Putschwelle in Afrika: Wie berichten deutsche Medien über die Staatstreiche in Niger und Gabun?

15. Juli 2025 • Aktuelle Beiträge, Forschung aus 1. Hand, Internationales • von

Im Jahr 2023 stürzte ein Putsch die Regierung in Niger, kurz darauf folgte ein Coup in Gabun: ein Indiz für die fragile Sicherheit in vielen afrikanischen Staaten, die auch in westlichen Medien thematisiert wird. Berichte von Afrika-Korrespondenten ausgewählter deutschsprachiger Medien und Nachrichtenmagazine geben Aufschluss über die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf beide Coups.

In mehreren afrikanischen Ländern ereigneten sich in den letzten Jahren Staatsstreiche.

Die Begriffe „staatliche Fragilität“ und „Bürgerkrieg“ deuten darauf hin, dass die Sicherheit in mehreren afrikanischen Ländern zusammengebrochen ist (Glawion 2020). Als Beispiele für diesen Zusammenbruch lassen sich verschiedene Staatsstreiche anführen, beispielsweise in Côte d’Ivoire, Mali oder Burkina Faso. Im Juli 2023 kam es zu einem Staatsstreich in Niger, im August 2023 folgte ein Putsch in Gabun.

Der Staatsstreich in Niger am 26. Juli 2023 beendete die demokratisch gewählte Regierung des nigerianischen Präsidenten Mohammed Bazoum und stellte ihn unter Hausarrest. Die Putschisten unter Abdourahmane Tchiani begründeten ihre Aktion mit der Sicherheitslage und der wirtschaftlichen Situation. Sie erhielten die Unterstützung der Armee, die angeblich ein Blutvergießen verhindern wollte. Zuvor hatte es bereits 2021, kurz vor Bazoums Amtsantritt, einen Putschversuch gegeben, der vereitelt werden konnte.

Etwa einen Monat später, am 30. August 2023, endete die Bongo-Dynastie in Gabun. Sie hatte das Land seit 1967, 56 Jahre lang, regiert. Die Armee gab kurz nach Ali Bongos Wiederwahl bekannt, ihn gestürzt zu haben. Da die Herrschaft der Bongos autoritär gewesen war, wurden die Wahlergebnisse als unglaubwürdig angesehen. Der Putsch wurde von Teilen der Bevölkerung in Gabun gefeiert, insbesondere von jüngeren Generationen, die auf bessere Lebensbedingungen hofften.

Diese Kette von Staatsstreichen und der „Zusammenbruch der Sicherheit” in mehreren afrikanischen Ländern ist nicht unbemerkt geblieben: Reporter berichten über diese Themen und zeigen Probleme auf. Dieser Artikel befasst sich mit der Berichterstattung deutscher Korrespondenten über die Staatsstreiche 2023 in Niger und Gabun, um die Berichterstattung und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf die Staatsstreiche zu bewerten.

Zu diesem Zweck wurden Berichte von Afrika-Korrespondenten von Der Spiegel, FAZ, Die Zeit, NZZ und Tageszeitung ausgewählt, einigen der bekanntesten und beliebtesten Nachrichtenmagazinen Deutschlands.

Berichterstattung über den Staatsstreich in Niger

Die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten in Niger löste fast überall auf der Welt vielfältige Reaktionen aus, sowohl in der Zivilbevölkerung als auch in den politischen Eliten.

Die Tageszeitung berichtete am 28. Juli 2023, dass die Vereinten Nationen Niger nach der gewaltsamen Machtübernahme durch Tchiani, den Chef der Präsidentengarde, keine humanitäre Hilfe mehr leisten wollten. Die Spiegel-Redaktion schloss sich dem am 22. August 2023 an: „Die Afrikanische Union hat sich lange Zeit mit einer Stellungnahme zum Putsch in Niger zurückgehalten – nun schließt das Bündnis das Land aus, um dem Regime keine Legitimität zu verleihen.“ Die Tageszeitung berichtete am 30. Juli 2023 außerdem, dass die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) Sanktionen gegen Niger verhängen wolle, indem sie das Land isoliere und möglicherweise militärisch interveniere, um den demokratisch gewählten Präsidenten wieder an die Macht zu bringen. Frankreich begrüßte diese Erklärung der ECOWAS.

Nach dem Vorbild der Afrikanischen Union, der ECOWAS, Frankreichs und der Vereinten Nationen wollte Deutschland laut FAZ keine deutschen Steuergelder mehr an die Putschisten schicken und fror die Entwicklungshilfe ein.

