«Bro Vote»: Wie Podcasts und alternative Medien Trump zum Wahlsieg verhalfen

18. November 2024 • Internationales, Medienpolitik, Top • von

Bildquelle: Marco Verch/ CC-BY 2.0

Donald Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2024 zeigt, wie radikal sich die politische Landschaft in den USA verändert hat. Eine entscheidende Rolle spielte dabei das sogenannte “Bro Vote” – junge Männer unter 30 Jahren, die sich zunehmend auf alternative Medien und Podcasts verlassen, anstatt den traditionellen Medienkanälen zu vertrauen.

Seit den 80er Jahren gehen Frauen in den USA häufiger zur Wahl als Männer. Besonders zurückhaltend zeigt sich hierbei die Gruppe der jungen Männer, und diese an die Wahlurnen zu bringen, ist keine einfache Aufgabe. Beide Lager versuchten, die Unterstützung dieser Gruppe zu gewinnen, insbesondere in den umkämpften Bundesstaaten. Kamala Harris setzte auf ihre Erfahrung als Staatsanwältin, doch im Großen und Ganzen richtete sich ihre Kampagne eher an Frauen und auf reproduktive Rechte. Die Demokraten wurden traditionell von Hollywood-Stars, Weltberühmtheiten wie Taylor Swift und Beyoncé sowie großen Konzernen unterstützt. Im Gegensatz dazu konzentrierte sich das Trump-Team auf junge Männer, von denen viele schon lange von traditionellen Medien wie Zeitungen, Fernsehen und Radio enttäuscht sind. Das Vertrauen in diese Kanäle sinkt seit Jahren, und Comedy-Podcasts mit populären Gastgebern wurden zu Trumps treuesten Verbündeten im Kampf um Stimmen.

Junge Männer und ein neuer politischer Kurs

Im Wettstreit um die Stimmen der Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren hat Trump einen beachtlichen Erfolg erzielt. Laut CIRCLE stimmten 2024 56 % der jungen Männer für ihn – ein deutlicher Anstieg im Vergleich mit 41 % im Jahr 2020. Dies wurde zu einem regelrechten Phänomen, das die Presse als „Bro Vote“ bezeichnete. Experten, die die amerikanische Gesellschaft untersuchten, sprachen bereits vorsichtig von dieser Verschiebung. Dass sich junge Menschen im neuen Zeitalter, so paradox es auch klingen mag, als die Verlierer fühlen könnten.

Warum ist gerade das “Bro Vote” für Trump so wichtig? Eine eingehendere Analyse zeigt tief verwurzelte Ängste und Erwartungen dieser jungen Wähler. Junge Männer machen sich zunehmend Sorgen um ihre Zukunft. Steigende Lebenshaltungskosten, teure Mieten, soziale Instabilität – selbst die bescheidenen Ziele vergangener Generationen erscheinen heute fast unerreichbar. Zum Beispiel war es vor 30 Jahren möglich, sich mit einem Job bei McDonald’s über Wasser zu halten und nach dem College einen soliden Bürojob zu erwarten. Heute hingegen könnte sich herausstellen, dass der erworbene Abschluss bereits durch künstliche Intelligenz ersetzt wurde oder dass die eigene Branche völlig umgestaltet wurde, sodass man nun den Rest seines Lebens an der Kasse arbeiten muss. Die moderne Wirtschaft bietet zwar zahlreiche Chancen, erfolgreich zu sein, doch wenn man scheitert, dann gründlich.

BroVote. Das Bild wurde mit KI (DeepAI ) generiert.

Obwohl diese Probleme alle betreffen, lastet die Belastung besonders schwer auf jungen Männern aus verschiedenen Bildungs-, Rassen- und ethnischen Gruppen. Männer der Generation Z bleiben heute fast doppelt so oft Single wie ihre Altersgenossinnen. Sie besuchen seltener Colleges und finden schwieriger Arbeit als frühere Generationen. Ihr Lebensweg ist von wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialer Isolation geprägt, was sich besonders während der COVID-19-Pandemie verstärkte: Viele von ihnen verbrachten ihre prägenden Jahre isoliert und überwiegend online.

