Digital-Abos in der Schweiz: Preis ist zu hoch

1. Oktober 2018 • Redaktion & Ökonomie • von

In der digitalen Ära gibt es nur eine junge Zeitung in der Schweiz. Es ist die alte Tante.

Bei der New York Times drehen sie derzeit fast durch. Auch im ersten Halbjahr 2018 haben sie wieder 200.000 digitale Abonnenten dazugewonnen.

Die New York Times kommt nun auf 3,8 Millionen Abonnenten. 2,9 Millionen davon, mehr als drei Viertel, haben die digitale Ausgabe abonniert. Das sind doppelt so viele Abos wie im Sommer 2015.

Im Sommer 2015 kündigte Donald Trump seine Präsidentschaftskandidatur an.

Danach erlebten die US-Zeitungen den sogenannten „Trump bump“. Der kontroverse Präsident brachte Millionen von Lesern zu den Zeitungen zurück, die für immer verloren schienen.

Neben der New York Times vermelden auch andere Trump-kritische Blätter wie Washington Post und Los Angeles Times dauernd neue Abo-Rekorde.

Damit können wir eine erste Parallele zur Schweiz ziehen. Christoph Blocher, der kontroverseste Politiker unseres Landes, ist aus Mediensicht leider nie an Trump herangekommen. Im Gegenteil, ausgerechnet die zwei Blocher-kritischsten Blätter, der Tages-Anzeiger und der Blick, sind seit dem Jahr 2000 bei der Auflage die größten Verlierer der Branche. Es gab keinen „Blocher bump“.

Inzwischen hat sich auch der „Trump bump“ abgeschwächt. Vierzig Prozent der digitalen Neuabonnenten der New York Times buchen heute wegen der Koch- und Kreuzworträtsel-Angebote der Zeitung.

Aber sie buchen. In den USA hat das digitale Abonnement die klassischen Zeitungsverlage aus einer moribunden Vergangenheit in eine springlebendige Gegenwart geführt. Papier ist passé, aber Zeitunglesen ist en vogue.

Damit wären wir bei der zweiten Parallele zur Schweiz. Die Schweizer Verlage haben den Trend zur elektronischen Zeitung verpasst.

Wir betrachten einmal, wie groß bei unseren auflagestärksten Zeitungen der Anteil der bezahlten, digitalen Abonnements gemessen an der verbreiteten Auflage ist.

Das Resultat ist deprimierend. Die Schweizer Medienbranche ist elektronisches Paläozän. Nur die NZZ kommt mit 16,7 Prozent auf einen ansehnlichen Anteil von digitalen Abonnenten. Die alte Tante tanzt vorneweg, die andern kriechen. Auch der Blick, Gesamtauflage noch 122.087, kann nicht mithalten. Er publiziert zwar keine E-Paper-Zahlen, aber man weiß, dass sie ebenfalls schwach sind.

Der Grund für das Versagen ist sehr schweizerisch. Der Preis ist zu hoch. Ein Monatsabonnement der digitalen New York Times oder Washington Post kostet um die neun Franken. Bei den Schweizer Zeitungen hingegen kostet ein digitales Abo in der Regel dreimal so viel. Das elektronische Lesen ist zu teuer bei uns.

Es ist der Unterschied im Geschäftsmodell. Die Schweizer wollen weiterhin die Papierausgabe schützen, halten darum die Preise hoch und vertreiben auf diese Weise die künftigen digitalen Kunden. Die US-Verleger verabschieden sich vom Papier, bauen für die Zukunft vor und holen darum mit attraktiven Preisen massenhaft digitale Kunden zurück.

In der Mediengeschichte hat meist das zweite Preismodell funktioniert.

 

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 20. September 2018

 

Bildquelle: pixabay.com

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