Die FAZ berichtete am 2. August 2023, dass die M62, eine politische Bewegung in Niger, die aus dem Widerstand gegen die französische Militärpräsenz im Land hervorgegangen ist, auf diese Äußerungen mit einer Erklärung für Russland und gegen Frankreich reagiert habe. Die NZZ berichtete am 4. September 2023, dass viele Menschen in der Sahelzone den Westen als „die Bösen“ und Russland als „die Guten“ sähen.

Algerien sprach sich gegen eine mögliche militärische Intervention der ECOWAS in Niger aus. Die Spiegel-Redaktion zeigte am 19. August 2023 ebenfalls, dass Burkina Faso und Mali auf der Seite Nigers standen.

Infolge dieser kontroversen Reaktionen wollte die ECOWAS, wie Berichte der FAZ am 10. August 2023 bestätigten, „alle diplomatischen Kanäle” nutzen und einen Militärschlag als allerletzte Option in Betracht ziehen.

Die Militärmacht in Niger forderte außerdem den Rücktritt des französischen Botschafters in Niamey. Die NZZ wertet diese Forderung als hoffnungslose Situation für Frankreich in Niger. Es würde der Abzug des französischen Botschafters zusammen mit den französischen Truppen folgen. Dies wurde als Verlust für Frankreich angesehen, Die Zeit bezeichnete es als „schmerzhaften Abschied von Françafrique“.

Darüber hinaus behauptete Der Spiegel am 17. August 2023, dass „Niger einer der wichtigsten Partner der EU in der Sahelzone war – im Kampf gegen Terrorismus und Migration nach Europa. Nun wurde die Regierung durch einen Putsch gestürzt: Werden die Flüchtlinge zurückkommen?“ Die demokratische Regierung Nigers war ein sicherer Partner des Westens gewesen, finanziert von der EU. Die Frage spiegelt die erhebliche Unsicherheit in der Sahelzone wider, die durch diesen Putsch noch verschärft werden könnte.

Berichterstattung über den Staatsstreich in Gabun

Auf den Staatsstreich in Gabun folgte eine Welle der Verurteilung durch viele Länder und Organisationen. So wies beispielsweise Zeit-Online am 31. August 2023 darauf hin, dass die Afrikanische Union den Staatsstreich nicht nur verurteilte, sondern Gabun bis auf Weiteres aus der Union ausschloss. Was Paris betrifft, berichtete Die Zeit am 7. September 2023 , dass auch die französische Regierung den Putsch verurteilte und gleichzeitig die Achtung der Wahlergebnisse forderte.

Die Zeitung berichtete am 7. September 2023 auch, dass die neuen Machthaber in Gabun „die enormen Erwartungen ihrer Landsleute nach Befriedung der Konflikte, Arbeit, Infrastruktur und dem Ende der Korruption nicht erfüllen können. Zumindest nicht schnell und umfassend genug.“ Der Korrespondent der Zeit teilte die Ansicht, dass „die Putschisten vorerst die falsche Vorstellung vom französischen Sündenbock der Françafrique nutzen wollen“, um die Aufmerksamkeit ihrer Bevölkerung von der Realität abzulenken, denn „viele junge Menschen glauben an diese Fehlannahme (…). Sie gehen davon aus, dass die Grande Nation eine Macht über ihre Länder und ihr Leben hat, die sie nicht mehr hat.“

Am 7. September 2023 bezeichnete die FAZ diese Unterstützung für die Putschisten durch einen großen Teil der Jugend als „verlorenen Glauben an die Demokratie“.

Vor diesem Hintergrund wies Der Spiegel am 30. August 2023 darauf hin, dass Paris, das enge Beziehungen zum langjährigen Machthaber Ali Bongo unterhielt, seine Politik auf dem Kontinent überdenken müsse. Der Grund dafür sei, dass diese es Frankreich nicht mehr so leicht machen würden wie die Familie Bongo, die Frankreich viele Rohstoffe aus Gabun sicherte. Am 7. September 2023 machte Die Zeit durch die folgende Aussage des ehemaligen Präsidenten Omar Bongo das Verhältnis zwischen Frankreich und dem Land deutlich: „Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Chauffeur. Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Benzin.“

Bewertung der Berichterstattung über die beiden Staatsstreiche

Die Zeit betonte am 7. September 2023: Frankreich empört sich nur dann über Militärregierungen, wenn sie gegen französische Interessen handeln.“ Diese Sichtweise kann erklären, warum Frankreich fast das einzige Land unter den vielen Großmächten ist, das den Staatsstreich in Gabun verurteilt, aber auch darauf besteht, dass die umstrittenen Wahlergebnisse in Gabun respektiert werden sollen. Viele andere Großmächte verurteilten fast ausschließlich den Staatsstreich. Die Afrikanische Union schloss Gabun aus der Union aus. Die Regierung von Ali Bongo hatte internationale Medien und Wahlbeobachter von den Wahlen ausgeschlossen und soziale Medien gesperrt. Dies ließ Zweifel an den verkündeten Wahlergebnissen aufkommen, wonach Ali Bongo die Wahlen mit mehr als 63 % der Stimmen gewonnen habe. Nur Stunden nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen fand der Putsch statt.

