Besser Online 2026: Digitales im Fokus beim DJV

12. September 2025 • Digitales, Top • von

Foto: Richard Brandt

20 Jahre „Besser Online“: am 6. September diskutierten Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) und diverse Speaker aus Praxis und Forschung in Leipzig über aktuelle Herausforderungen und Innovationen im Bereich digitaler Journalismus.

Seit die jährliche Konferenz des Berufsverbandes mit Fokus auf digitale Aspekte der Berufspraxis vor 20 Jahren startete, hat sich einiges verändert: aus einem “nerdigen” Nischenthema ist Online-Journalismus zur absoluten Alltagsnormalität und Priorität in allen Bereichen der Branche geworden. Das diesjährige Programm zeigt, wie vor allem Künstliche Intelligenz Medienschaffende und Medienunternehmen vor Herausforderungen stellt. Aber auch Desinformation, wirtschaftliche sowie ethische Fragen und politische Dimensionen wie Kontrolle vs. Freiheit und das Erstarken des (Rechts-)Populismus und autoritärer Tendenzen beschäftigen die Expert:innen.

Gegen Hetze und Clickbait

Die österreichische Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig beleuchtete in ihrer Keynote Chancen, sogenannten „Krawallseiten“ im Netz mit Erklärjournalismus entgegenzutreten. Sie bezog sich dabei auf ihr aktuelles Buch Wider die Verrohung (2024), in dem sie analysiert, wie digitale Kommunikation zunehmend von aggressiver und polarisierender Sprache geprägt ist und Strategien vorschlägt, die dagegen helfen können. Ein zentrales Problem sei, dass emotionalisierte Sprache besonders viele Reaktionen auslöst und entsprechende Posts daher besonders häufig geteilt würden. Selbst Medien, die sich eigentlich um differenzierte Berichterstattung bemühen, greifen deshalb in ihren Überschriften gelegentlich zu überzogenen Formulierungen, um mehr Klicks zu erzielen. Brodnig nannte als Beispiel die Berichterstattung über den Fall Frauke Brosius-Gersdorf, die durch eine Hetzkampagne von der Kandidatur als Richterin am Bundeserfassungsgericht verdrängt wurde. Auch wenn hinter der Paywall in vielen von Brodnig genannten Beispielartikel eine ausgewogene Einordnung folgte, werde die öffentliche Wahrnehmung durch die Zuspitzung in den Überschriften stark beeinflusst.

Wie Medien zwischen wirtschaftlichen Interessen und ethischen Herausforderungen navigieren können, thematisierte auch Jochen Wegner, gemeinsam mit Giovanni di Lorenzo Chefredakteur der ZEIT und Zeit Online. Als langjähriges DJV-Mitglied und Gründer des Journalisten-Netzwerkes Jonet berichtete er von seinen Erfahrungen mit digitalem Wandel. „Auch ein ganz normaler langer Text kann digital funktionieren“, betonte Wegner. Als Erfolgsrezept für den Umgang mit neuen Technologien beschrieb er eine offene Kultur des Ausprobierens innerhalb der Redaktion: Von Volontär:innen bis zum Chefredakteur sollten alle jederzeit Ideen einbringen können – auch ungewöhnliche. Mit der wachsenden Bedeutung von Digitalabos habe sich zudem vieles verändert. Nutzungsverhalten lasse sich längst nicht mehr auf einfache Faktoren reduzieren; vielmehr gebe es komplexe Berechnungen mit denen sich zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit schätzen ließe, dass jemand innerhalb der nächsten Tage ein Abo abschließt. Dies wirkt sich auch auf inhaltliche Themensetzung und formale Gestaltung aus.

Podcasts als Wirtschaftsfaktor

Eine wichtige Entwicklung sieht Wegner auch im Bereich Podcasts, die eine neue Nähe zum Publikum schaffen und vor allem jüngere Nutzer:innen erreichen. Sein gemeinsam mit Christoph Amend moderiertes Format Alles gesagt war zunächst als humorvoller Kommentar auf übliche Interviewformate gedacht: „Man kann im klassischen journalistischen Interview wenig über die Leute herausfinden. Und gerade Medienprofis sind geübt, ihre Themen unterzubringen. Dann werden tatsächlich interessante Punkte oft erst nach Abschalten des Mikros erzählt – bei Alles gesagt wird nicht abgeschaltet.“ Diese besondere Intensität bringt dem Podcast inzwischen Rekord-Abrufzahlen ein, und gemeinsam mit den anderen Podcasts der ZEIT, u.a. ZEIT Verbrechen, sind Podcasts inzwischen zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der Marke geworden. Abschließend betonte er, dass künstliche Intelligenz den Journalismus tiefgreifend verändern werde.

Das Thema KI dominierte die Agenda der Tagung in mehrfacher Hinsicht. Während Abschlussredner Martin Andree das düstere Bild einer Digitalokratie der “DarkTech” zeichnete,  betonten andere Redner:innen auch die Möglichkeiten, die neue Technologien eröffnen. So ging es um Anwendungen im Bereich des Lokaljournalismus, Nachhaltigkeit, Kontrollmöglichkeiten und Urheberrecht. In Workshops konnten die Teilnehmenden KI-Tools für die journalistische Anwendung testen, z.B. das PROMPT-Tool zur Erkennung und Nachverfolgung von Desinformation und ein Werkzeug zur Geolocation. Die Debatten lassen darauf schließen, dass KI in Zukunft einschneidende Effekte auf Recherche, Content-Erstellung und Medienrezeption haben könnte.

Aber auch Machtverhältnisse und Freiheit wurden zum Thema: So sprach Michael Schmuck im Vorabendprogramm über die Problematik der SLAPP-Klagen und Rechte und Pflichten bei der journalistischen Recherche. Das Panel Zwischen den Polen beleuchtete, wie Bedrohung für polnischer Journalist:innen mit steigender Polarisierung steigt und wie Redaktionen sich trotz zunehmender Einschränkungen im politischen System behaupten können. Sebastian Leber vom Tagesspiegel diskutierte, „wie wir die AfD stoppen können“.

Mit der diesjährigen Tagung „Besser Online“ bot der DJV der Branche erneut eine Plattform, um Praxiserfahrungen auszutauschen, aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Gleichzeitig diente die Konferenz Dank der Teilnehmenden aus verschiedenen Bereichen der journalistischen Praxis und Forschung als Impulsgeber für Zukunftsvisionen: für einen besseren, mutigeren und relevanteren digitalen Journalismus.

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