Smartphone-Journalist versus TV-Team

29. August 2017 • Digitales • von

Eine aktuelle Studie zeigt, dass mobiler Journalismus eine effizientere Interview-Methode als traditioneller Fernsehjournalismus sein kann. In einem Feldversuch in Finnland konnte ein Smartphone-Journalist mehr Passanten dazu bewegen, an einer Vox-Pop-Umfrage teilzunehmen, als ein zweiköpfiges Fernsehteam.

In meiner Studie Closer to the Story? Accessibility and Mobile Journalism untersuche ich, ob Journalisten mit mobilen Journalismus-Techniken näher an die Menschen und eine Story herankommen als mit traditionelleren Mitteln.

Für die Studie habe ich elf erfahrene Smartphone-Journalisten aus Australien, Deutschland, Großbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden und Qatar interviewt. Alle waren sich einig, dass sie als mobiler Journalist an Storys gekommen seien, die mit einer traditionellen Fernsehkamera und einer mehrköpfigen Crew unmöglich zu filmen gewesen wären. Die meisten der Befragten gaben an, gespürt zu haben, dass ihre Interviewpartner einen mobilen Journalisten bevorzugten, entweder aus psychologischen Gründen oder weil die Ausrüstung weniger aufdringlich als bei einem Fernsehteam sei.

Um die Aussagen der Journalisten zu überprüfen, habe ich einen Feldversuch in einem Einkaufszentrum in Helsinki durchgeführt. Mein Ziel war es herauszufinden, ob ein Smartphone-Reporter mehr Passanten dazu bewegen kann, an einer Vox-Pop-Umfrage teilzunehmen als ein zweiköpfiges Fernsehteam. An zwei Tagen im Februar 2017 sprachen der mobile Journalist und das Fernsehteam jeweils 200 Passanten im Kamppi-Einkaufszentrum an. Während es der Smartphone-Journalist schaffte, ein Drittel (33,5 Prozent) der Passanten zu einem Statement vor der Kamera zu bewegen, blieben beim Fernsehteam nur 21 Prozent der Vorbeigehenden stehen, um sich vor der Kamera zu äußern. Die Fehlerquote belief sich dabei auf knapp sieben Prozent.

Für dieses Ergebnis gibt es zwei mögliche Gründe. Erstens war der Smartphone-Journalist alleine unterwegs, während das Fernsehteam aus einem Reporter und einem Kameramann bestand.  Zweitens war der mobile Journalist lediglich mit einem iPhone mit externem Objektiv und einem Ansteckmikrofon unterwegs, während das Fernsehteam mit einer großen Kamera, einem Stativ und einem großen Mikrofon ausgerüstet war.

Einige der Passanten wurden gefragt, welche Methode sie bevorzugten. Für einen 23-jährigen Mann lag die Antwort klar auf der Hand: Er fand es wesentlich angenehmer, von einem Smartphone-Journalisten befragt zu werden. „Wenn man eine große Kamera vor sich hat, könnte man denken, es handelt sich um eine große Sache und man bekommt wirklich ernsthafte Fragen gestellt. An Smartphones sind wir dagegen gewohnt, wir nutzen sie täglich. Das ist viel angenehmer und macht auch Spaß”, sagt er. Ein 26-jähriger Passant zeigte sich etwas unentschlossener, entschied sich letztlich aber auch für den mobilen Journalismus: Da der Smartphone-Reporter alleine unterwegs gewesen sei, hätten die Situation zwangloser und der Journalist sympathischer gewirkt.

Abgesehen von kleinen Unterschieden zwischen den Generationen und Geschlechtern sahen alle Altersgruppen sowie Frauen und Männer gleichermaßen den mobilen Journalismus als die effektivere Methode an. So erklärten sich beim Fernsehteam 23 Prozent der unter 40-Jährigen und knapp 20 Prozent der über 40-Jährigen bereit, ein Statement vor der Kamera abzugeben. Der Smartphone-Journalist hatte in beiden Altersgruppen mehr Erfolg: Knapp 40 Prozent der jüngeren Teilnehmer und fast 27 Prozent der älteren Teilnehmer äußerten sich vor der Smartphone-Kamera. Dabei zeigten sich Frauen gegenüber einer Teilnahme an der Vox-Pop-Umfrage generell aufgeschlossener: Dem Smartphone-Journalisten gaben knapp 39 Prozent der Frauen und etwas mehr als 27 Prozent der Männer eine Antwort, dem Fernsehteam ein Viertel der Frauen und knapp 16 Prozent der Männer.

Der Feldversuch zeigt, dass mobiler Journalismus als eine sehr effektive Methode erscheint, Passanten zur Teilnahme an einer Vox-Pop-Umfrage zu bewegen. Bezogen auf andere Interviewformen und auch in anderen Ländern könnten die Ergebnisse allerdings ganz anders aussehen – wie die Statistiken zeigen, haben die Finnen ein außerordentlich großes Interesse an der Smartphone-Nutzung.

Der Feldversuch förderte aber auch einen Nachteil des mobilen Journalismus zutage: mangelnde Glaubwürdigkeit. Einige der Passanten sagten, dass sie „richtigen“ Fernsehteams mehr vertrauten. Auch mehrere der befragten Smartphone-Journalisten erwähnten das Problem der mangelnden Glaubwürdigkeit. Es war neben einigen technischen Mankos, die der mobile Journalismus mit sich bringe, einer der wenigen Nachteile, die sie nannten.

„Die Leute denken manchmal, dass mobiler Journalismus reiner Amateur- und Bürgerjournalismus sei. Ich glaube aber, dass sich diese Wahrnehmung langsam ändert, da sich MoJo als Berichterstattungsformat immer mehr verbreitet und sich auch Printjournalisten im Bereich Video fortbilden“, so der australische Journalist und MoJo-Trainer Ivo Burum im Interview.

 

Die Studie steht auf der Website des Reuters Institute for the Study of Journalism zum Download zur Verfügung (auf Englisch).

 

Bildquelle: ANDR3W/Flickr CC: Interview’d; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

 

Originalversion auf Englisch: Research: Do Mobile Journalists Get More Interviews?

 

 

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