Mit Ausnahme Frankreichs, das mit Ali Bongo seine Rohstoffinteressen sichern würde, fordert also niemand die Achtung der Wahlergebnisse. Niemand fordert die Wiedereinsetzung von Ali Bongo als Präsident, obwohl Bongo laut der Kronen Zeitung vom 30. August 2023 alle seine Freunde weltweit am 30. August 2023 dazu aufgerufen hat, sich für ihn einzusetzen. Bemerkenswert ist auch, dass fast kein Land eine militärische Intervention befürwortet, um Ali Bongo wieder an die Macht zu bringen. Diese einhellige Erklärung der internationalen Gemeinschaft vermittelt den Eindruck, dass alle seit langem auf das Ende des Regimes der Familie Bongo gehofft hatten. Die Ausnahme bildet Frankreich.

Es ist klar, dass sich der Fall Gabun stark von dem des Niger unterscheidet. Fast alle sind der Meinung, dass es keinen Grund für einen Staatsstreich im Niger gab. Im Gegensatz zu Ali Bongo in Gabun, dessen Familie das Land 56 Jahre lang regierte, wurde der nigerianische Präsident Mohammed Bazoum erst am 2. April 2021 nach einer Reihe von Militärregierungen vereidigt.

Um die Demokratie in dem westafrikanischen Land zu festigen, verurteilten fast alle westlichen Großmächte zusammen mit der ECOWAS und der Afrikanischen Union den Putsch und forderten die Freilassung des gestürzten Präsidenten Mohammed Bazoum, damit er sein Amt wieder aufnehmen könne.

Darüber hinaus unterstützten fast alle westlichen Mächte noch eine andere Sichtweise, auf die Die Zeit am 7. August 2023 aufmerksam machte: Niger sei nach den Militärputschen in Burkina Faso und Mali ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelzone. Das Land sei auch bedeutend bei der Regelung von Migration nach Europa und aufgrund seiner Uranvorkommen ein guter Partner für Frankreich. Wie Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Regionalprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte, könnte dieser Putsch außerdem die Armut in Niger verschärfen, da die Putschisten nicht in der Lage wären, diese zu bekämpfen.

Bei dem Putsch in Niger geht es auch um einen Machtkampf zwischen dem Westen und Russland. Berichte in Die Zeit verdeutlichen die Bedeutung der Putschisten: „Für Russland hätte die militärische Zusammenarbeit mit Niger einen besonderen symbolischen Wert – es wäre ein Zeichen an den Westen, dass ein Land, das noch vor einer Woche ein wichtiger Partner des Westens war, nun mit Russland zusammenarbeitet.“ Deshalb verurteile Russland laut den Berichten eine militärische Intervention der ECOWAS, obwohl die russische Regierung durch „Außenminister Sergej Lawrow die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung gefordert“ habe.

Im Gegensatz zu Russland unterstützen fast alle westlichen Länder eine militärische Intervention, um den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum zu befreien und ihn wieder in sein Amt einzusetzen. Algerien lehnt dies zusammen mit dem ehemaligen Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo (VOA Afrique 2023), ab. Laut Gbagbo sollte die ECOWAS darüber nachdenken, wie der Terrorismus in der Sahelzone bekämpft werden kann, anstatt die Putschisten militärisch anzugreifen, was die Sicherheitslage in der Sahelzone verschlechtern würde.

Wegen des Ziels, Niger zu demokratisieren, und der mit der gestürzten Regierung geschlossenen Vereinbarungen zur Bekämpfung von Armut, Terrorismus und zur Migration in die Europäische Union fordern fast alle westlichen Länder den Rücktritt der Putschisten, damit der demokratisch gewählte Präsident Bazoum wieder die Macht übernehmen kann. Die ECOWAS, unterstützt von der Afrikanischen Union und fast allen westlichen Ländern, drohte den Putschisten in Niger mit Sanktionen und einer möglichen militärischen Intervention – um ihre eigenen Interessen, ihre Sicherheit und die Eindämmung der Putschwelle sowohl in Niger als auch in ganz Afrika zu gewährleisten.

 

Bildquelle: Pexels

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