Diese Unsicherheit und Erfahrungen bildeten den idealen Nährboden für Trumps einfache, aber wirkungsvolle Botschaften. Sein berühmter Slogan “Make America Great Again” vermittelt eine klare Botschaft: Wenn Amerika erst noch großartig werden muss, dann ist es das derzeit nicht. Trump sagt ganz direkt: Seht, wohin die derzeitige Regierung das Land geführt hat. So finden sich junge Menschen in derselben sozialen Kategorie wie die traditionellen Anhänger Trumps und generell populistischer Politiker. In der Kategorie derjenigen, die glauben, dass der politische Mainstream auf einem anderen Planeten lebt und in einer unverständlichen Sprache spricht. Für sie ist das bestehende System grundsätzlich unfair und stößt jeden, der es nicht schafft, an den Rand der Gesellschaft.

Für Trump ist klar: Die Eliten und Mainstream-Medien hören nicht auf die Sorgen und Bedürfnisse vieler junger Menschen. Sie senden von den großen Fernsehkanälen und sprechen so, dass niemand ihre Worte versteht. Deshalb setzt er dort an, wo junge Menschen ihn tatsächlich hören werden.

Podcasts und alternative Medien als politische Macht

Trump wusste, dass es bei diesen Wahlen nicht auf Details oder Programme ankam. Die Wahlen stellten eine Abstimmung gegen den Status quo dar. Es war nicht wichtig, dass die Wähler nicht mit dem Abtreibungsverbot einverstanden waren. Wichtig war, dass die Wähler sich darin einig waren, dass in Washington Menschen sitzen, denen ihre Probleme gleichgültig sind. Trump verstand, dass er das so oft und laut wie möglich wiederholen musste. Er musste der wütende Alte sein, der alle in der Regierung, die in ihrem Wohlstand schwelgen, zur Ordnung ruft. Was in der Kampagne wie völliger Wahnsinn erscheinen mag, diese endlosen Beleidigungen und die selbstvergessene Hassrede, erwies sich unter den gegenwärtigen Umständen als äußerst erfolgreiche Wahlkampftaktik. Das, was Wähler abschrecken sollte, war genau das, was sie suchten.

Wie erreicht er nun genau dieses Zielpublikum? Um seine Anhänger zu mobilisieren, knüpfte Trump Verbindungen zu populären Komikern, Influencern und Tech-Milliardären wie Elon Musk. Alternative Medien, darunter Podcasts, wurden zu den Hauptinstrumenten seiner Kampagne. Im Gegensatz zu traditionellen Kommunikationskanälen ziehen Medienformate wie Joe Rogan Experience und Podcasts von Theo Von und Adin Ross ein junges und überwiegend männliches Publikum an. Durch diese Plattformen fand Trumps kritische Stimme Gehör. Er nahm die Rolle eines „Kumpels“ ein, der die Sorgen der jungen Männer versteht.

Ein entscheidender Faktor ist das Vertrauen der Zuschauer. Wenn ein Präsidentschaftskandidat zwischen endlosen Beleidigungen seines Wahlgegners persönliche Themen wie Drogenkonsum mit dem populären Podcaster  Theo Von, einem ehemaligen MTV-Moderator, diskutiert, erreicht das Video Millionen von Aufrufen. Auch sein Auftritt im Podcast von Joe Rogan, den der Demokrat Andrew Yang einmal als “männliche Version von Oprah” bezeichnete, war ein großer Erfolg. Trump verbrachte drei Stunden in Rogans Studio und sprach über Steuerpolitik, Kampfsport und sogar das Leben auf dem Mars. Rogan, der sich eher als “interessierten Laien” denn als professionellen Journalisten sieht, hat das Vertrauen seiner Zuschauer gewonnen, da seine Denk- und Präsentationsweise bei vielen jungen Männern Anklang findet. Besonders bemerkenswert ist, dass eine Figur, die lange Zeit politisch neutral blieb, offen für Trump eintritt und damit enormen Einfluss ausübt.

