Es gibt im Schweizer Medienmarkt kaum noch Wettbewerb. Darum braucht es einen Götzen.
Im September war ich am Medienkongress in Luzern. Das ist das jährliche Branchentreffen der Schweizer Verleger, ein Mix von Podium und Party.
Diesmal war es eine eher bizarre Erfahrung. Es war eine Art Götzenverbrennung.
Wo ich hinkam, im Plenum oder an der Bar, redeten alle nur von einem speziellen Medienhaus. Es war ein Medienhaus, das gar nicht zur anwesenden Gruppe der Verleger gehört. Alle redeten wie gebannt nur von der SRG.
Pietro Supino etwa, der Präsident von Tamedia, redete gebannt davon, wie die SRG die privaten Medien verdränge. Peter Wanner, der Präsident der AZ Medien, redete gebannt davon, dass man die SRG verkleinern müsse. Alle andern sagten dasselbe.
Ein Götze ist ein Abgott. Abgötter braucht es dann, wenn einem der richtige Glaube abhandengekommen ist. Genau das ist in den Medien passiert. Der Glaube an den Wettbewerb und an die Marktwirtschaft ist verlorengegangen. Das führt zu Ersatzhandlungen.
Ich war auch vor zwanzig Jahren schon an Medienkongressen. Damals redete niemand von der SRG. Denn die Verleger hatten genug mit sich selber zu tun. Die Verleger der Berner Zeitung und der Solothurner Zeitung etwa hatten damals heftige Konflikte im Markt. Die Verleger des Landboten und der Thurgauer Zeitung gingen im Markt aufeinander los. Die Verleger des Oltner Tagblatts und des Zofinger Tagblatts schenkten sich nichts im Markt.
Alle diese Verlage, und viele andere mehr, gibt es nicht mehr im Markt. 23 mittlere und größere Medienunternehmen sind in den letzten zwanzig Jahren verschwunden. Sie wurden übernommen. Das beendete überall die vormalige Konkurrenzsituation.
Unsere Zeitungslandschaft hat heute stark planwirtschaftliche Züge. Wettbewerb ist kaum noch sichtbar. Überall dominieren Quasi-Monopolisten. Die Ost- und die Zentralschweiz gehören exklusiv der NZZ-Gruppe, das Mittelland den AZ Medien, die Agglomerationen Zürich, Bern und die Westschweiz der Tamedia.
Nur in einer einzigen Stadt der Schweiz, in Zürich, gibt es mit der NZZ und dem Tages-Anzeiger noch zwei große Medienmarken aus zwei Medienhäusern, die sich gedruckt wie online direkt bekämpfen.
Ein bisschen Konkurrenz gibt es zudem noch unter den Sonntagszeitungen. Wirklich marktwirtschaftlich geht es nur noch bei den Regionalradios zu, wo sich in fast allen großen Agglomerationen zwei oder drei Sender gegenüberstehen.
In diesem Klima ohne Konflikt und Konkurrenz braucht es natürlich einen bösen Wolf. Es braucht ein Feindbild, das die eingeschlafene Kampfeslust der Branche wieder weckt. Es braucht die SRG.
Nur, ist die SRG überhaupt ein Konkurrent der privaten Medien? Leser jedenfalls nimmt sie den Verlegern keine weg.
Wettbewerber ist sie allenfalls im Online-Geschäft. Dort ist das SRF-Portal die Nummer vier im Markt, hinter den Verleger-Sites von 20 Minuten online und Blick online und fast gleichauf mit dem Newsnet.ch der Tamedia-Blätter. Allerdings ist sie kein kommerzieller Konkurrent, weil sie keine Werbung schalten darf.
Kein kommerzieller Konkurrent ist sie ebenso im Werbegeschäft. Sie nahm zwar letztes Jahr 243 Millionen für TV-Spots ein. Aber auch bei einem Werbeverbot für die SRG würden diese Gelder nicht in die kleinen und publikumsschwachen TV-Kanäle der Verleger fließen. Sie würden zu anderen Massen-Plattformen von RTL bis Google wechseln.
Das Ganze ist darum eine psychologische Frage. Die Verleger haben den Wettbewerb weitgehend eliminiert. Nun fehlt ihnen das Feuer des Kapitalismus. Dann muss man zumindest einen Götzen verbrennen.
Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 29. September 2016
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Schlagwörter:Konkurrenz, Schweiz, SRG, Wettbewerb