer wie Silvio B. alle sechs wichtigen TV-Sender seines Landes unter Kontrolle hat und zudem Mehrheitseigner des grössten Zeitschriftenverlages ist, den können Journalisten schwerlich zu Fall bringen. Berlusconi hat das Kunststück vollbracht, trotz seiner Medienvormacht und trotz einer schwachen Opposition seine Mehrheit zu verspielen – und dann seinen eigenen Innenminister der Wahlmanipulation zu bezichtigen.

Es gibt indes weitere Gemeinsamkeiten zwischen Berlusconi und Schröder: Beide galten sie als „grosse Kommunikatoren“. Beide haben sie, der eine als Medienkanzler, der andere als Medienmagnat und Premierminister, populistisch und auch ziemlich selbstherrlich mit den Medien gespielt. Und beide haben sie letztlich auch gegen die Medien verloren.

Im italienischen Wahlkampf hatte es kaum noch ein Fettnäpfchen gegeben, in das Berlusconi nicht getreten wäre. Dafür nur ein geradezu groteskes Beispiel: Weil Lucia Annunciata, die frühere RAI-Intendantin, als TV-Journalistin seiner Majestät kritische Fragen stellte, rannte er wütend und kopflos vor laufender Kamera aus dem Fersehstudio heraus. Die Journalisten brauchten gar nicht gegen Berlusconi zu sein. Es reichte vollauf, dass sie ihrer Chronisten-Pflicht folgten und reportierten, wie sich der Premier medial von Auftritt zu Auftritt selbst demontierte.

Sarà avvincente vedere quale sarà il seguito. Di­versamente da Schröder, Berlusconi ha accumu­lato tanti milioni e non si vedrà certo costretto a rimettersi nelle mani di Putin o di Ringier. E’ inve­ce molto probabile che, come in precedenza ac­cadde per Helmut Kohl e Giulio Andreotti, diventi oggetto di scandalo. Aspettiamo e vediamo, dopo la caduta del monumento, cosa ci riserva la giu­stizia italiana liberata dal suo bavaglio, insieme alla collaborazione di quei media di cui Berlusco­ni non ha il controllo. Forse l’acquisto di una casa in Svizzera è il primo indizio della sua intenzione di sottrarsi a tutto questo. Nel frattempo ci augu­riamo che i capobranco della politica possano trar­re esempio dall’ Inter:un po’ di spirito sportivo nel ruolo del perdente donerebbe senz’altro ai Berlu­sconi e Schröder del nostro tempo.

So ist zumindest anzunehmen, dass Berlusconi zu guter Letzt auch in dieselbe Falle getappt ist, in der sich schon Schröder befand und in die Politiker und Militärs oftmals geraten. In Konflikten – in Wahlkämpfen ebenso wie im Krieg – nehmen beide Lager die Medien als feindselig wahr. Amerikanische Medienforscher haben dies als hostile media phenomenon bezeichnet. Aber einmal abgesehen von Parteizeitungen, ist es für Medien einfach unklug, allzu einseitig Partei zu ergreifen. Sie verprellen damit nämlich den Teil ihres Publikums, der anderer Auffassung ist und stehen somit ihrem eigenen kommerziellen Erfolg im Weg – eine Einsicht, die sich freilich im romanischen Sprachraum im Vergleich zum angelsächsischen und deutschen eher zögerlich ausbreitet.

Spannend bleibt jetzt erst einmal, wie es weiter gehen wird. Anders als Schröder, hat Berlusconi so viele Millionen angehäuft, dass er sich weder in Putins noch in Ringiers Dienste begeben muss. Dafür wird er allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie schon vor ihm Helmut Kohl und Giulio Andreotti, skandalisiert werden. Warten wir ab, was nach dem Denkmalsturz die jetzt nicht mehr knebelbare Justiz noch alles zu Tage fördern wird – im Verbund mit jenen Medien, die Silvio B. nicht selbst kontrolliert. Vielleicht ist ja sein Hauskauf in der Schweiz ein erstes Indiz dafür, dass er sich all dem rechtzeitig zu entziehen gedenkt. Wir wünschen uns derweil, dass die Alphatiere der Politik vom deutschen Torwart Olli Kahn lernen. Ein bisschen mehr Sportsgeist in der Verliererrolle stünde den Berlusconis und Schröders dieser Welt nämlich gut zu Gesicht.

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