Die Abwendung von traditionellen Medien

Nach diesen Interviews begannen Blogger mit Millionenpublikum, zur Wahl von Trump aufzurufen, darunter auch Adin Ross, ein umstrittener Streamer, der auf Twitch wegen homophober Äußerungen gesperrt wurde. Seine Unterstützung war so leidenschaftlich, dass sogar Trump selbst überrascht war. Trump bemerkte, dass ihn schon viele interviewt haben, die ihn “wirklich mögen”, aber „sie haben nicht das getan, was du getan hast. Sie hätten nicht gesagt: “Wählt ihn.” “Ich finde es erstaunlich, dass du das sagen kannst”, fügte er hinzu.

Trumps gezielte Medienstrategie in der politischen Kommunikation richtet sich an Menschen, die weder ABC, noch Fox oder CNN sehen und Influencer als ihre Idole betrachten. Wenn Kamala Harris sich auf Berühmtheiten wie Taylor Swift und Beyoncé stützt, hat dies nicht den gleichen Effekt. Studien zeigen, dass die Empfehlungen von Popstars die Wahlentscheidung kaum beeinflussen und manchmal sogar das Gegenteil bewirken.

Harris’ Teilnahme an einem Sketch in der TV-Show Saturday Night Live zieht nicht die Aufmerksamkeit der “Bros” auf sich, während ein Interview bei Joe Rogan auf YouTube über 49 Millionen Aufrufe erzielt. Das Team von Harris versuchte, Trumps erfolgreichen Auftritt zu wiederholen, verpasste jedoch die Chance: Nach einer Einladung von Rogan gaben sie bekannt, dass sie nicht nach Austin kommen und ein Interview über eine Stunde führen könne. Rogan schrieb auf X (ehemals Twitter), dass er sich ehrlich auf das Gespräch mit Harris gefreut habe, aber nur zu seinen Bedingungen. Dieser Fall zeigt einen interessanten Wandel: Keine traditionelle Medienfirma hätte solche Bedingungen stellen können, aber Rogan kann es offenbar und nimmt sich das Recht dazu.

Liberale Medien bezeichneten Trumps Strategie oft als riskant, doch kurz vor den Wahlen erkannten sie deren Erfolg an. Das Schema ist einfach: Dem Narrativ folgen, dass Politiker des anderen Lagers mit allen möglichen Leuten reden – mit Journalisten, untereinander, auf Twitter -, aber nicht mit der amerikanischen Jugend, und dies dort erzählen, wo die Zielgruppe es hört. Die Tatsache, dass Journalisten der New York Times ernsthaft über Harris‘ Fehler, das Interview mit einem Influencer verpasst zu haben, diskutieren, zeigt, wie ernst traditionelle Medien nun das Gewicht solcher Figuren wie Rogan nehmen und wie sehr alternative Plattformen in der politischen Kommunikation an Dominanz gewinnen.

Wie die neue Medienlandschaft die Politik der Zukunft gestaltet

Während das Medienvertrauen in traditionelle Kanäle sinkt, steigt die Bedeutung alternativer Plattformen, auf denen sich junge Menschen verstanden und repräsentiert fühlen. Podcaster und Influencer sprechen oft eine Sprache, die als näher und authentischer wahrgenommen wird, da sie informeller kommunizieren und mehr auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen. Diese Nähe erzeugt ein Vertrauen, das traditionellen Medien oft aufgrund ihrer institutionalisierten Struktur fehlt. Durch ihre Unabhängigkeit von traditionellen Medienregeln und ihrn Anschein, ungefiltert zu sein, geben junge Menschen zudem das Gefühl, „echte“ und unverfälschte Informationen zu erhalten. Die Influencer selbst werden oft zu Vorbildern – quasi zu älteren „Bros“, mit denen man sich identifizieren möchte und denen man nacheifern möchte. Wenn sie Trump eine Plattform bieten und ihn unterstützen, hat das also durchaus eine Bedeutung.

Durch Trumps systematische Bemühungen, unzufriedene junge Männer für sich zu gewinnen, sicherte er sich einen erheblichen Vorsprung bei den Wahlen. In einer Ära, in der traditionelle Medien ihren Einfluss auf junge Wähler verlieren und alternative Plattformen zu Schlüsselkanälen der politischen Kommunikation werden, zeigt Trumps Sieg eindrucksvoll, wie stark die neue Medienlandschaft die Wählermobilisierung und den politischen Kurs eines Landes prägen kann.

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