Warum Journalisten ausbrennen

27. Juni 2013 • Ressorts • von

Eine Studie zeigt die Ursachen von Burnout im Medienbereich auf.

„Fast ein Jahr lang hatte ich bei der Arbeit das Gefühl, dass mir jemand im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken sitzt und die Luft abpresst“, sagt die Journalistin Claudia Frank (Name von der Redaktion geändert).

Monatelang arbeitete sie in einer Redaktion, in der sie keine Art von Wertschätzung für ihre Arbeit verspürte, in der Überstunden scheinbar zum guten Ton gehörten und deren Arbeitsbedingungen ihr letztlich den Schlaf raubten: „Ich konnte weder einschlafen noch habe ich mal eine Nacht durchgeschlafen. Ich fühlte mich immer, als hätte ich nachts einen Marathon absolviert, überhaupt nicht ausgeruht“, sagt sie.

Körperliche Beschwerden kamen hinzu, ständig spontane Tränen, eine absolute Gereiztheit und schließlich das Gefühl, nichts mehr auf die Reihe zu bekommen. Am Ende dann die Krankschreibung und eine sechsmonatige Behandlung in einer Reha-Klinik wegen eines Burnouts.

Journalisten brennen aus. Studien zeigen, dass rund ein Fünftel der Medienakteure unter „hohem Burnout“ leidet. Wie es dazu kommt, wurde bislang kaum erforscht. Daher stand diese Frage im Fokus einer aktuellen Arbeit, die erstmals auf qualitative Art erforscht hat, welche Ursachen zum Burnout von Journalisten führen. Vierzehn ausgebrannte Journalisten aus sechs verschiedenen Bundesländern wurden hierfür in halbstandardisierten Tiefeninterviews befragt. Deutlich wurde, dass diverse journalisten-spezifische Faktoren zum Burnout in der Medienwelt von heute führen. Die meisten von ihnen gelten unabhängig von der Art der Anstellung für freie und fest angestellte Journalisten. Die wichtigsten sollen im Folgenden dargestellt werden.

Die hierarchische Druck-Kette

Die heutige Medienwelt wird schneller, bunter und sensationsgieriger. Technische und multimediale Aufgaben werden in die Redaktionen verlagert. Gleichzeitig sinken Werbeeinnahmen, Verlage und Sender stehen unter finanziellem Druck, Stellen werden gestrichen und Honorare für freie Autoren gekürzt. Als Folge dessen haben Journalisten das Gefühl, dass von ihnen mehr verlangt wird, aber ohne entsprechende Entlohnung. Vor allem Freie stehen unter dem Druck, stets präsent und erreichbar sein zu müssen, um nicht durch die Konkurrenz ersetzt zu werden. Eine Flut an eingehendem Material und neuen multimedialen Aufgaben intensiviert die Arbeit besonders von Festangestellten. All dies führt zu Überlas­tungen und zu Druck auf allen Hierarchie-Ebenen, der nach unten hin weitergegeben wird.

Redakteure etwa beklagen fehlende oder unklare Ansagen des Verlegers/Vorgesetzen und vermuten gar eine gewisse Erwünschtheit von Verunsicherungen in der Belegschaft. Freelancer hingegen fühlen sich wie „Lichtschalter“, die beim Einschalten zu funktionieren haben. Konstruktive Kritik und Anerkennung in verbaler oder monetärer Form fehlen. Folglich spüren die Journalisten einen Mangel an Wertschätzung, der in fehlender Motivation und einem Verlust an Kreativität mündet. Hinzu kommt eine gewisse Art von Boulevardisierung und Kommerzialisierung der Berichterstattung, die von den Journalisten als nicht kompatibel mit den eigenen Ansprüchen empfunden wird. Dies führt zu dem Gefühl der Betroffenen, permanent um die Qualität des eigenen Produkts kämpfen zu müssen. Diese gesamte „Druck-Kette“, die vor allem durch äußere Faktoren bedingt ist, stellt einen der Hauptfaktoren dar, der Journalisten ausbrennen lässt.

Das Prinzip: Höher, schneller, perfekt

Die Ursachen jedoch allein im journalistischen Umfeld zu suchen, würde hier zu kurz greifen. So zeichnen sich ausgebrannte Journalisten dadurch aus, dass sie über einen langen Zeitraum auch an Wochenenden, im Urlaub und trotz Krankheit gearbeitet und auf Auszeiten verzichtet haben. Es fiel und fällt ihnen schwer, Aufgaben zu delegieren, da sie glauben, vieles „besser“ als andere zu können. Hinzu kommen oftmals hehre Karriereziele, die durch einen frühen Erfolg als Berufseinsteiger geprägt – später aber enttäuscht wurden. Gerade für Journalisten ist es nicht ungewöhnlich, dass sie recht früh (nach einem ersten Praktikum beispielsweise) Aufträge übernehmen und eigene Artikel oder Beiträge produzieren können. Umso belastender aber wirkt eine spätere Stagnation der Karriere. Eine Kombination aus ausgeprägtem Perfektionismus und hohem Pflichtbewusstsein sowie enttäuschten Zielen wirkt daher burnout-gefährdend für Journalisten.

Der starke „Superjournalist“

Auch das Image vom rasenden Reporter, der keine Schwäche zeigen darf, spielt im Burnout-Prozess von Journalisten eine Rolle. Es prägt ihr Bild von sich selbst und von ihrem Berufsstand. So lernen Journalisten offenbar recht früh, dass eine hohe Arbeitsbelastung zu diesem Beruf gehört und dass der Job an vorderster Stelle stehen sollte, um Erfolg zu haben. Auch bezeichnen viele – trotz eines erlittenen Burnouts – den Beruf immer noch als Traumjob und betonen seine interessante Seite, obwohl sie an anderer Stelle stark über den konkreten Arbeitsalltag klagen. Wichtig erscheint ihnen dabei zu betonen, dass es sich nicht um einen „Null-Acht-Fünfzehn-Job“ handelt, sondern um eine Berufswelt, die andere Leute „nur aus dem Fernsehen kennen“.

Dadurch fühlen sie sich offenbar angespornt, mehr zu arbeiten, um zumindest nach außen hin dem Image eines „Superjournalisten“ zu entsprechen. Was folgt, ist eine Attitüde der Selbstausbeutung, in der eine Arbeitsüberlastung nicht in Frage gestellt wird. Problematisch aber wird dies vor allem, sobald die konkreten Arbeitsbedingungen nichts mit einer glitzernden Fernsehwelt gemein haben, dem Image des „Superjournalisten“ eher widersprechen und Belohnungen für den eingesetzten Arbeitsaufwand ausbleiben.

Die Frage nach dem Sinn

All diese Faktoren führen viele Journalisten schließlich an einen Punkt, an dem sie die Frage nach dem Sinn der eigenen Tätigkeit nicht mehr beantworten können. Sie sprechen dabei von einer Art Kontrollverlust, von Sinnentleerung und einem Hamsterrad, das von außen gesteuert wird. Eigene Wünsche und einstige Ziele sind dabei aus dem Fokus geraten. Auch wenn diese Frage nach dem Sinn kein journalisten-spezifischer Burnout-Faktor ist: Gerade in einer Zeit des medialen Wandels, in der das Medienumfeld als ein unsicheres empfunden wird, erscheint es beängstigend, dass Journalisten auf die Frage nach dem Sinn keine befriedigende Antwort mehr finden.

Privates Umfeld

Schließlich sei noch erwähnt, dass auch private Faktoren im Burnout-Prozess von Journalisten eine Rolle spielen können. Dies wurde im Verlauf der Arbeit überraschenderweise deutlich, obwohl Burnout eigentlich in erster Linie arbeitsbezogen ist. Für Frauen spielt hier vor allem der Faktor „Kind“ eine Rolle, aber auch der Kauf einer Immobilie oder eine schwierige Partnerschaft können Burnout fördern. Gleichzeitig kann ein intaktes privates Umfeld aber auch als „Ressource“ gesehen werden, die im Verlauf des Burnouts helfen kann.

Fazit

Insgesamt lässt sich sagen, dass eine Vielzahl von äußeren und inneren Faktoren dazu führt, dass Journalisten heute ausbrennen. Der mediale Wandel bedingt dabei eine Überlastung von Journalisten auf allen Hierarchie-Ebenen. Es folgt ein Ungleichgewicht zwischen zu hohen Anforderungen und als zu gering empfundenen Belohnungen. Hinzu kommt eine Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und einer empfundenen Boulevardisierung und Kommerzialisierung der Berichterstattung.

Aber auch persönliche Faktoren wie ein hohes Pflichtbewusstsein und ein ausgeprägter Perfektionismus spielen im Zusammenhang mit enttäuschten Karrierezielen eine Rolle. Das Bild des „Superjournalisten“ in Abgrenzung zu anderen „Null-Acht-Fünfzehn-Jobs“ führt darüber hinaus zu einer gewissen Attitüde der Selbstausbeutung. Diese wird vor allem dann problematisch, wenn die konkreten Arbeitsbedingungen dem Image widersprechen und Belohnungen für einen erheblichen Arbeitsaufwand ausbleiben. All diese Komponenten führen dazu, dass betroffene Journalisten an einen Punkt gelangen, an dem sie den Sinn ihrer Arbeit hinterfragen und auf die Frage „Wozu das alles?“ keine Antwort mehr finden.

Die Folge all dieser Faktoren muss zwar kein Burnout sein – sie führen aber dazu, dass Journalisten ausbrennen. Daher sollten sie gerade in einem Berufsfeld zu denken geben, in dem die Akteure „frei“ arbeiten sollten, um ihre gesellschaftlich wichtige Aufgabe in einer modernen Demokratie erfüllen zu können.

Geuking, Annelen (2012): Wenn Journalisten ausbrennen… Eine qualitative Untersuchung zum Burnout in der heutigen Medienwelt. AV Akademikerverlag: Saarbrücken.

Erstveröffentlichung: Journalistik Journal Nr. 1/2013

Bildquelle: Petra Bork  / pixelio.de

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